SerbienIn Belgrad kommen Impfwillige erstaunlich schnell ans Ziel

Serbien / In Belgrad kommen Impfwillige erstaunlich schnell ans Ziel
Vor dem Wochenende wurden in Belgrad erst einmal serbische Militärangehörige mit Sinopharm geimpft Foto: AFP/Andrej Isakovic

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In Westeuropa scheint das unendliche Warten auf die Corona-Impfungen kein Ende zu nehmen. Beim EU-Anwärter Serbien gelangte unser Korrespondent Thomas Roser im Selbstversuch erstaunlich schnell ans Impfziel – mithilfe von chinesischem Impfstoff und dank der großen Impfskepsis im Gastland.

Ins Impfzentrum können meinen Automechaniker Djole im serbischen Belgrad weder zehn Pferde noch Pferdestärken locken. Nein, impfen lassen werde er sich auf keinen Fall, offenbarte er mir, als ich vergangene Woche mein ausgebeultes Vehikel bei ihm abholte. „Ich glaube an die Verschwörungstheorien. Corona ist eine von den Großmächten fabrizierte Epidemie“, verkündete er mit düsterer Miene. „Die wollen die Weltbevölkerung um eine Milliarde Menschen reduzieren“, antwortete er auf meinen Einwand, dass die großen Industriestaaten doch am meisten unter Corona zu leiden hätten.

Sieben Millionen Einwohner zählt der Balkanstaat. Doch nur 480.000 Menschen haben sich bisher als impfwillig registrieren lassen. Impfungeduld isst nach einer bereits überstandenen Infektion hingegen auch die Seele des coronamüden Balkan-Korrespondenten auf. Schon am erstmöglichen Tag hatte ich vor knapp zwei Wochen digital mein Interesse am ersehnten Nadelstich registrieren lassen – und unter fünf angegebenen Möglichkeiten sicherheitshalber die in der EU zugelassenen Pfizer- und Moderna-Impfstoffe ausgewählt.

Das verhaltene Interesse und die Impfskepsis seiner Landsleute machten es möglich: Bereits nach einer Woche wurde mein 85-jähriger Schwiegervater Momcilo wie von ihm gewünscht mit Pfizer geimpft. Doch auch nach Serbien gelangt der US-Impfstoff in immer kärglicheren Mengen. Mitte Januar landete aber zumindest ein Flugzeug aus dem fernen Peking im serbischen Bruderstaat. An Bord: eine Million chinesischer Sinopharm-Dosen.

Knapp drei Stunden bis zum „Happy Stich“

Der Sinopharm-Vorteil der Verfügbarkeit wog auch für mich bald den Nachteil einer offiziell um 15 Prozent geringeren Effizienz gegenüber der kargen US-Konkurrenz auf. Als ich am Samstag von der Kunde vernahm, dass sich Impfwillige auch ohne Aufforderung den „Happy Stich“ setzen lassen können, machte ich mich am Sonntagmorgen spontan zur Blitzimpfung in die Belgrader Messehallen auf. Andere hatten dieselbe Idee. Endlos lang zog sich vor den weißen Eingangszelten zum Impfzentrum die Warteschlange für die unangemeldeten Besucher über den Messeparkplatz. Sie hätten fast schon ein ganzes Coronajahr durchgehalten, „dann stehen wir das auch noch durch“, erklärte das frohgemute Paar vor mir.

Im Schneckentempo näherte ich mich dem Zeltziel. In weiße Overalls gekleidete Helferinnen verteilten Anmeldeformulare und wärmenden Tee. Nach knapp drei Stunden saß ich schließlich vor einer maskierten Ärztin, die sich nach Allergien, eingenommenen Medikamenten und Vorerkrankungen erkundigte. Säuberlich stempelte sie danach selbst mein in Serbien unübliches Impfbüchlein ab – und kündigte in drei Wochen die Auffrischimpfung an: „Sie erhalten rechtzeitig einen Termin – und müssen dann nicht mehr lange warten.“

Während sich in den letzten zwei Wochen bereits mehrere meiner Belgrader Bekannten impfen haben lassen können, kenne ich in der deutschen Heimat – bis auf einen Arzt – persönlich noch keinen Geimpften. Man könnte „neidisch“ werden, seufzt meine 81-jährige Mutter in Schwaben nach meiner serbischen Blitzimpfung am Telefon. Kürzlich habe sie sich im Rathaus erkundigt, ob es denn schon irgendwelche Pläne gebe, wo und wann nichtmotorisierte Bürger ihrer Landgemeinde sich denn irgendwann einmal impfen lassen können. „Wir wissen auch nichts. Rufen Sie das Landratsamt an“, so die Antwort.