TschechienDer ehemalige tschechoslowakische KP-Chef Miloš Jakeš ist verstorben

Tschechien / Der ehemalige tschechoslowakische KP-Chef Miloš Jakeš ist verstorben
Miloš Jakeš (r.) während der 1.-Mai-Feier der kommunistischen Partei Tschechiens im Jahr 2008 Foto: AFP/Michal Cizek

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Der langjährige kommunistische Politiker und letzte Generalsekretär der Kommunistischen Partei vor der Samtenen Revolution 1989, Miloš Jakeš, ist in Prag im Alter von fast 98 Jahren verstorben. Jakeš prägte maßgeblich das politische Leben der Tschechoslowakei nach der Zerschlagung des Prager Frühlings. Nach der Wende geriet er in Vergessenheit.

Er starb einsam, wie er in den letzten Jahren gelebt hatte. Wie der Nachrichtensender CNN Prima am Dienstagabend mitteilte, erlag Miloš Jakeš bereits Ende der vergangenen Woche einem längeren Leiden im Prager Militärkrankenhaus. In aller Stille wurden die sterblichen Überreste im Kreise der Familie am Dienstag beigesetzt, öffentliche Ehrungen gab es nicht, auch die Führungsspitze der KSCM war offensichtlich nicht zur Beisetzung anwesend.

Nur selten war der Politiker, der die letzten Jahre der sozialistischen Tschechoslowakei so maßgeblich geprägt hatte, noch in der Öffentlichkeit zu sehen. Lediglich an den 1.-Mai-Kundgebungen der KP nahm er noch regelmäßig teil, obwohl er bereits seit dem Dezember 1989 aus den Reihen der Partei ausgeschlossen worden war.

Unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der wiedererlangten Souveränität der Tschechoslowakei bat der 1922 geborene Miloš Jakeš um Aufnahme in die Kommunistische Partei. Zunächst war er dort jahrelang in der Jugendorganisation SČM tätig. Erst leitete er ein Gebietskomitee in Gottwaldov, später wechselte er als Agitationssekretär in die Zentrale nach Prag. Von 1955 an studierte er gemeinsam mit dem späteren Parteichef Alexander Dubček an der Parteihochschule in Moskau. Nach der Rückkehr widmete sich Jakeš zunächst dem Sektor Energie und Wirtschaft im Zentralkomitee. Von dort wechselte er in die Zentrale Kontroll- und Revisionskommission der Partei.

Ende des Prager Frühlings

Auf dem Parteitag im April 1968 – jener denkwürdigen Veranstaltung, die den „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“ proklamierte – wurde Jakeš mit 36 von 40 Stimmen zum Vorsitzenden der Parteikontrollkommission berufen. Zunächst unterstützte er die Politik seines ehemaligen Studienkollegen aus Moskauer Tagen. Spätestens jedoch nach der Konferenz im slowakischen Čierna nad Tisou, auf der alle Parteichefs der Warschauer Vertragsstaaten die Prager Führung vom Reformkurs abzubringen versuchten, wechselte er die Fronten. Fortan stellte er sich gegen die politischen Reformen in der CSSR und gehörte zu jener Gruppe von Parteioberen, die sich mit einem „Hilfegesuch“ nach Moskau wandten und somit den Weg für den Einmarsch der Warschauer-Vertrags-Truppen am 21. August 1968 frei machten. In den folgenden Jahren arbeitete er sich innerhalb der Parteispitze nach oben und wurde 1987 an Stelle des scheidenden Gustáv Husák zum Generalsekretär der Partei gewählt.

Hardliner bis zur Samtenen Revolution

Ähnlich seinen Parteikollegen in der DDR und in Rumänien stellte er sich – wenngleich auch nicht in solcher Härte – gegen den Reformkurs Michail Gorbatschows. Als sich die Situation Ende der 80er Jahre zuzuspitzen begann, versprach Jakeš, die Partei werde auch über einen Demokratisierungsprozess nachdenken. Immerhin gab der Generalsekretär dem Druck der ostdeutschen Botschaftsbesetzer im September 1989 nach und gestattete nach Verhandlungen mit der bundesdeutschen Spitze ihre Ausreise in den Westen. Doch auch im Land begannen die Proteste sich zu verstärken. Am 17. November 1989 – dem Gedenktag der studentischen Proteste gegen die Nazibesetzung von 1939 – befürwortete Jakeš den harten Polizeieinsatz in Prag, in deren Folge der Student Martin Šmíd zu Tode kam. In einem Interview bezeichnete der Generalsekretär die protestierenden Studenten als „eine Herde irregeleiteter Jugendlicher, die einer konterrevolutionären Idee hinterherlaufen“. Die Zeichen der Zeit wurden weder in Prag noch in Berlin oder Bukarest erkannt – binnen weniger Wochen wurde die alte Elite hinweggefegt, damit jedoch auch die Chance eines „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“ vergeben. Die Parteiführung musste sich verantworten, in der Folge wurden Jakeš und weitere Politbüromitglieder aus der KP ausgeschlossen.

Bis zu seinem Tode blieb Jakeš seiner kommunistischen Überzeugung ebenso treu wie auch der Ansicht, stets den richtigen Weg gegangen zu sein. „Die kommunistische Idee wird die Zukunft Tschechiens wieder bestimmen“, erklärte er. „Jetzt, wo er gestorben ist, werden wir ihn in angemessener Erinnerung behalten“, meinte der sozialdemokratische Kulturminister Lubomír Zaorálek, „seine Zeit ist bereits 20 Jahre vor ihm gestorben.“