Polen ist auf Isolationskurs in Europa. Nun ist auch die Zurückhaltung Deutschlands im Streit zwischen Warschau und Brüssel vorbei. Die Kritik der Bundeskanzlerin an Polen hat beim östlichen Nachbarn die erwartbaren Gegenreaktionen auf den Plan gerufen. Nachdem Angela Merkel die Rechtsstaatlichkeit in Polen angemahnt hatte, konterte der polnische Justizminister Zbigniew Ziobro, bei dieser Kritik gehe es nur „um Politik und nichts weiter, Fakten spielen keine Rolle“.
Aktuell steht die nationalkonservative polnische Regierung durch drei Gesetzesnovellen in der Kritik, die die Gerichte unter Kontrolle bringen sollen. Davon ist eine schon in Kraft getreten. Die Regierungspartei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) hat eine Frist der EU-Kommission verstreichen lassen, die im Juli beschlossenen Änderungen zurück zu nehmen. Dem Land droht nun theoretisch ein Verfahren, das zum Entzug der Stimmen im Europäischen Rat führen kann. Allerdings ist hierzu die Geschlossenheit aller EU-Mitglieder vonnöten. Das ebenfalls autoritär regierte Ungarn hat bereits ein Veto angekündigt.
Macron will Visegrad spalten
Der französische Staatspräsidenten Francois Macron drückte seine Kritik anders aus. Er umschiffte Polen bei seiner Tour durch die östlichen EU-Mitgliederstaaten. Wohl auch, da er bei seinem Werben für eine Reform der EU-Regeln für die Entsendung von Arbeitnehmern an der Weichsel auf taube Ohren stoßen würde. Macron will das Entsenden billigerer Arbeitskräfte aus dem Osten Europas eindämmen, um die französischen Arbeitnehmer zu schützen. Dabei hatte er Tschechien und die Slowakei auf seine Seite gezogen. Er versprach ihnen im Gegenzug, wegen ihrer Verweigerung, Flüchtlinge aufzunehmen, auf europäischer Ebene keinen Druck zu machen. So entzweite er die Visegradgruppe, zu der auch Polen und Ungarn gehören. Warschau will diese zu einer starken Interessensgemeinschaft ausbauen.
Macrons Hinweis auf die Selbstisolierung Polens konterte Premierministerin Beata Szydlo mit dem Hinweis, er solle sich doch um Frankreich kümmern. Dahinter steckt neben dem Ärger über die Intervention auch der Ausdruck einer Idee eines Europas der Nationen, in dem kein Land dem anderen hineinreden möge. Polen, geprägt durch eine Geschichte der Fremdherrschaft, reagiert traditionell allergisch auf Einmischung von außen.
Kaczynski setzt auf Innenpolitik
Das Innenleben des Landes ist die Passion von Jaroslaw Kaczynski, formal nur einfacher Abgeordneter und Parteichef, aber der eigentliche Entscheider an der Weichsel. Er verlässt Polen nur, wenn es unbedingt sein muss, und betrachtet die Außenpolitik vor allem als Instrument für die Innenpolitik des Landes.
Der Konflikt gilt als sein Lebenselixier, den Rückwärtsgang sollen andere einlegen. Polens eigenwilliger Kurs wird sich wohl nicht so schnell ändern. Bei Kritik wird auf Verfehlungen des Gegenübers verwiesen, dieser sei ja auch nicht besser.
Die Wirtschaft brummt
Stärkend wirkt auch die ökonomische Situation. Das Wachstum wird vom Wirtschaftsministerium für dieses Jahr auf 3,6 Prozent geschätzt, Tendenz für 2018 steigend. Die Arbeitslosigkeit liegt bei unter 8 Prozent, Tendenz für 2018 sinkend. Der südkoreanische Chemieriese LG will für 1,37 Milliarden Zloty (321 Millionen Euro) eine Fabrik für Elektroauto-Batterien bei Breslau (Wroclaw) bauen. Zudem gibt es immer mehr Hinweise, dass sich zwischen Polen und China ein großes Geschäft anbahnt – der Bau von zwei Atomkraftwerke sowie von Fabriken für Elektro-Autos und Drei-D-Drucker im Wert von zusammen etwa einer halben Billion Zloty, so die Gazeta Wyborcza. Zumindest die großen Investoren scheinen sich an dem Konflikt mit Brüssel nicht zu stören.
Von Jens Mattern
De Maart
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