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„Huelt Iech Esch zeréck!“ So lautet dieser Tage eine euphorische Kampfansage als Anfeuerung für eine Partei in den (a)sozialen Medien. Gemäß dem primitiven Tonfall auf diesen Kanälen geht es auch bei diesem Spruch martialisch zu: Der Schlachtruf „Sich etwas zurückholen“ lässt zwar noch keinen Sturm auf das Escher „Kapitol“ befürchten, doch die Formulierung lässt nicht gerade auf Feintuning im Meinungsaustausch mit dem politischen Gegner schließen. Es geht um die bevorstehende Kommunalwahl. Allerseits sieht man zwar Quotenlisten im Hochglanzformat. Doch es fehlen parteiübergreifend bis auf Weiteres die inhaltlich konfrontativen Debatten. Der Kampf um die immer stärker schrumpfende Mitte ist erneut entbrannt. Jede(r) will ökologisch, nachhaltig, inklusiv, gerecht, sozial, volksnah, sprich die gut gelaunte, Eier legende Wollmilchsau sein. Diese Verkürzung ist beileibe nicht nur auf die Politiker selbst zurückzuführen, sondern auf eine Wählerschaft, die immer nur diejenigen Vertreter bekommt, die sie verdient. Der Wohlstand in unseren Breiten, der streckenweise bevormundende Wohlfahrtsstaat sowie eine gefühlte Reduzierung politischen Handelns auf Buchhaltertricks (Wer fordert mehr Steuern? Wer weniger? Wer gibt mehr Sozialhilfen aus?) scheinen das Desinteresse vieler Wähler zu erklären. Eigentlich müsste die krisengebeutelte Welt, in der wir leben, den Diskurs bis in die Kleinformate der Kommunalwahlen prägen. Es bleibt mithin zu hoffen, dass die Diskussionen rund um die Kommunalwahlen den Wählern interessante Alternativen bieten. Andernfalls bleibt nur die ohnehin um sich greifende Amerikanisierung des Wahlkampfs: Hochglanzporträts mit Plastiksprüchen, Reduzierung der Inhalte auf einige Parolen, Anführerlogik („Déi mam X géint déi mam Y“) sowie vordergründiges Schaulaufen in den (a)sozialen Netzwerken.

Grober J-P.
1. Dezember 2022 - 19.30

Starke Sprüche, meistens nur in einem Satz bleiben im Hirn stecken. Programme durchlesen, wenn sie denn zurechtgelegt sind, kostet viel Zeit und Verstand.