Neue EU-VerpackungsordnungVom Ketchup bis zum Shampoo: Menschen in Europa werden sich umgewöhnen müssen

Neue EU-Verpackungsordnung / Vom Ketchup bis zum Shampoo: Menschen in Europa werden sich umgewöhnen müssen
Die Richtlinie soll dazu beitragen, den Verpackungsmüll in Europa bis 2040 um 15 Prozent zu senken Foto: dpa/Rolf Vennenbernd

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Kurz vor Toresschluss verständigten sich EU-Parlament, Rat und Kommission auf eine weitere Reform: Die neue Verpackungsverordnung dürfte nach ihrer letzten Runde durch die Gremien in anderthalb Jahren den Alltag der Menschen in Europa verändern.

Das Shampoofläschchen im Hotelzimmer wird es nicht mehr geben, auch das Ketchuptütchen im Imbiss fällt weg, und die im Internet bestellte Ware muss auch mit weniger Luft im Karton geliefert werden. Zugleich werden die Gaststätten verpflichtet, von Kunden mitgebrachte Behälter für den Speisentransport zu akzeptieren, können vor allem die Menschen im Grenzraum aufatmen, weil die unterschiedlichen nationalen Pfandsysteme durch ein europaweit einheitliches abgelöst werden. Und die Verpackung selbst wird ebenfalls recycelt werden. Die Verbraucher werden sich genauso wie Industrie und Handel ordentlich umstellen müssen, wenn die nun von den EU-Gesetzgebern ausgehandelte neue Verpackungsrichtlinie ihre Wirkung entfaltet.

Es ist eines der letzten Vorhaben, das noch vor den Neuwahlen des Europäischen Parlamentes über die Rampe kommen soll: Die letzte Runde ist im Parlament in dessen letzter Sitzungswoche Ende April vorgesehen, doch möglicherweise ist die gewöhnlich nur noch formale Verabschiedung des ausgehandelten Kompromisses im Rat von entscheidender Bedeutung.

Gerücht um einen Deal

Denn es hält sich das Gerücht eines Deals zwischen dem von FDP-Chef Christian Lindner geführten Finanzministerium und der italienischen Regierung: Helft ihr uns, das Lieferkettengesetz zu stoppen, helfen wir euch, die Verpackungsverordnung zu Fall zu bringen. Bestätigt wurde die Absprache bislang offiziell nicht. Allerdings müsste Deutschlands Vertreter im Rat mit Enthaltung stimmen, wenn sich die Koalitionspartner in Berlin uneins sind.

Freilich müsste das stark von Verpackungsindustrie geprägte Italien noch mehr Länder als Deutschland an seine Seite bekommen, denn so lange 55 Prozent der EU-Staaten mit 65 Prozent der Bevölkerung zustimmen, kommt ein Gesetz zustande. Italien und Deutschland reichen nicht. Und nach der Einschätzung des CDU-Unterhändlers Peter Liese ist der ursprüngliche, von „übertriebenen Verboten“ gekennzeichnete Verordnungsentwurf in den Verhandlungen „klar entschärft“ worden. Der frühere Bann von Zuckertütchen aus Papier ist genauso raus wie die ausschließliche Fixierung auf Mehrwegsysteme. Auch er selbst habe in diesem Punkt hinzugelernt und erkannt, dass bei Berechnung der Kosten unter anderem für Sammlung, Transport und Reinigung Mehrwegflaschen nicht immer die umweltschonendere Variante sind.

Zwar hätte sich SPD-Unterhändlerin Delara Burkhardt deutlich mehr gewünscht, doch ist für sie die nun ausgehandelte Reform ein „wichtiger Schritt hin zu einer nachhaltigen Zukunft für Europa“. Sie hofft darauf, dass es mit der Richtlinie nun gelingt, den Verpackungsmüll von derzeit 177,2 Kilo pro Kopf in Europa bis 2040 um 15 Prozent zu senken. Bis 2030 sollen es fünf, bis 2035 zehn Prozent sein. Das klingt wenig und macht in 16 Jahren lediglich ein Pfund pro Monat aus. Doch gemessen an dem zuletzt verzeichneten Anstieg um ein Viertel in den letzten zehn Jahren und an den Schätzungen, die bis 2030 von einem weiteren Anwachsen des jährlichen Verpackungsmüllberges um fast die Hälfte ausgingen, klingen die Ziele schon deutlich ambitionierter.

Sturmlauf der Bierbrauer

Hersteller und Handel sollen in den nächsten Jahren zu diesem Zweck sowohl das Volumen als auch das Gewicht von Verpackungen deutlich verkleinern – allerdings sind eine Reihe von Regelungen zum Bestandsschutz eingeführt worden. So hatten die deutschen Bierbrauer Erfolg mit ihrem Sturmlauf gegen die ursprüngliche Vorgabe, unauslöschliche Angaben auf den Mehrwegprodukten anzubringen und nur geringe Mengen an Luft zwischen ihnen beim Transport zu lassen. Das traditionelle Umlaufsystem mit Bierflaschen und Bierkästen wäre dann zerstört worden. Das nahmen die EU-Gesetzgeber zum Anlass, bewährte Verfahren zu übernehmen.

Eine Reihe von Punkten lässt sich nach der Grundsatzeinigung noch nicht abschließend bewerten, da die genauen Formulierungen erst noch erstellt werden müssen. Insbesondere bei dünnen Folien im Gemüsehandel gab es bis zuletzt Auseinandersetzungen. Warum Gurken mit ihrer eigenen Schalen noch zusätzlich in Plastik eingeschweißt sein sollen, erschloss sich vielen nicht; andere verwiesen auf eine dadurch mögliche längere Haltbarkeit.