SlowakeiFamilien und Staatsanwaltschaft halten Strafmaß im Mordprozess Kuciak für zu gering

Slowakei / Familien und Staatsanwaltschaft halten Strafmaß im Mordprozess Kuciak für zu gering
Der Todesschütze Miroslav Marcek erhielt eine relativ milde Strafe Foto: Vladimir Simicek/AFP

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Das Spezialgericht von Pezinok hat den Todesschützen, der am 21. Februar 2018 den Journalisten Ján Kuciak und seine Lebensgefährtin Martina Kušnírová ermordet hatte, zu einer Freiheitsstrafe von 23 Jahren verurteilt. Staatsanwaltschaft und Familien der Opfer halten das Strafmaß für zu gering, zumal dem Ex-Soldaten Miroslav Marček noch ein weiterer Mord zugeschrieben wird. Der Prozess gegen den mutmaßlichen Drahtzieher des Verbrechens, Marian Kočner, wird nach Ostern fortgeführt.

Die Verkündung des Urteils gegen den früheren Soldaten einer Spezialeinheit und mutmaßlichen Auftragsmörder Miroslav Marček fand wegen der aktuellen Corona-Pandemie unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen statt. Das Gericht schloss die Öffentlichkeit aus, lediglich drei Fernsehstationen durften an der Verhandlung teilnehmen.

Marček wurde zu 23 Jahren Haft in Sicherheitsverwahrung verurteilt. Des weiteren wurde sein gesamtes Eigentum eingezogen und der Verurteilte muss an die Hinterbliebenen der Mordopfer eine Entschädigungssumme von 180.000 Euro zahlen.

Die Vorsitzende des Strafsenats, Ružena Sabová, begründete das relativ milde Strafmaß mit der Kooperationsbereitschaft des Angeklagten. Marček hatte im Januar die Tat eingeräumt und weiter gestanden, bereits im Jahr 2016 den Unternehmer Peter Molnar ermordet zu haben. „Das Gericht hat mit diesem Urteil ein Signal gesendet, dass es durchaus Sinn macht, zu kooperieren“, erklärte Sabová in ihrer Begründung. Dies sei im Hinblick auf die Fortführung des Verfahrens gegen die drei übrigen Mitangeklagten geschehen.

Staatsanwaltschaft legt Berufung ein

Die zuständige Staatsanwaltschaft erklärte sich mit dem Urteilsspruch nicht einverstanden und legte Berufung ein. Ursprünglich hatte der Staatsanwalt eine Haftstrafe von 25 Jahren gefordert. Für die Verhängung der Höchststrafe von lebenslänglichem Freiheitsentzug sehe er jedoch keine ausreichenden Gründe, erklärte der Prokurator mit Blick auf die Geständigkeit des Angeklagten.

Das am Tag der Urteilsverlesung gleichfalls vorgestellte psychiatrische Gutachten charakterisierte den Ex-Soldaten als eine egozentrische, wenig Empathie empfindende Persönlichkeit. Gerichtspsychologe Robert Máthé erklärte ferner, er halte „das Bedauern Marčeks über seine Taten für nicht glaubwürdig“.

Übereinstimmend äußerten Gericht und Staatsanwaltschaft jedoch die Hoffnung, dass der Täter nach Verbüßung seiner Haftstrafe so weit gebessert werden konnte, um einen Resozialisierungsprozess bestreiten zu können.

Die Angehörigen der beiden Mordopfer zeigten sich zutiefst unzufrieden mit dem Ausgang des Verfahrens. „Marček hat uns das Liebste und Teuerste genommen, das Leben zweier junger Menschen, die noch am Anfang standen“, erklärte Zlatica Kušnírová, Mutter der Verlobten Ján Kuciaks. Die Anwälte der Familien, die im Verfahren als Nebenkläger auftreten, erklärten ebenfalls, Protest gegen das Urteil einlegen zu wollen. Die einzig mögliche Strafe sei lebenslänglich, so zeigten sich die Rechtsvertreter überzeugt.

Prozess gegen Kočner fortgeführt

Der Prozeß gegen Miroslav Marček wurde vom Hauptverfahren wegen der Geständigkeit des Mordschützen abgetrennt. Nachdem bereits Zoltán Andruskó als Überbringer des Mordauftrags zu einer Haft von 15 Jahren verurteilt worden war, ist das jetzige Urteil das zweite in der Prozessreihe. Das Verfahren gegen den mutmaßlichen Auftraggeber und Unternehmer Marian Kočner, dessen Assistentin Alena Zsuzsová sowie den Fahrer des Mordwagens, Tomáš Szabó, wird wegen der anhaltenden Corona-Epidemie Ende April fortgeführt. Alle drei Angeklagten bestehen auf ihrer Unschuld.

Der Mord an dem Enthüllungsjournalisten Ján Kuciak hatte weitreichende gesellschaftliche Umwälzungen in der Slowakei ausgelöst. Nach Protesten auf Straßen und Plätzen mussten der sozialdemokratische Ministerpräsident Robert Fico sowie einige seiner Minister zurücktreten. Die Bürgerrechtlerin Zuzana Čaputová wurde als erste Frau zur Staatspräsidentin der Slowakei gewählt. Allerdings verpasste ihre linksdemokratische Bewegung Spolu bei den Parlamentswahlen den Einzug in den Nationalrat. Die jetzt amtierende rechtskonservative Vier-Parteien-Koalition unter Igor Matovič (OL’aNO) hat sich derzeit nicht nur mit der Pandemie, sondern auch bereits mit unterschiedlichen Richtungskämpfen auseinanderzusetzen. Der Prozess um den Mord an Ján Kuciak und Martina Kušnírová geriet dabei etwas aus dem Blick der Öffentlichkeit.