LuxemburgPoesie mit Tusche: Rei Hayashimoto führt in die  japanische Kalligrafie und Tuschmalerei ein

Luxemburg / Poesie mit Tusche: Rei Hayashimoto führt in die  japanische Kalligrafie und Tuschmalerei ein
Rei Hayashimoto leitet Kurse und Workshops in Luxemburg und im französischen Grenzgebiet Foto: André Feller

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Rei Hayashimoto ist eine junge Japanerin, die 2005 mit einem Shihan, einem Meisterzertifikat, vom Nihon-Shuji-Institut für Japanische Kalligrafie in Yokohama ausgezeichnet wurde. Damit ist es ihr erlaubt, die japanische Schreibkunst und Tuschmalerei, Sumi-e, zu lehren. Seit 2014 lebt die 34-Jährige in Frankreich. Von Metz aus führt sie per Online-Kursus Kinder, Jugendliche und Erwachsenen in die Kalligrafie ein. Aber auch Offline-Kurse finden statt, unter anderem im Rahmen von kulturellen Veranstaltungen in Luxemburg in Zusammenarbeit mit der japanischen Botschaft und im französischen Grenzgebiet. Ab Mai beabsichtigt  Hayashimoto auch, ihr Wissen an der „Université populaire“ in Esch weiterzuvermitteln.

Ein Sumi-e-Kunstwerk von Rei Hayashimoto
Ein Sumi-e-Kunstwerk von Rei Hayashimoto Foto: André Feller

Tageblatt: Was sind die Ursprünge der japanischen Kalligrafie?

Rei Hayashimoto: Die Wurzeln der japanischen Schreibkunst reichen viele Jahrhunderte zurück. Zwischen dem 5. und 7. Jahrhundert wurde diese Kunstform aus China übernommen, wo sie bereits seit einigen Jahrhunderten existierte. Mit der zunehmenden Popularität des chinesischen Chan-Buddhismus (in Japan Zen genannt) wurde die Kalligrafie durch das Abschreiben buddhistischer Sutras auf Chinesisch immer beliebter. Zu dieser Zeit war die Kunstform noch stark an der ursprünglich chinesischen Form orientiert. Mit dem Ablösen Japans vom chinesischen Vorbild entwickelte sich seine Kultur in der Heian-Zeit (794-1185) eigenständig weiter. In dieser Zeit entstand auch das heutige japanische Schriftsystem, welches sich trotz viel Ähnlichkeit vom Chinesischen unterscheidet.

Die junge Japanerin besitzt ein Meisterzertifikat in Kalligrafie
Die junge Japanerin besitzt ein Meisterzertifikat in Kalligrafie Foto: André Feller

Worin unterscheiden sich die japanische und chinesische Sprache?

Die japanische Sprache setzt sich aus drei Schriftzeichensystemen für Silbenschriften zusammen. Die Mehrzahl der Worte im japanischen Schriftsystem, wie Substantive, Verben und Adjektive, werden in Kanji geschrieben. Diese stammen vom Chinesischen ab und bilden mit etwa 40.000 bis 50.000 Symbolen die Grundlage der japanischen Schreibkunst. Im Alltagsgebrauch werden jedoch nur etwa 3.000 Kanji genutzt. Es sind sogenannte Logogramme, also jeweils ein bestimmtes Symbol für ein Wort.

Das japanische Alphabet besteht aus 46 Hiragana, die für grammatikalische Zwecke genutzt werden. Weitere 46 Katakana wiederum werden meistens für Wörter mit ausländischer Herkunft und Fremdwörter verwendet. Dank der drei Schriftzeichensysteme erlaubt die japanische Sprache komplexere Strukturen als die chinesische; die ihrerseits durch eine strikte Wortreihenfolge und eine geringe Flexion charakterisiert ist.

In unseren Breitengraden nutzt man zur Schreibschrift gerne Füllfedern. Welche Utensilien sind in der japanischen Kalligrafie heimisch und sollte man sich unbedingt anlegen?

Wie in der westlichen Kultur benötigt man an erster Stelle Papier und Tusche. Die Auswahl am sogenannten Shodo-Papier, dem Kalligrafie-Papier, ist je nach Anforderungen sehr hoch. Dies können traditionell handgeschöpfte Papiere unterschiedlicher Struktur und Dicke sein, bis hin zu industriell gefertigten „standardisierten“ Papieren. Am Anfang reicht ein günstiges dünnes Kalligrafiepapier aus, etwa Reispapier. Tusche gibt es in Form von gebrauchsfertige Tinte zu kaufen. Puristen würden eher die sogenannte Stangentusche nutzen, diese muss noch mit Wasser angerührt werden. Für die Pinsel reichen am Anfang zwei Pinsel mit einer breiten und einer dünneren Spitze aus. In der japanischen Tradition werden ausschließlich Tierhaare genutzt, die je nach Tierart weich und flexibel oder eher härter sind. Bevor es losgeht, fehlt noch ein Utensil, der Tintenstein, zum Anrühren und Verdünnen der Tusche.

„Tageblatt“ in Kanji
„Tageblatt“ in Kanji Foto: André Feller

Kommen wir zur Praxis: Wie zeichnet man nun die Schriftzeichen? Gibt es eine bestimmte Reihenfolge der Pinselstriche, die man einhalten muss?

Das Kanji enthält alle acht Elemente der Schriftzeichen (Eijihappo), die wichtigsten Grundstriche der japanischen Kalligrafie. Die Reihenfolge der einzelnen Striche ist streng geregelt. Für die Reihenfolge der Striche kann man zwar keine allgemeinen Regeln aufstellen, aber einige Grundmuster sind gut erkennbar. So wird immer von oben nach unten geschrieben und von links nach rechts. Zuerst zeichnet man waagerechte Striche von links nach rechts, dann die senkrechten von oben nach unten. Absolut verboten ist das „Zweifachschreiben“. Eine einmal geschriebene Linie darf nicht nachträglich ausgebessert werden: Sie ist Ausdruck der Persönlichkeit des Schreibkünstlers. Anzumerken ist noch, dass die Schrift nicht aus dem Handgelenk kommt, sondern aus der Bewegung des gesamten Körpers. Das Gefühl der Zentriertheit aus der Körpermitte (Bauch) in Verbindung mit tiefem und ruhigem Bauchatmen sind daher besonders wichtig.

Die Körperhaltung, Atmung und Konzentration ist eine Form von Meditation. Sie hilft beim Abbau von Stress.

Rei Hayashimoto, Kalligrafie- und Sumi-e-Lehrerin

Wer sind die Menschen aus unserer Regio, die sich für die japanische Schreibkunst interessieren? Was fasziniert sie?

In meinen Kursen und Workshops begegne ich Menschen jeder Altersstufe. Ich unterrichte Kinder im Alter von sieben bis acht Jahren, Erwachsene und Senioren. Einige meiner Schüler wollen die Sprache als reines Kommunikationsmittel erlernen, andere sehen das Zeichnen der Schriftzeichen als eine Kunst. Wiederum andere wollen anhand der Kalligrafie die japanische Kultur besser verstehen lernen.

Aufgefallen ist mir, dass viele Senioren, die keinen Sport mehr betreiben können, die Kalligrafie oder das Tuschezeichnen nutzen, um ihr Konzentrationsvermögen und ihre geistige Gesundheit zu verbessern. Wie anfangs erwähnt, stammt die japanische Schreibkunst aus der Epoche des Zen-Buddhismus. Es geht also nicht nur um das „abstrakte“ Schreiben. Die Körperhaltung, Atmung und Konzentration beim Schreiben oder der Tuschemalerei ist eine Form von Meditation. Sie hilft beim Abbau von Stress und erlaubt den Menschen, sich auszudrücken und den Zustand des Geistes im Augenblick des Erschaffens zu erleben.