Interview„Es bleibt noch Arbeit“: Bürgermeister Georges Mischo über Mobilität in Esch

Interview / „Es bleibt noch Arbeit“: Bürgermeister Georges Mischo über Mobilität in Esch
Auf dem Rad unterwegs: der Escher Bürgermeister Georges Mischo Foto: Editpress/Tania Feller

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Bürgermeister Georges Mischo (CSV) ist zugleich Mobilitätsschöffe der Stadt Esch. In Sachen Fahrrad-Infrastruktur besteht in Luxemburgs zweitgrößter Stadt Nachholbedarf. Das weiß auch Mischo, der dem Tageblatt am Rande der „Semaine de la mobilité“ Rede und Antwort stand.   

Tageblatt: Die „Semaine de la mobilité“ fand in den vergangenen Jahren in Esch etwas versteckt in Lallingen statt. Nun wurde sie zentraler rund um das Schwimmbad organisiert. Ist das als positives Zeichen für Esch im Wandel hin zu mehr sanfter Mobilität zu deuten? 

Georges Mischo: Absolut, wir wollten weiter ins Zentrum rücken. Und wenn man eine Straße wie den „Breedewee“ einen ganzen Tag lang für den Verkehr sperrt, ist das sehr wohl ein Zeichen. Und zwar, dass es auch ohne Auto, Motorrad oder Bus geht. Außerdem sollte im Mai die erste Bike Night hier stattfinden, die wir wegen der Pandemie aber vorsichtshalber abgesagt haben. 

Bereits am Samstag stand das Fahrrad im Rahmen der „Nuit de la culture“ auf dem Brillplatz im Mittelpunkt. Das gefiel einigen Kulturliebhabern nicht besonders gut. Was hat das Fahrrad mit Kultur zu tun?

Ich finde, dass das Fahrrad und seine Geschichte eine Kultur für sich ist. Auch Luxemburg hat eine lange Fahrradkultur. Wir haben zwar nicht die Fahrradkultur wie die Holländer, die dem Radfahrer die absolute Vorfahrt gewähren. Schließlich fährt der Luxemburger gerne mit dem Auto bis vor die Eingangstür. Trotzdem aber hat Luxemburg eine enorme Fahrradkultur. Davon zeugen die vielen Erfolge unserer Radfahrer, aber auch die vielen Cyclotouristen oder die Arbeit in den Vereinen. Auch und speziell in Esch. 

Und trotzdem ist Luxemburg ein Autoland. Wie kann das zugunsten des Fahrrads und der sanften Mobilität verändert werden und wo steuert Esch hin?

Wir haben eine Reihe von Sachen auf den Weg gebracht. Letzte Woche haben wir zum Beispiel im Rahmen der Mobilitätswoche die „jardins éphémères“ eingeweiht. Für die sind Parkplätze geopfert worden und wir sagen: Kommen Sie mit dem Fahrrad dahin. Prinzipiell müssen wir von dem Gedanken weg, alles mit dem Auto machen zu wollen. In Zeiten des Klimawandels kann es ja nicht sein, dass ein Haushalt, in dem vier Menschen mit Führerschein leben, auch vier Autos benötigt. Es gibt genügend Städte im Ausland, die es vormachen, indem sie ihre Innenstädte autofrei gestalten. Zum Beispiel unsere Partnerstadt Turin. Da kostet das Parken 3,50 Euro die Stunde. Dafür hat die Bürgermeisterin eineinhalb Jahre die Hölle heiß gemacht bekommen. Aber das Resultat gibt ihr recht. Der Stadtkern ist autofrei und die Menschen finden das gut.

In Esch wäre der Aufschrei sicherlich auch nicht zu unterschätzen. Allein die eh schon gebeutelte  Geschäftswelt würde wohl auf die Barrikaden steigen. Wie kann ein Mittelweg gefunden werden? 

Wir sind da mit 1 Euro im Brill- und 1,50 im Rathaus-Parking extrem moderat unterwegs. Ich habe den Geschäftsleuten aber auch gesagt, dass sie innovativ sein müssen und zum Beispiel über einen Lieferdienst nach 18 Uhr nachdenken sollen. 

Stellschrauben

Sie sind als Bürgermeister auch Mobilitätsschöffe. Daraus kann man schließen, dass Mobilität zu Ihren Prioritäten gehört. Was ist seit Ihrem Amtseintritt Ende 2017 in Sachen Mobilität in Esch unternommen worden?  

Wir haben erst einmal das Parkraummanagement angepackt. Auch das geht in Richtung sanfte Mobilität. Dann sind es auch andere, kleinere Stellschrauben wie zum Beispiel die Erneuerung des „Vël’Ok“-Leihsystems vom CIGL. 

Das Hauptproblem ist allerdings die Infrastruktur, das Radwegnetz. Man hat den Eindruck, das wurde vor vielen Jahren einmal mit gutem Willen eingeführt und seitdem ist nichts mehr geschehen. Dementsprechend lückenhaft und zum Teil auch gefährlich sind die Wege. Arbeitet der aktuelle Schöffenrat an einer Verbesserung der Situation?  

Wir haben im Schöffenrat vor kurzem festgestellt, dass wir bereits zwei Drittel des Koalitionsabkommen abgearbeitet haben. Aber wir sind erst in der Halbzeit der Legislaturperiode. Will heißen, es bleibt noch ein bisschen Arbeit und die Radinfrastruktur gehört dazu, also auch die Radwege. Ich fahre selbst viel Rad und unterstütze Initiativen wie „Vélorution“ oder „Esch Biken“ voll und ganz. Man darf nicht vergessen, dass die Gemeinde den Kauf eines Fahrrads mit 200 Euro Prämie unterstützt. Es geht aber auch darum, Räder zu schützen. Es gibt eine „mBox“ beim Bahnhof und wir werden demnächst auch eine bei der Gemeinde bekommen. Selbst wenn das bedeutet, dass Parkplätze dafür geopfert werden. 

Eine absolute Vorfahrt für die sanfte Mobilität nach holländischen Modell. Ist das für eine Stadt wie Esch ein realistisches Szenario?

Ja, aber so etwas kommt nicht von heute auf morgen. Das muss in den Konzepten, aber auch in den Köpfen wachsen. Denn schlussendlich muss es von den Leuten angenommen werden.

Um noch einmal auf die Radwege zurückzukommen. Wenn das nun in Angriff genommen wird, wie geht die Gemeinde da vor? Zunächst einmal eine Bestandsaufnahme? 

Ja, genau, es beginnt mit einer Bestandsaufnahme. Und so etwas muss perspektivisch geschaut werden. Es entstehen mit „Terre rouge“ und „Esch-Schifflingen“ neue Stadtviertel und das muss in ein Gesamtkonzept mit einfließen. Es ergibt keinen Sinn, jetzt schnell etwas fürs Auge zu machen, nur um politisch gut dazustehen.

Der Staat unterstützt Esch. Ende 2022 soll der Rad- und Fußweg zwischen Esch und Belval fertig sein, an der A4 soll ein Radschnellweg zwischen Esch und der Hauptstadt entstehen. Das aber wird dauern, die direkte Verbindung zu Belval soll erst zum Ende des Kulturjahres fertig sein.

Ja, aber es war von Anfang an klar, dass die Verbindung nicht für das Kulturjahr fertig werden würde. Es ist ein Riesenprojekt von 36 Millionen Euro, das sich nicht von heute auf morgen realisieren lässt. Auch das Kulturjahr muss man perspektivisch sehen. Wir machen kein Kulturjahr, nur um hier ein Jahr lang Party zu machen. Wir wollen, dass das Kulturjahr nachhaltig ist und wir lange vom Elan profitieren können. Genauso verhält es sich auch mit der Radverbindung nach Belval.

Jost J J
22. September 2020 - 12.39

Anrainerparking OK.Aber warum können Nachbarn ihre Anhänger benutzen um Ihren Parkplatz vor der Tür den ganzen Tag freizuhalten.(rue Léon Weirich)Das finde Ich ungerecht.

Jemp
21. September 2020 - 22.14

Ich danke dem Bürgermeister. In unserer Straße in Lallingen haben wir seit der sogenannten "Renovation" oder "Verkehrsberuhigung" oder "Renaturierung" (Man hat ausschließlich eine Art Heckenrosen gepflanzt) eine ganze Menge Parkplätze entfernt. Viele Einwohner haben seither bei jedem kleinen Regen Wasser im Keller, die Nachbaromis können nicht mehr aus dem Haus, weil sogar kein Taxi dort mehr anhalten kann/will und es ist permanent Stau mit Abgasen weil die Busbuchten entfernt wurden. Und diese unbelehrbaren Omis wollen partout nicht Rad fahren! Ich bin sicher, dass der Bürgermeister die allgemeine Verkehrssperre zum Profit der Radler nicht mehr in Lallingen inszeniert hat, weil er dort sonst gelyncht worden wäre. A propos CIGL-Fahrräder. Kommen Sie mal nach Lallingen und sehen Sie sich an, was man damit alles machen kann, außer damit über die sattsam breiten Fahrradspuren auf dem Bvd H.Clement fahren. Aber das wäre auch gefährlich, denn die Busse müssen dort fahren, weil sie sonst nicht aneinander vorbeikommen. Nuje, ich bin dem Bürgermeister trotzdem dankbar, denn der Wert und vor allem die Miete meiner 2 Garagen hat astronomische Höhen erreicht. Danke, lieber Hobby-Schleck, alias Bürgermeister, und fallen Sie ja nur nicht beim Rotlicht einfach um, weil Sie vergessen haben, den Fuß auf den Boden zu setzen!