DeutschlandSPD und FDP wollen Sparpaket wieder aufschnüren

Deutschland / SPD und FDP wollen Sparpaket wieder aufschnüren
FDP-Finanzminister Christian Lindner will wieder aus dem von ihm mit ausgehandelten Kompromiss zum deutschen Haushalt ausscheren Foto: Odd Andersen/AFP

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Die Fraktionen von SPD und FDP wollen das mühsam ausgehandelte Sparpaket der Ampelkoalition zum Bundeshaushalt 2024 nach massiven Protesten der Landwirte wieder aufschnüren. Top-Ökonominnen und Teile der Koalition warnen aber davor, gleich wieder umzufallen.

Führende Ökonominnen haben die Ampelkoalition aufgefordert, die mühsam erreichte Einigung über Einsparungen im Bundeshaushalt 2024 nach scharfen Protesten einzelner Gruppen nicht wieder aufzuschnüren. „Es war zu erwarten, dass es nach der Haushaltseinigung Proteste von denen geben würde, die dadurch negativ betroffen sind. Zur Ehrlichkeit gehört aber: Man kann nicht den Rotstift ansetzen, ohne jemandem wehzutun“, sagte die Vorsitzende der Wirtschaftsweisen, Monika Schnitzer, dem Tageblatt. „Die Ampel sollte an ihrer Einigung festhalten. Es war ein Schritt in die richtige Richtung“, sagte auch Veronika Grimm, Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (SVR). Der Rat ist das wichtigste wirtschaftspolitische Beratungsgremium der Bundesregierung.

Der Haushaltskompromiss der Spitzenvertreter der drei Ampel-Parteien von voriger Woche hat vor allem bei Landwirten und Verbrauchern, die sich Elektroautos bestellt haben, Empörung ausgelöst. Insgesamt muss die Regierung infolge eines folgenschweren Verfassungsgerichtsurteils von Mitte November im kommenden Jahr 17 Milliarden Euro im Kernhaushalt und weitere 13 Milliarden Euro im Klima- und Transformationsfonds (KTF) einsparen.

Übergangslösungen gefordert

Als Teil des Sparpakets wurde die staatliche Förderung für noch nicht zugelassene E-Autos ab dem 18. Dezember 2023 gestoppt. Zudem will die Regierung klimaschädliche Subventionen in der Landwirtschaft im Umfang von knapp einer Milliarde Euro streichen. „Mit der Abschaffung der Begünstigung in der Kraftfahrzeugsteuer für Forst- und Landwirtschaft entstehen Mehreinnahmen von 480 Millionen Euro. Die Abschaffung der Steuerbegünstigung beim Agrardiesel führt zu Mehreinnahmen von bis zu 440 Millionen Euro“, heißt es in einem Papier, das an diesem Mittwoch dem Kabinett vorgelegt wird. Als Reaktion gab es am Montag in Berlin einen massiven Bauernprotest mit vielen Traktoren vor dem Brandenburger Tor. 

Die Fraktionen von SPD und FDP forderten in Reaktionen auf die Proteste eine Übergangslösung und Härtefall-Lösungen beim Förderstopp für E-Autos. Zudem wandte sich vor allem die FDP gegen die Streichungen für Landwirte. FDP-Chef und Bundesfinanzminister Christian Lindner, der das Sparpaket mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) selbst verhandelt hatte, ging auf Distanz zu den Kürzungen bei Landwirten. Auch FDP-Fraktionschef Christian Dürr erklärte die Pläne für nicht zustimmungsfähig. Lindner habe bereits zugesagt, der Regierung Alternativen vorlegen zu wollen, wenn die Koalitionspartner zustimmten. Lindner selbst sagte in der ARD, die Bedenken der FDP-Fraktion und von Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) müssten „ernst genommen werden“. Bei den Grünen und Teilen der SPD kommt diese Inkonsequenz Lindners nicht gut an. Es sei schlimm, dass der FDP-Chef wenige Tage nach der Einigung, die er selbst ausgehandelt habe, wieder umkippe. „Die FDP ist nicht regierungsfähig“, hieß es in Kreisen der Koalitionspartner.

Neuer Etat, Ende Januar Anfang Februar

Die Ökonominnen Schnitzer und Grimm ermahnten die Koalition jedoch, konsequent zu bleiben. „Die Koalitionspartner haben sich auf diese Sparmaßnahmen im Rahmen eines Gesamtpakets gemeinsam geeinigt. Dann muss man dieses Gesamtpaket auch gemeinsam vertreten und verteidigen“, sagte Schnitzer, die Vorsitzende des Sachverständigenrats. „Man kann nicht nach einer mühsam erzielten Einigung diese gleich wieder einseitig infrage stellen. Einzelne Elemente davon im Nachhinein wieder infrage zu stellen und anderen den schwarzen Peter zuzuschieben, mag manchem aus wahltaktischen Gründen sinnvoll erscheinen. Aber wenn man das Paket wieder aufdröselt, kann das Ergebnis nur sein, dass andere belastet werden, die dann ihrerseits protestieren“, sagte sie. „Es geht hier nicht um die Frage, wo besser gespart werden kann, sondern ob unser System überhaupt handlungsfähig ist“, betonte Co-Mitglied Grimm.

Aus dem Finanzministerium soll es bis zur so genannten Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses des Bundestags am 18. Januar, in der der überarbeitete Etat festgezurrt werden soll, eine Vorlage geben, in der die Beschlüsse eingearbeitet sind. „Am konkreten Haushaltsentwurf und einer Aufschlüsselung einzelner Positionen wird derzeit gearbeitet“, sagte ein Sprecher Lindners am Dienstag. Der Etat soll dann in der Woche vom 29. Januar bis 2. Februar vom Bundestag und Bundesrat beschlossen werden.

„Wir werden nicht im großen Stil dieses Paket aufschnüren können“, sagte SPD-Chefin Saskia Esken. Der Kompromiss sei nicht einfach gewesen. „Insofern ist es jetzt wichtig, dass wir auch gemeinsam zu dieser Lösung stehen.“ Zugleich deutete Esken aber an, dass die Einschnitte bei den Landwirten zu prüfen seien.