Samstag1. November 2025

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Chamber „Putin ist zu einem rücksichtslosen Kriegstreiber mutiert“ – Regierung und Fraktionen beziehen Stellung

Chamber  / „Putin ist zu einem rücksichtslosen Kriegstreiber mutiert“ – Regierung und Fraktionen beziehen Stellung
Premierminister Bettel am Donnerstag in der Chamber Foto: Editpress/Didier Sylvestre

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Die Regierung hat am Donnerstag kurzfristig zu den Vorkommnissen in der Ukraine Stellung genommen. Mit Xavier Bettel, Jean Asselborn und François Bausch haben gleich drei Minister die russische Invasion verurteilt.

Mit Premierminister Xavier Bettel, Verteidigungsminister François Bausch und Außenminister Jean Asselborn haben drei Regierungsmitglieder am Donnerstagnachmittag vor dem Luxemburger Parlament Stellung zur Ukraine-Krise bezogen. „Die EU verurteilt die Aggression Russland aufs Schärfste“, sagte Premierminister Bettel. Luxemburg wisse nur allzu gut, wie es sich anfühle, wenn ein großes Nachbarland das Recht des Stärkeren geltend mache. „Das ukrainische Volk muss, soll und kann auf unsere vollste Solidarität zählen.“

Außenminister Jean Asselborn fand ebenfalls deutliche Worte. „Der 24. Februar 2022 ist für die Ukraine, was für Luxemburg der 10. Mai 1940 war“, so der Chefdiplomat in der Chamber. Man könne die NATO und die EU kritisieren, jedoch habe niemand Russland angegriffen. Die Welt brauche keine Einflusssphären mehr, wie sie noch vor 1989 bestanden haben. „Es ist derzeit schwierig, den Durchblick zu behalten, die ersten Toten werden gezählt.“ Schätzungen des Außenministers zufolge gibt es 20 bis 30 Luxemburger mit Wohnsitz in der Ukraine. Ob sich diese noch im Land befänden, sei derzeit noch unklar. „Putin ist von einem Reformer zu einem rücksichtslosen Kriegstreiber mutiert“, sagte Asselborn. Aber der Wind werde sich noch drehen. „Die Demokratie darf nicht unterschätzt werden.“ Die von der EU beschlossenen Sanktionen würden die Bevölkerung vor Ort nicht schützen können – jedoch werde bereits an einem weiteren Sanktionspaket gearbeitet. Putins Rhetorik einer Demilitarisierung und Entnazifizierung betitelte der Luxemburger Außenminister als „merkwürdig“.

Verteidigungsminister François Bausch hat in seiner Rede auf die gefährliche Terminologie des russischen Autokraten hingewiesen. Er fürchtet Konsequenzen für die Zivilbevölkerung in der Ukraine. „Neben der militärischen Operation müssen wir eine Säuberung innerhalb der Zivilbevölkerung in Betracht ziehen“, sagte Bausch. In der Ukraine befinden sich Angaben des Verteidigungsministers zufolge auch viele weißrussische Regierungskritiker. „Nach dem NATO-Briefing letzter Woche überrascht der Schritt des russischen Präsidenten nicht mehr“, so Bausch. Die Bündnispartner seien jedoch geeint wie selten zuvor. „Auch will ich klarstellen: Die Grenzen der NATO-Mitgliedstaaten wurden nicht überschritten.“ Die Aufgebote an den Grenzen würden jedoch verstärkt, die Defensivkapazitäten aufgestockt. Vier Luxemburger Soldaten seien in Litauen stationiert und sollen bis auf Weiteres im Baltikum bleiben. Ob weitere Luxemburger Soldaten ins Krisengebiet verlegt werden, ließ Bausch offen.

„Angriff auf die Demokratie“

CSV-Präsident und -Abgeordneter Claude Wiseler wertet den Angriff auf die Ukraine „nicht nur als skrupellose Attacke auf die territoriale Integrität der Ukraine, sondern auch als Bruch der internationalen Ordnung und als Angriff auf die Demokratie.“ Die CSV stehe hinter den beschlossenen Sanktionen und fordere weitere Maßnahmen seitens der EU. „Wir haben in einer Live-Schalte der Europäischen Volkspartei mit dem Kiewer Bürgermeister Vladimir Klitschko gesprochen“, sagte Wiseler. „Klitschko hat gemeint, Putin werde nicht an den Grenzen der Ukraine haltmachen.“

„Wir hatten alle in den vergangenen Wochen gehofft, dass die diplomatischen Anstrengungen zu einer Lösung im Ukraine-Konflikt führen“, sagte der DP-Abgeordnete Gusty Graas nach den Redebeiträgen der Regierung. „Aber jetzt kommt es zu einem Krieg auf europäischem Boden.“ Jetzt stelle sich die Frage, wie der Westen, die EU, die NATO reagieren sollen, um einen Krieg zu verhindern, der unschuldige Menschen umbringe.
„Sie können auch uns wehtun, besonders, was die Versorgung mit Energie betrifft“, rief Graas dem Plenum ins Gedächtnis. „Die vergangenen Wochen haben bewiesen, dass Herrn Putin nicht mehr zu trauen ist“, sagte Graas. „Et geet elo duer.“

Die Situation erinnere den Abgeordneten „ein bisschen an München 1938“ – „da hat ein gewisser Mann auch den Eindruck vermittelt, für den Frieden einzutreten“. Gegenüber der Situation damals habe man jetzt aber zwei starke Bündnisse – die NATO und die EU. „Wir müssen Russland und auch China klarmachen, dass wir eine Kraft sind, die sich für Frieden und Toleranz einsetzt.“ Man dürfe nicht zulassen, dass es zu einer weiteren Eskalation komme. „Wirtschaftliche Sanktionen sind jetzt gefragt, aber wir müssen auch andere Maßnahmen in Betracht ziehen, wie die Mitgliedschaft in internationalen Organisationen“, sagte Graas. Die DP verurteile die russische Aggression aufs Schärfste und rufe Putin dazu auf, sofort die Waffen niederzulegen.

„Es gibt kein Ja und Aber mehr“

Der LSAP-Fraktionschef Yves Cruchten sagte: „Jetzt ist Haltung gefragt – es gibt kein Ja und Aber mehr.“ Der Angriff sei auf der ganzen Linie zu verurteilen, „und sonst nichts“, erklärte Cruchten. „Das ist ganz klar Putins Krieg.“ Der Konflikt riskiere, Ausmaße anzunehmen, die man seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr erlebt hatte. „Unsere Priorität ist es, so schnell wie möglich einen Waffenstillstand zu erreichen und zu deeskalieren“, sagte Cruchten. „Wir fordern Präsident Putin auf, wieder an den Verhandlungstisch zurückzukehren.“

Die Sanktionen seien richtig, Cruchten fordert aber eine stärkere, konsequente Reaktion, die vor allem einstimmig beschlossen werde. „Es geht um die Verteidigung unserer Werte und das Aufrechterhalten der Rechtsordnung“, sagte Cruchten. Der Zusammenhalt der EU dürfe nicht geschwächt werden. Gleichzeitig fordert Cruchten, den Dialog mit Putin nicht abzubrechen. „Alle, die sagen, man hätte überhaupt nicht in den vergangenen Tagen und Wochen mit Putin diskutieren sollen: Es ist nie falsch, zu reden und sich für friedliche Lösungen einzusetzen.“

„Heute Morgen, als ich auf das Handy schaute, hatte ich direkt einen Kloß im Hals“, sagte die Grünen-Abgeordnete Stéphanie Empain. „So schockiert wir heute sind, frage ich mich, wie es die Menschen sind, die in der Ukraine sind.“ Der Krieg sei eine imminente Bedrohung Europas und man sehe, dass Frieden etwas „Fragiles und nicht selbstverständlich ist“. Es könne nicht sein, dass sich „einer“ entscheide, die Geschichte umzuschreiben. „Ein souveräner Staat bekommt einfach von Russland das Existenzrecht abgesprochen – das ist ungeheuerlich.“

Russland-Krise statt Ukraine-Krise

Bei den Geschehnissen handele es sich nicht um eine „Ukraine-Krise, sondern um eine Russland-Krise“. Die NATO sei keine Bedrohung gewesen und auch heute versuche das Bündnis noch alles, damit Russland keine Provokation sehe. Auch Empain sprach die Energieproblematik an: „Wir sehen auf dramatische Weise, in was für eine Sackgasse wir uns manövriert haben, indem wir uns abhängig von fossilen Energien und russischem Gas gemacht haben.“ Damit zeige sich, dass es nicht nur um Klimapolitik gehe – sondern um Sicherheitspolitik.

Der ADR-Abgeordnete Fernand Kartheiser brachte vor allem die Situation der möglichen Flüchtlinge ins Spiel. „Viele Zivilisten werden aus der Ukraine fliehen, wir sollten bereit sein, ihnen Schutz zu bieten“, sagte er. „Wir sind bereit, unsere Türen zu öffnen und ihnen in Luxemburg Schutz zu geben – so lange sie ihn brauchen.“ Kartheiser forderte zudem „großzügige humanitäre Hilfe“ für die Menschen in der Ukraine. „Sanktionen müssen die Schuldigen treffen – nicht die Unschuldigen.“

Man müsse der Regierung in Moskau aber zeigen, dass man ihre Handlung nicht toleriere. Auch der Schutz von EU-Staaten sei nicht verhandelbar. „Im Fall eines Angriffs werden wir unseren Beistand leisten.“ Kartheiser plädierte gegenüber Russland und der Ukraine dafür, das Kriegsrecht einzuhalten, dass es nicht „zu unmenschlichen Aktionen“ komme – und dass sich beide um einen Waffenstillstand bemühen. Es gelte auch, in den kommenden Wochen große Leistungen in der Diplomatie zu zeigen. „Europa muss ein Kontinent des Friedens sein.“

Klarer Völkerrechtsbruch

Nathalie Oberweis von „Déi Lénk“ sagte, dass die Situation noch unübersichtlich sei – eines sei sicher: „Es ist ein klarer Völkerrechtsbruch, den wir scharf verurteilen – hier wird mutwillig mit dem Leben von Millionen von Menschen gespielt.“ Sie erwarte, dass die Sanktionen, wenn sie gut konzipiert seien, auf Dauer einen Effekt auf Russland haben werden. „Es gilt, dass wir in Europa die Nerven behalten und uns nicht provozieren lassen.“ Sie rief die europäischen Regierungen dazu auf, sich schnellstmöglich von den Energielieferungen aus Russland zu trennen. Zudem müsste Flüchtlingen eine sichere Zuflucht geboten werden. „Das Trauerspiel von 2015 darf sich nicht wiederholen“, sagte Oberweis.

„Ich habe heute Morgen lange am Bett meiner fünf Monate alten Tochter gestanden und mir die Frage gestellt, wie ich ihr den Grund eines so sinnlosen Kriegs erkläre“, sagte der Piraten-Abgeordnete Sven Clement. Der Westen habe versucht, mit dem Autokraten Putin zu handeln und zu diskutieren. „Er hat entschieden, dass die Zeit der Gespräche vorbei ist und dass Menschen sterben müssen.“

Clement warnte vor dem Hintergrund der Eskalation vor Fake News. „Es werden in diesen Zeiten auch viele Meldungen kommen, die nicht stimmen. Das ist der Weg des modernen Krieges, Fake News sind ein Weg der Kriegsführung.“ Politiker und Journalisten müssten über die Sachen berichten, die wirklich geschähen. Die Menschen sollten nur die Informationen teilen, die aus vertrauenswürdigen Quellen kommen. „Wir dürfen Putins Propaganda keinen Platz lassen.“

„Zeit des Appeasements ist vorbei“

Clement fordert: „Wir müssen Putin spüren lassen, dass wir auch ohne militärische Einsätze gegen Russland vorgehen können.“ Russland wolle nicht mehr Teil einer friedlichen internationalen Gesellschaft sein. „Und als solche sollten wir sie auch behandeln“, sagte Clement. Natürlich solle es immer Platz für Dialog geben. „Aber die Zeit des Appeasements ist wegen der russischen Handlungen vorbei.“

Clement appellierte auch daran, den Menschen zu helfen, die aus den Kriegsgebieten flüchteten. „Im Rahmen der Afghanistan-Krise wurde gesagt, dass junge Männer in ihrem Land bleiben sollen und für es kämpfen sollen“, sagte Clement. „Nein, das müssen sie nicht – sie haben auch das Recht, sich und ihre Familien in Sicherheit zu bringen.“ 

Zu Beginn der Chamber-Sitzung war des verstorbenen Elder Statesman und ehemaligen Tageblatt-Direktors und -Chefredakteurs Jacques Poos gedacht worden. Die Familie befand sich auf der Zuschauertribüne, Premier Bettel und Chamber-Präsident Fernand Etgen hielten persönliche Reden vor dem Plenum.

Xavier Bettel bedankte sich nach den Rednern der Fraktion für die Einigkeit, die das Parlament zeige. „Ich bin stolz, als Premier heute vor dieser Chamber zu stehen“, sagte er. Die Sanktionen würden auch ihren Preis für Luxemburg haben. „Aber wir können den Wirtschaftsfragen nicht Priorität einräumen, wenn es um den Frieden auf unserem Kontinent geht.“ 

jean-pierre.goelff
26. Februar 2022 - 9.01

Und keiner,aber auch gar keiner hat den hinterlistigen Vladimir durchschaut??!!Das ist ein dickes Ding!

JJ
25. Februar 2022 - 8.26

@Patriot,
und wieder ein Ami-Hasser. Mal nebenbei.Ohne die Amis würden sie wahrscheinlich astreines Deutsch sprechen.

mlorang
24. Februar 2022 - 19.43

Mutiert? Unsere osteuropäischen Nachbarn waren in ihrer Einschätzung Putins stets viel kritischer, wurden nicht müde uns Westeuropäer zu warnen und haben Recht behalten.

Patriot
24. Februar 2022 - 16.02

War nicht anders zu erwarten!!! Diese verlogene und vor Doppelmoral triefenden Volksverräter müssen ja das Narrativ der US geführten Welt bedienen. Was war eigentlich als das sogenannte Verteidigungsbündnis mi Kosovo bombardiert hat? Ach nee schon klar da hat man die Demokratie hin gebombt. Nur mal so nebenbei. Wenn in 12 Stunden dort Ruhe eingekehrt ist werden die Menschen endlich aufatmen können nicht mehr unter dieser Ukrafaschisten Regierung leiden zu müssen. Und vielleicht wird die Ukraine dann wieder das Land was es mal war. Momentan hat es sowohl der Schauspieler, die EU und vor allem der Ami zu einem Armenhaus gemacht. Ach und noch etwas, was hat der verlogene so demokratische Wertewesten eigentlich nach diesen vielen Lügen gegenüber Russland erwartet?
Schéin Dag noch