IrlandZurück zu Heim und Herd? Referendum über Frauenrolle und Familie gescheitert

Irland / Zurück zu Heim und Herd? Referendum über Frauenrolle und Familie gescheitert
Die Wähler haben im Referendum eine deutlich andere Meinung gehabt, als die Regierung in Irland gedacht hat Foto: AFP

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Bei einem Referendum über zwei Verfassungsänderungen über die Rolle der Frau und die Bedeutung von Familie haben sich mehr als zwei Drittel der Iren und Irinnen gegen den Vorschlag der Regierung ausgesprochen. Das Ergebnis ist eine Ohrfeige für den Premierminister Leo Varadkar, der am Samstagabend zerknirscht zugab: „Es war unsere Verantwortung, die Mehrheit der Leute zu einem ‚Ja‘ zu überzeugen, und wir haben eindeutig versagt.“

Es ging um den Artikel 41 der irischen Verfassung, die, 1937 verfasst und maßgeblich beinflusst von katholischem Denken, Passagen enthält, die Varadkar als „altmodisch“ und Kritiker als „anachronistisch und sexistisch“ bezeichnen. So heißt es dort: „Durch ihr Leben zu Hause bietet die Frau dem Staat eine Unterstützung, ohne die das Gemeinwohl nicht gewährleistet werden kann.“ Mütter stehen unter einem besonderen Schutz und sollten nicht zu einer Arbeitstätigkeit gezwungen werden, „aufgrund derer sie ihre Pflichten zu Hause vernachlässsigen würden“.

Das war schon damals im Jahre 1937 der umstrittenste Punkt, als die Verfassung innerhalb und außerhalb des Dail, des irischen Parlaments, hitzig debattiert wurde. Seitdem hat es immer wieder nationale und auch internationale Aufrufe gegeben, die Passage zu ändern. Auch die nachfolgende Klausel, die davon spricht, dass die Familie auf der Institution der Ehe beruht, stieß auf Widerspruch. Was ist, fragten Kritiker, mit anderen Formen einer Partnerschaft wie Alleinerziehende oder Paare ohne Trauschein? Gelten die nicht als „Familie“, die, laut Verfassung, die „notwendige Basis der sozialen Ordnung“ und daher besonders schutzwürdig ist?

Der Änderungsvorschlag der Regierung lief darauf hinaus, die als sexistisch empfundenen Passagen zur Rolle der Frau zu streichen und einen neuen Text einzufügen. So sollte gelten, dass der Staat bestrebt ist, „die gegenseitige Fürsorge von Familienmitgliedern zu unterstützen“, während auch „dauerhafte Beziehungen“ als der Ehe gleichwertige Basis für Familien angesehen werden. Das war vielen Iren und Irinnen viel zu vage. Kritiker fürchteten, dass durch die fehlende Definition von „dauerhaften Beziehungen“ Rechtsstreitigkeiten Tür und Tor geöffnet würde. Aktivisten für die Rechte von Behinderten sahen die Gefahr, dass sich der Staat aus der Verantwortung stiehlt und die Fürsorgepflicht für Behinderte in erster Linie der Familie zuschreibt. Eher rechtslastige Kommentatoren warnten davor, dass „dauerhafte Beziehungen“ polygame Gemeinschaften bedeuten könnten oder zur Förderung der Einwanderung durch Familienzusammenführung beitragen würde.

Die überwältigende Ablehnung der Verfassungsänderungen und die Beibehaltung des Originaltextes waren nicht dem Wunsch geschuldet, sich wieder der katholischen Soziallehre vergangener Zeiten zu verpflichten. Immerhin gibt es, wie der Publizist Fintan O’Toole unterstreicht, einen seit langem laufenden Prozess, „die irische Verfassung auf eine Linie mit den zunehmend weltlichen und liberalen Werten der irischen Gesellschaft zu bringen“. Frühere Referenda haben da wichtige Wegmarken gesetzt, als 1995 aus der Verfassung das Verbot der Scheidung oder 2018 das Verbot der Abtreibung gestrichen wurde. Das Scheitern der jüngsten konstitutionellen Reform geht auf das Konto einer Regierung, die, wie die Jura-Professorin Laura Cahillane konstatierte, bei der Formulierung der Änderungen gepatzt und die Bedenken der Bürger nicht zerstreut habe: „Wenn die Leute verwirrt sind, werden sie ziemlich wahrscheinlich eine Änderung ablehnen.“