SerbienDie Kooperation von Forschung und Wirtschaft ist noch schwach entwickelt

Serbien / Die Kooperation von Forschung und Wirtschaft ist noch schwach entwickelt
Mit Krediten der Europäischen Investitionsbank wird im serbischen Novi-Sad eine Forschungseinrichtung finanziert Foto: Editpress

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Zu jugoslawischen Zeiten genossen Serbiens Forschungsinstitute einen exzellenten Ruf. Nach langer Durststrecke bemüht sich der EU-Anwärter, sein Innovationspotenzial besser zu erschließen. Doch nicht nur Finanznöte, sondern auch das schwache Interesse der Wirtschaft machen der Forschung zu schaffen.

Ein kalter Winterwind streicht über den keilförmigen Rohbau hinter dem Bauzaun unweit des Donau-Ufers im serbischen Novi-Sad. Aber dennoch blickt Vladimir Crnjovic mit zufriedenem Lächeln auf die unwirtliche Baustelle: In dem mit Hilfe von EU-Zuschüssen und Krediten der Europäischen Investitionsbank (EIB) finanzierten Glaspalast sollen die rund 120 Mitarbeiter des von ihm geleiteten „BioSense“-Instituts in Zukunft ihre Sensoren und Roboter für die effektivere Nutzung landwirtschaftlicher Flächen entwickeln.

„Wir sind eines der jüngsten, umsatzstärksten und erfolgreichsten Forschungsinstitute in Serbien“, berichtet der Institutsleiter stolz. Ob bei der Entwicklung von Biosensoren für den effektiveren Dünger- und Wassereinsatz oder der Fertigung von Robotern zur Entnahme und Messung von Erdproben, „wir produzieren nichts, sondern entwickeln Technik – und verkaufen dafür die Patente“, erläutert Crnjovic das Geschäftsmodell des Erfolgsinstituts.

Informations- und Biotechnologie hat Serbiens Regierung zum Schwerpunkt der heimischen Forschungspolitik erklärt – eine Spezialisierung, die laut Crnjovic durchaus Sinn macht: „Wir sind ein kleines Land und können nicht in allem exzellent sein. Es ist besser, sich auf bestimmte Bereiche zu konzentrieren.“

Ob bei der Entwicklung von Impfstoffen, Flugsimulatoren, Robotern oder Waffensystemen – zu Zeiten des zerfallenen Jugoslawiens genossen die über 70 Forschungsinstitute in Serbien international einen ausgezeichneten Ruf. Damals seien „sehr viele Mittel“ in die Forschung investiert worden, weil es „als strategisch wichtig galt, technologisch Schritt zu halten“, berichtet Aleksandar Rodic, der Leiter des Zentrums für Robotik am Institut Mihajlo Pupin (IMP).

Doch die Zeiten haben sich geändert. Heute investiert Serbien mit 0,91 Prozent des Sozialprodukts vergleichsweise wenig in die Forschung (Deutschland 3,1 Prozent, Österreich 3,2 Prozent). Mit EU-Hilfen, Förderfonds und der Schaffung von Wissenschaftsparks für innovative Firmengründer müht sich der EU-Anwärter nach langer Durststrecke zwar, das eigene Innovationspotenzial besser zu nutzen. Doch leicht ist es nicht, den Anschluss an die Vorreiter zu halten.

Fortschritte bei Digitalisierung

In Europa dümpelt Serbien auf Rang 32 und weltweit auf Rang 55 des Innovations-Index. Nur noch ein trister Schatten seiner selbst ist beispielsweise das Torlak-Institut für Virologie, das einst zu den führenden Impfstoff-Exporteuren der Welt zählte. Heute ist das durch Finanznöte, den Exodus seiner Fachleute und Parteienwirtschaft gebeutelte Institut selbst nicht mehr in der Lage, den heimischen Markt ausreichend mit Grippe-Impfstoff zu versorgen.

Immerhin: Bei der Digitalisierung der Verwaltung hat das Schwellenland bemerkenswerte Fortschritte erzielt. Und mit der Ansiedlung von mehreren hunderten, wegen des Ukraine-Kriegs von Moskau nach Belgrad abgewanderten IT-Betrieben mit zehntausenden von Mitarbeitern hat der IT-Sektor des Balkanstaats eine enorme Blutauffrischung erfahren. Doch während selbst der kleinere EU-Nachbar Kroatien mit dem Elektromotor-Pionier Rimac und dem IT-Giganten Infobip über zu sogenannten „Einhörnern“ ausgewachsene Start-ups im Milliarden-Wert verfügt, werden hoffnungsvolle Firmengründungen in Serbien häufig schon in einem frühen Stadium von der Konkurrenz geschluckt.

Trotz knapper Kassen und des Daueraderlass junger Fachkräfte ist einigen Forschungsinstituten der Sprung in die neue Zeit indes erstaunlich gut geglückt. Zwölf Kabelstränge lassen den Roboterrüssel im Zentrum für Robotik in alle Richtungen bewegen. „Der Rüssel kommt dort zum Einsatz, wo der Arm nicht hingelangt“, erläutert Zentrumsleiter Rodic den Sinn des mechanischen Helfers.

Maßgeschneiderte Lösungen für kleinere und mittlere Betriebe seien einer der Spezialitäten des Instituts, sagt Rodic. Doch oft würden heimische Firmen lieber auf die Sofortlösung eines Importroboters setzen als auf die Entwicklung eines genau auf ihre Bedürfnisse abgestimmten Roboters für wesentlich weniger Geld: „Unsere Firmen haben keine Geduld – und investieren kaum in die Forschung.“

Desinteresse an Forschung

Tatsächlich macht das Desinteresse der heimischen Wirtschaft Serbiens Forschungsinstituten fast noch mehr zu schaffen als ihre chronische staatliche Unterfinanzierung. Serbiens Forschung wird nur zu 7,5 Prozent von der Wirtschaft finanziert – in Deutschland liegt dieser Wert bei 69 Prozent.

Einerseits sind die früheren Staatsunternehmen als einstiger Motor und Hauptsponsor für die Forschungsinstitute weggebrochen. Andererseits sind serbische Geschäftsleute oft eher am schnellen Gewinn als an der Forschung interessiert. Auch Auslandsinvestoren, die ihre Produkte meist in ihrer Heimat entwickeln lassen, zeigen laut Rodic oft nur am Personal, aber kaum an den Diensten der heimischen Institute Interesse: „Doch wenn hier dauerhaft die besten Nachwuchskräfte abgeworben werden, entsteht ein Ungleichgewicht. Und das ist weder für Serbien, noch für die EU gut.“

Obwohl sein IMP-Institut mit einem Jahresumsatz von 65 Millionen Euro zu den 100 größten Unternehmen Serbiens zähle, sei es ein „täglicher Kampf, sich am Markt zu behaupten“, sagt Rodic. Bei Großaufträgen im Energiesektor habe das IMP bei Ausschreibungen gegenüber westlichen Konzernen wie Siemens auch wegen der nötigen Bankgarantien oft das Nachsehen. Häufig bleibe seinem Institut daher nur die Rolle des Subunternehmens: „Wir erhalten so zwar nicht den ganzen Kuchen, aber ein Teil davon ist auch nicht schlecht. Denn wenn du in einem Team mit Messi spielst, steigt immer auch dein eigenes Rating.“