Ausbildungs-Entschädigungen im Fußball: Die Kehrseite der Medaille

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Eine Regelung, die eigentlich kleine Vereine schützen soll, kann diese auch teuer zu stehen kommen.

2015 zog der Fußballklub CS Grevenmacher vor den Internationalen Sportgerichtshof, um sich gegen eine Ausbildungsentschädigung zu wehren, die der Verein an zwei portugiesische Vereine hätte zahlen müssen. Der CSG bekam recht, doch der Fall ist immer noch nicht komplett abgeschlossen. Bis heute wartet der Klub noch auf sein Geld. Die Regelung, die eigentlich kleine Vereine schützen soll, hat auch eine Kehrseite.

Von Chris Schleimer

In einer Ecke von Lynn Franks Büro steht eine Kiste voller Akten. Sie alle beziehen sich auf den gleichen Fall und in den kommenden Wochen und Monaten könnte die Kiste noch voller werden. Es geht um die Klage des Fußballklubs CS Grevenmacher vor dem Internationalen Sportgerichtshof (CAS) in Lausanne. Lynn Frank hatte den Verein im November 2014 vor dem CAS vertreten. Die Rechtsanwältin hat eine Spezialisierung in Sportrecht. „Es reicht zwar nicht, um ausschließlich davon zu leben, hin und wieder habe ich allerdings Fälle, bei denen mir meine Spezialisierung im Sportrecht zugute kommt. Meistens sind es dann Vereine oder Verbände, die ich berate“, erläutert die 32-Jährige, die sich den Großteil ihrer Arbeitszeit mit Straf-, Zivil- oder Arbeitsrecht beschäftigt.

2014 kam ihr dann aber ihre Ausbildung im Sportrecht gelegen. Es ging um Ausbildungsentschädigungen, die der CS Grevenmacher an zwei portugiesische Klubs hätte zahlen sollen. Und das für einen Spieler, der zwar wohl 2012 beim CSG unter Vertrag stand, allerdings nur 45 Minuten zum Einsatz kam. Laut FIFA-Reglement wird eine Ausbildungsentschädigung fällig, wenn ein Spieler bis zu seinem 23. Lebensjahr einen Profivertrag unterschreibt. Sinn und Zweck dieser Regel ist es, kleine Vereine zu schützen. Wenn sie Zeit und Geld in die Ausbildung der Spieler investieren, sollen sie wenigstens entschädigt werden, wenn große Vereine sie verpflichten.

Allerdings hat der FIFA-Artikel 20 bezüglich Status und Transfer eines Spielers so seine Schwächen, wie auch der Fall Grevenmacher deutlich machte. Denn Daniel da Silva, der Spieler, um den sich die ganze Affäre drehte, ist nicht nach Luxemburg gekommen, um seinen Lebensunterhalt mit Fußball zu verdienen. „Der Junge kam mit seinen Eltern nach Luxemburg, um hier zu leben. Dabei wollte er lediglich seinem Hobby, dem Fußballspielen, nachgehen“, erläutert Frank. Als er erst mal zum Kader der ersten Mannschaft gehörte, bekam er auch 300 Euro pro Monat, was aber sicherlich nicht zum Leben reicht.

Dennoch haben zwei portugiesische Vereine, für die Da Silva in der Jugend auflief, Ansprüche geltend gemacht. Dabei wurde sowohl Associação Deportiva e Recreativa Pasteleira wie auch der Sport Clube Vila Real vom gleichen Anwalt vertreten. Dieser hatte in der Vergangenheit außerdem für die FIFA gearbeitet. Sie verlangten 50.000 Euro vom luxemburgischen Verein, weil sie den Spieler ausgebildet hätten. Das wollte sich der Mosel-Klub allerdings nicht bieten lassen und zog vor den CAS. Dafür musste der CSG allerdings zweimal 10.000 Schweizer Franken aufbringen, um den Fall vor den CAS zu bringen.

Der Internationale Sportgerichtshof hatte dem CSG allerdings gleich im ersten Punkt recht gegeben. Die Richter waren der Meinung, dass ein Gehalt von 300 Euro und dazu noch ein Vertrag, der bloß über fünf Monate ging, nicht ausreichen würden, um als Profi zu gelten. Dadurch wurden sämtliche weitere Punkte, die Frank angeführt hatte, nicht mehr berücksichtigt. Leider, findet sie auch heute noch: „Wir hatten uns sehr viel Mühe gegeben und hatten gehofft, dass wir einen Präzedenzfall schaffen würden.“ Frank hatte plädiert, dass der Vertrag zwischen dem Spieler und dem Verein nicht einmal unter das Arbeitsrecht fallen würde und von daher könnte Da Silva auch nicht als Profi betrachtet werden. Außerdem ist Frank der Meinung, dass die FIFA-Regelung gegen europäisches Recht verstoßen würde. „Diese Regel verstößt unserer Ansicht nach gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit.“

Das Warten geht weiter

Doch auch wenn der CSG am 13. März 2015 als Sieger aus Lausanne zurückkehrte, so wartet der Klub, der in der abgelaufenen Saison aus der Ehrenpromotion abgestiegen ist, immer noch auf einen Teil des Geldes. „Das CAS-Urteil hat uns eine Verfahrensentschädigung von 2.500 Schweizer Franken sowie die Rückerstattung der Prozesskosten zugesichert. Allerdings warten wir immer noch auf einen Teil des Geldes“, so Frank.

Das Geld müssten sie theoretisch von den beiden portugiesischen Vereinen bekommen. Die Associação Deportiva e Recreativa Pasteleira hat am 11. April dieses Jahres die letzte Rate überwiesen, vom Sport Clube Vila Real hat der CSG bislang noch keine Überweisung erhalten. „Wir haben die FIFA bereits darauf hingewiesen. Sollte der Klub nicht zahlen, würde er zwangsabsteigen. Doch dann würde er sicherlich Konkurs anmelden und wir hätten unser Geld immer noch nicht.“ Seit der Abstiegsdrohung durch die FIFA hat sich der Verein aber wieder bei Frank gemeldet. „Sie haben mittlerweile einen anderen Anwalt. Sie erklären zwar immer wieder, dass sie bezahlen werden, aber wir warten immer noch.“

Der Fall Grevenmacher zeigt die Schwächen der FIFA-Regel. „Die Grundidee dahinter ist ja nicht falsch. Es ging ja eigentlich darum, die kleinen Vereine zu schützen.“ Allerdings haperte es laut Frank bei der Umsetzung. „Die FIFA hat das ganze allerdings nicht spezifisch genug betrachtet.“ Laut FIFA werden die Ligen in vier verschiedene Kategorien unterteilt. Die BGL Ligue, also die höchste Spielklasse in Luxemburg, zählt zur Kategorie drei. Hier können noch Ansprüche auf eine Ausbildungsentschädigung geltend gemacht werden. Alle anderen Ligen in Luxemburg zählen zur Kategorie vier, in der die Vereine als reine Amateurteams klassifiziert sind, sodass keine Kosten für die Ausbildung anfallen können.

„Vor der Einführung dieser Regel hätte die FIFA einige Fallbeispiele aufführen müssen, um den Missbrauch dieser Regel zu verhindern. Es reicht nicht, einfach den Internationalen Sportgerichtshof damit zu beauftragen“, so die Meinung der Anwältin, für die es zu viele juristische Unklarheiten in Zusammenhang mit dieser Regel gibt.

So habe die FIFA zum Beispiel in einem anderen Fall eine Forderung für eine Ausbildungsentschädigung, die sich an den Klub aus Petingen richtete, nicht zugelassen, da der Spieler „nur“ 400 Euro verdient habe. Im Fall Grevenmacher hätten aber schon 300 Euro gereicht, um die Forderung der portugiesischen Vereine zuzulassen. Außerdem waren es nicht bloß zwei Vereine, die Ansprüche geltend gemacht hatten, sondern es hingen noch Anträge von drei weiteren Klubs bei der FIFA in der Schwebe. „Auch sie wurden vom gleichen Anwalt vertreten wie die beiden anderen Vereine. Ein Klub hat eine Ausbildungsentschädigung für einen Zeitraum angefordert, in dem Da Silva bereits in Luxemburg angemeldet war.“

Mit dem CAS-Urteil vom März 2015 hat der CSG zwar den Super-GAU verhindern können, doch auch über drei Jahre später muss der Verein immer noch auf die Rückerstattung eines Teils seiner Kosten warten.


Der Fall Wilhelmshaven

Nicht nur in Luxemburg sorgte die Ausbildungsentschädigungs-Regel für Diskussionen. In Deutschland weigerte sich zum Beispiel der SV Wilhelmshaven trotz CAS-Urteil, eine Ausbildungsentschädigung an argentinische Klubs zu zahlen. Die FIFA ordnete den Zwangsabstieg des Klubs an. Der Fall ging bis vor den Bundesgerichtshof in Karlsruhe. Zuvor hatte das Oberlandesgericht in Bremen den Zwangsabstieg bereits für unwirksam erklärt, eben weil die Ausbildungsentschädigung gegen EU-Recht verstoße. Der BGH bestätigte das Urteil.
In Luxemburg mussten sowohl der F91 Düdelingen (124.000 Euro) als auch die Jeunesse Esch (125.000 Euro) bereits Ausbildungsentschädigungen an ausländische Vereine zahlen.