DeutschlandEine Frau im Schloss Bellevue: Diskussionen über das nächste Staatsoberhaupt

Deutschland / Eine Frau im Schloss Bellevue: Diskussionen über das nächste Staatsoberhaupt
Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer meint, eine Bundespräsidentin sei eine Ermunterung für viele Frauen in Deutschland Foto: Odd Andersen/AFP

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Wer folgt auf Frank-Walter Steinmeier als Bundespräsident? Politikerinnen von Union, SPD, Grünen und FDP fordern, dass es eine Frau werden soll, können sich das zumindest gut vorstellen. Die Staatsspitze wurde in den zurückliegenden 75 Jahren bislang nämlich ausschließlich von Männern gestellt.

Knapp drei Jahre vor der Entscheidung über die Nachfolge von Frank-Walter Steinmeier als Bundespräsident ist eine Debatte darüber entbrannt, ob es nach dann fast 78 Jahren Zeit ist für die erste Frau in diesem Amt. Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer von der SPD hob hervor, dass eine Bundespräsidentin eine Ermunterung für viele Frauen in Deutschland und darüber hinaus wäre. Die Vorsitzende des Bundestags-Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann von der FDP, verwies auf ausreichend starke Frauen, die diese Aufgabe übernehmen könnten. Und das Grünen-Kabinettsmitglied Lisa Paus sagte dem Berliner Tagesspiegel, sie würde es als Frauenministerin „sehr begrüßen“, wenn sich die demokratischen Parteien 2027 darauf einigen könnten, eine Kandidatin für die nächste Wahl des deutschen Staatsoberhauptes aufzustellen.

Die Amtszeit von Frank-Walter Steinmeier endet im Frühjahr 2027. Nach seiner Wiederwahl 2022 kann er nicht erneut kandidieren. Er ist das zwölfte Staatsoberhaupt seit Bestehen der Bundesrepublik. Einmal kam ein parteiloser Bewerber zum Zuge (Joachim Gauck), zweimal ein FDP-Politiker (Theodor Heuss, Walter Scheel), dreimal einer der SPD (Gustav Heinemann, Johannes Rau, Frank-Walter Steinmeier), sechsmal ein Unionskandidat (Heinrich Lübke, Karl Carstens, Richard von Weizsäcker, Roman Herzog, Horst Köhler, Christian Wulff) mit teilweise zwei Amtszeiten. Aber noch nie eine Frau.

Es wird höchste Zeit, dass eine Frau ins Schloss Bellevue einzieht

Marie-Agnes Strack-Zimmermann, FDP-Politikerin

„Es wird höchste Zeit, dass eine Frau ins Schloss Bellevue einzieht“, sagte Strack-Zimmermann. Sie ist von ihrer Partei als Spitzenkandidatin für die Europawahl Anfang Juni aufgestellt worden. SPD, Grüne und Freie Wähler haben ebenfalls Frauen auf Platz eins der Europawahllisten gesetzt. Die Europäische Volkspartei will der CDU-Politikerin Ursula von der Leyen eine zweite Amtszeit als EU-Kommissionspräsidentin sichern.

Nicht nur Vertreterinnen der Ampel-Koalition sprachen sich für eine Frau als nächstes Staatsoberhaupt aus. Auch die CDU-Bildungsministerin von Schleswig-Holstein und stellvertretende CDU-Vorsitzende Karin Prien meinte, in der gegenwärtigen Zeit könne „eine besonnene Frau im Schloss Bellevue die Menschen zusammenführen, das Verbindende über das Trennende stellen und dabei jederzeit unmissverständlich zu den Werten unserer Gesellschaft stehen“. Allerdings wäre auch ein Mann, der „diese typisch weiblichen Eigenschaften“ mitbringe, ein gutes Staatsoberhaupt.

Nicht jetzt bereits über Nachfolge spekulieren

„Es muss die richtige Person zur richtigen Zeit sein“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Thorsten Frei, dem Tageblatt. „Wenn es sich dabei 2027 um eine Frau handeln sollte, freue ich mich“, fügte der CDU-Politiker hinzu. Er empfahl jedoch, mit Rücksicht auf die Würde des höchsten deutschen Staatsamtes „nicht bereits drei Jahre vor dem Ende der Amtszeit Steinmeiers über eine mögliche Nachfolge zu spekulieren“.

In der Vergangenheit hatten die Parteien wiederholt Frauen für die Wahl des Staatsoberhauptes nominiert, so 2009 Gesine Schwan von der SPD, 1999 Dagmar Schipanski von der CDU, 1994 Hildegard Hamm-Brücher von der FDP oder 1979 Annemarie Renger von der SPD. Doch jedes Mal hatten die Kandidatinnen angesichts der Absprachen der Parteien in der Bundesversammlung keine Chance, gewählt zu werden. Die Bundesversammlung setzt sich aus den Bundestagsabgeordneten und einer gleich großen Anzahl von Vertretern zusammen, die von den Landtagen berufen werden. Sie bildet also die Mehrheitsverhältnisse in Bund und Ländern ab.