Warschau streitet mit Jersey City über Katyn

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Von unserem Korrespondenten Jens Mattern

Der polnische Senatsmarschall Karczewski will den Bürgermeister von Jersey City verklagen. Ein Katyn-Denkmal in der amerikanischen Stadt ist der Auslöser des Streits. Denn Jersey City will dieses entfernen. Die Entscheidung führt zu beleidigenden Aussagen.

Steven Fulop, Bürgermeister von Jersey City, muss mit einer Klage aus Polen rechnen. Schließlich beschimpfte er den Senatsmarschall Stanislaw Karczewski in der vergangenen Woche via Twitter als „Holocaust-Leugner“, „Antisemiten“ und „weißen Nationalisten“. Der Grund für diesen scharfen Ton ist ein Streit um das Katyn-Denkmal inmitten der kleineren Nachbarstadt von New York.

Katyn-Denkmal soll weg

Der Politiker der Demokraten und das einflussreiche Bauunternehmen Mack Cali, das den Exchange Place umgestaltet, wollen dort das Denkmal aus dem Zentrum schaffen. Es sei zu „grausam“, so Firmenchef Mike DeMarco. Die 1991 enthüllte überlebensgroße Statue aus Granit und Bronze zeigt einen polnischen Soldaten, der hinterrücks von einem Bajonett erstochen wird. Das Monument erinnert an den Massenmord an bis zu 25.000 polnischen Offizieren und Beamten durch den sowjetischen Geheimdienst NKWD 1940 im westrussischen Katyn und anderen Orten.

Das Verbrechen wurde zuerst von Moskau den deutschen Truppen untergeschoben. Erst Staatschefs Michail Gorbatschow und Boris Jelzin nannten Jahrzehnte später sukzessive die wahren Schuldigen. Der Vorfall gilt als Nationalmythos des polnischen Leidens.

Senatsmarschall will klagen

Nicht nur Karczewski, der in seinem Protestschreiben die Entscheidung „skandalös“ nannte und darauf Fulops Reaktion erfuhr und nun klagen will, regte sich auf. Auch liberale Parteien in Polen sowie die jüdische Gemeinde protestieren. Der polnische Oberrabbiner Michael Schudrich, der in New York geboren ist, meint, an Katyn zu gedenken, sei „eine Verpflichtung eines jeden Menschen“.

Doch die unbegründeten Anschuldigungen, die der jüdische Bürgermeister von Jersey City gegenüber dem nationalkonservativen Politiker erhebt, sind wohl Früchte eines polnischen Gesetzes, das in den westlichen Medien als Holocaustgesetz tituliert wird und gegen das die USA und Israel protestiert haben. Denn eine Klausel des Gesetzes schreibt vor, dass „der polnischen Nation keine Verantwortung oder Mitverantwortung (…) an Naziverbrechen zuzuschreiben ist“. Im besetzten Polen gab es Helfer der deutschen Truppen, die Juden ermordeten oder an die SS auslieferten. Wichtig ist Warschau hierbei, dass Polen nicht als Nation angeklagt werde. Dann könne jedoch nicht straffrei über polnische Kollaborateure bei Naziverbrechen berichtet und geforscht werden, so die Argumentation aus Jerusalem.

Die Initiative der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) will so das Geschichtsverständnis der globalen Öffentlichkeit über Polens Rolle im Zweiten Weltkrieg steuern. Katyn soll im Mittelpunkt stehen – doch wurde mit dem seit März wirkenden Gesetz gerade das Gegenteil erreicht. In den westlichen Medien wurden Themen wie etwa der Antisemitismus in Polen wieder ausgegraben.

Russland soll schuld sein

Entsprechend unterstellte Fulop Karczewski, dass dieser die Geschichte Polens bezüglich des Holocausts „umschreiben“ wolle. Die Regierung in Warschau ist nun in einem Dilemma. Sie kann diese Vorhaltungen aus dem Staat New Jersey, wo ein großer Teil der Bürger polnische Wurzeln hat, nicht tolerieren. Gleichzeitig ist die Regierung unter Mateusz Morawiecki auf eine harmonische Beziehung zu den Amerikanern angewiesen, die die polnischen Grenzen gegen Russland schützen sollen – zu viele Konfliktfelder tun sich derzeit in Europa auf.

Der Streit um die Statue nimmt dabei zunehmend hysterische Ausmaße an. Slawomir Platto, einer der Initiatoren des Denkmals Polonia in Jersey City, erklärte gegenüber dem polnischen Staatsfernsehen, das Entfernen der Statue sei mithilfe russischer Gelder geschehen. Er habe bald dazu Belege. Amerikas Polen werden sich zu mehreren Protestaktionen vor dem Denkmal versammeln.