Gesellschaft Jean-Lou Colling: Vom Banker zum Biolandwirt

Gesellschaft  / Jean-Lou Colling: Vom Banker zum Biolandwirt
Jean-Lou Colling in seinem Stall Foto: Editpress/Julien Garroy

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Im Film „Vu Buedem, Bauzen a Biobaueren“, der im letzten Jahr angelaufen ist, kommen die Bioakteure im Land zu Wort. Unter ihnen fällt Jean-Lou Colling (63) auf. Der Betreiber des „Karelshaff“ produziert Bio-Rind- und -Hühnerfleisch. Der ehemalige Banker hat klare Ansichten, wenn es um diese Form der Bewirtschaftung von Hof und Boden geht.

Biolandwirt war Jean-Lou Colling nicht immer. In die Wiege gelegt wurde es ihm auch nicht. Wenn er an seine Zeit bei der Bank zurückdenkt, fällt ihm der Film „The Wolf of Wall Street“ ein. Natürlich ist er nicht Jordan Belfort, dessen ausschweifendes Boni-Leben der Hollywood-Streifen porträtiert. Aber es gibt Gemeinsamkeiten mit dem Zeitgeist im Finanzsektor, die der heutige Bauer nur allzu gut kennt.   

In dem Film klingt eine Moral an, die ihn zum Ausstieg aus dem mittleren Management einer luxemburgischen Bank veranlasst. Das war vor 23 Jahren. Colling kommt aus einer Kaufmannsfamilie. Verbindungen zur Landwirtschaft gibt es nur über seine Frau, die aus einer Bauernfamilie kommt und deren Familie der „Karelshaff“ gehört. Ein Leben wie dieses ist zu Beginn seiner beruflichen Karriere weit weg in seiner Gedankenwelt.

Nach der Ausbildung an der „Ecole de commerce et de gestion“, wo er Wirtschaft, Management und Informatik studierte, wird er erst einmal Banker und arbeitet sich schnell hoch. Mit 28 Jahren ist er bereits „Chef de service“ über 90 Mitarbeiter. Später ist er einer der Projektleiter bei der Digitalisierung der Bank, danach wechselt er in den Verkauf und hat nach fast 20 Jahren das Bankleben satt.

Ausstieg aus dem Finanzsektor

„Die ganze Philosophie hat zum Schluss nicht mehr zu meinen Wertvorstellungen gepasst“, sagt er. „Ich musste Entscheidungen mittragen, die ich so nie getroffen hätte.“ Hinzu kommt das unhinterfragte Prinzip, so viel Geld wie möglich in sehr kurzer Zeit zu generieren, mit dem Ziel, jedes Jahr den Gewinn um 50 Prozent zu steigern. Mehr und mehr wird ihm bewusst, dass das nicht seine Welt ist. Er kündigt.

Zufall oder Glück, egal wie man es nennt, der Zeitpunkt ist günstig. Um die Jahrtausendwende ist der Hof seiner Schwiegereltern schuldenfrei, und sie haben ihre Aktivitäten bereits reduziert. Es gibt nur noch wenige Kühe, die beiden wollen in Rente gehen und den Hof mit seiner langen Tradition aufgeben. Anfang des 20. Jahrhunderts noch gehörte das Anwesen mit dem großen alten Bauernhaus und den umliegenden Ställen der großherzoglichen Familie.

Seit 1906 bewirtschaftete die Familie den Hof konventionell und war, wie man heute sagen würde, „Fournisseur de la Cour“. 1949 kauft die Familie von Collings Frau den Hof. Die Generationen vor dem Ehepaar Colling-von Roesgen haben den Hof stets extensiv bewirtschaftet. Das Maximum herauszuholen, wäre ihnen nicht in den Sinn gekommen. Es hat immer für alle gereicht.

Bio und Direktverkauf 

Extensiv wirtschaftet der Hof bis heute. Auf knapp 72 Hektar Weide- und Ackerland leben 56 Mutterkühe, deren Kälber als Schlachtvieh zum Einkommen des Betriebs beitragen. Auf einem Teil davon baut Colling Futter wie Gras für Heu, Leguminosen oder Kleegras an. 4.400 Hühner, deren Fleisch das zweite Geschäftsfeld ist, kommen hinzu. Den Handel für seine Produkte hat Colling ausgeschaltet.

Das Bio-Kalb- und -Hühnerfleisch geht ausschließlich im Direktverkauf an Endkunden. Es war ein langer Lern- und Aufbauprozess – zumal er Quereinsteiger ist. Von seinem Schwiegervater lernte er viel und sechs Jahre arbeiteten er und seine Frau Alice mit einem Metzger zusammen, um das Zerlegen der Tiere und die Portionierung der Fleischstücke zu erlernen. Auf der Bank haben sie ihm nachgesagt, er sei ein Pessimist. Er hat dem immer entgegengehalten, „ich bin Realist“.

Der nüchterne Blick auf die Tatsachen bleibt sein Begleiter, wenn es um die Landwirtschaft in Luxemburg geht. „Wie wollen wir hier in Luxemburg im globalen Maßstab mithalten, wenn wir von industrieller Landwirtschaft sprechen?“, fragt er und gibt im gleichen Atemzug die Antwort: „Das ist allein schon topografisch nicht möglich.“ Was seine Art und Weise, den Hof zu bewirtschaften angeht, war er sich sehr schnell bewusst, dass er biologisch arbeiten will.

Rentabilität ist kein Maßstab

„Nur eine nachhaltige Landwirtschaft hat langfristig eine Überlebenschance“, sagt er und hat dabei die Kollateralschäden an Wasser, Luft und Boden vor Augen. „Das akkumuliert auf Dauer, und das muss man lösen, sonst überleben wir nicht.“ „Bewusst“ ist ein Wort, das er oft gebraucht. Er hat kein Problem damit, zuzugeben, dass auch er teilweise von Subventionen lebt.

„Landwirtschaft ist in Luxemburg nicht rentabel“, sagt er. „Sie wird es auch nie sein.“ Deswegen ist es in Ordnung, wenn der Staat diesen Wirtschaftssektor fördert. Es geht schließlich um nicht mehr oder weniger als Lebensmittelsicherheit und Unabhängigkeit vom Ausland. Wer ihn kennt, weiß, dass er kein Blatt vor den Mund nimmt und zu seinen Überzeugungen steht. „Es gibt ein einfaches Prinzip“, sagt er. „Einen Wert schaffen und dann funktioniert es.“