SerbienExporte regierungsnaher Waffenhändler in Spannungsgebiete sorgen für Ärger

Serbien / Exporte regierungsnaher Waffenhändler in Spannungsgebiete sorgen für Ärger
Auch im Grenzkonflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan – hier eine durch Beschuss auf der armenischen Seite zerstörte Wohnung – kommen Waffen aus Serbien zum Einsatz Foto: AFP/Karen Minasyan

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Ob im Jemen oder auf dem Kaukasus: In Spannungsgebieten sind Billig-Granaten aus Serbiens staatlichen Waffenschmieden gefragt. Doch deren über regierungsnahe Waffenhändler abgewickelten Exporte sorgen nicht nur in Serbien, sondern auch auf dem internationalen Parkett für zunehmenden Ärger.

Ausgerechnet eine Granate aus der Waffenschmiede eines vermeintlichen Partnerstaats riss am 14. Juli im aserbaidschanischen Dorf Agdam den 75-jährigen Rentner Asis Asisow aus seinem Leben. „Armenien hat aserbaidschanische Positionen mit serbischen Granaten beschossen“, vermeldete aufgebracht das regierungsnahe Webportal „Haqqin.az“ und berichtete über „tiefe Enttäuschung“ in Baku: „Warum hat Serbien Armenien heimlich mit diesen Waffen beliefert? Hat Serbien die humanitären Hilfslieferungen Aserbaidschans und die Nichtanerkennung Kosovos schon vergessen?“

Empört bestellte Baku Serbiens Botschafterin ins Außenministerium ein. In Serbien, das mit Aserbaidschan bereits 2013 eine Erklärung zur „strategischen Partnerschaft“ unterzeichnete, hat sich seitdem vor allem der geschäftsführende Handelsminister Rasim Ljajic um Schadensbegrenzung in dem für Belgrad sehr peinlichen Skandal zu bemühen.

Serbien habe sich „formal-rechtlich“ keinerlei Fehler schuldig gemacht, da Armenien derzeit unter keinen UN-Sanktionen stehe, versichert Ljajic. Tatsächlich hat Belgrad seit 2017 19 Genehmigungen für Waffenexporte nach Armenien erteilt – 18 davon entfielen auf die Privatfirmen „Vectura Trans“ und „Partizan Tech“ des umstrittenen Waffenhändlers Slobodan Tesic. Der Sponsor der regierenden SNS ist auf den Export der Produkte von Serbiens staatlichen Waffenschmieden wie Krusik, Prva Petoletka oder Zastava Oruzje spezialisiert: Schon seit 2017 führt ihn das US-Finanzministerium wegen korrupter Geschäftspraktiken als unerwünschte Person in der schwarzen OFAC-Liste.

Ob in Syrien, Jemen, Afghanistan, Nigeria oder Kamerun – der Einsatz serbischer Billiggraten ist in den vergangenen Jahren vermehrt in Spannungs- und Kriegsgebieten dokumentiert worden. Belgrad verweist hingegen auf die offiziellen Export-Genehmigungen, die keineswegs für Krisengebiete erteilt würden. Doch auffällig ist, dass private Waffenhandelsfirmen im Dunstkreis der regierenden SNS seit deren Machtübernahme 2012 das lukrative Exportgeschäft weitgehend von der staatlichen „Jugoimport“-Gesellschaft übernommen haben.

Für Aufsehen sorgte 2019 der monatelang unter Hausarrest gestellte Krusik-Angestellte Aleksandar Obradovic: Der Whistleblower hatte Journalisten Dokumente zugespielt, wie Waffenhändler mit familiären Ministerkontakten die Granaten der angeschlagenen Staatsfirma zu Dumpingpreisen weit unter Marktwert aufkauften – und mit hohem Profit nach Saudi-Arabien verscherbelten.

„Überleben“ von Serbiens Rüstungsindustrie

Wie die Zeitschrift „Nin“ in ihrer jüngsten Ausgabe berichtet, hatte Vetura Trans schon 2018 mit Armeniens Verteidigungsministerium die Lieferung von 142.000 Granaten und 100 Granatwerfern vereinbart – der letzte Waffentransportflug sei am 15. Juli vom Flughafen Nis auf einen Flughafen „in der Nähe Eriwans“ erfolgt. „Die Interessen von Tesic sind wichtiger als die des Staates“, konstatiert das Blatt angesichts der zerrütteten serbisch-aserbaidschanischen Beziehungen.

Nach langem Schweigen zu dem Skandal hat sich am Wochenende auch der allgewaltige Staats- und SNS-Chef Aleksandar Vucic zu Wort gemeldet. „Für uns sind sowohl Aserbaidschan als auch Armenien ein Freund“, so die präsidiale Botschaft. Doch nur mit Waffenverkäufen sei das „Überleben“ von Serbiens Rüstungsindustrie und seinen 17.000 Beschäftigten zu sichern, auch wenn man damit immer „irgendjemand“ vor den Kopf stoße.

Was habe der Erhalt der Rüstungsindustrie mit den Privatgeschäften eines SNS-Sponsors zu tun, fragt sich hingegen die oppositionelle SDS von Ex-Präsident Boris Tadic in einer Erklärung: „Hinter der vermeintlichen Sorge von Vucic um die Rüstungsindustrie steht die Privilegierung privater Firmen, die einen Großteil ihrer Gewinne gerade zum Schaden der Staatsunternehmen erzielen.“