GolfDie Kraft der Wissenschaft: Der wohl ungewöhnlichste Sieger der US Open

Golf / Die Kraft der Wissenschaft: Der wohl ungewöhnlichste Sieger der US Open
Bryson DeChambeau hält seine Trophäe  Foto: dpa/John Minchillo

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Mithilfe von Wissenschaft und reichlich Muskelmasse hat Bryson DeChambeau die 120. US Open gewonnen und seinen ersten Majorsieg geholt. Der studierte Physiker sieht sich in seinem ungewöhnlichen Weg bestätigt, die Golfwelt staunt.

Als Bryson DeChambeau aus dem Clubhaus schlenderte, nichts ahnend, lächelten ihn plötzlich seine Eltern an – auf einem großen Bildschirm. Sofort kullerten beim Golfprofi die Tränen. „I did it“, ich hab’s gepackt, sagte der wohl ungewöhnlichste Sieger in der langen Geschichte der US Open, deren 120. Auflage eine ganz besondere war. Nicht nur wegen Kraftprotz DeChambeau.

Erstmals seit 1931 fand das Traditionsturnier nicht im Juni statt, die Zuschauer fehlten in Mamaroneck im US-Bundesstaat New York wegen Corona, und am Ende gewann auch noch ein Profi, der nichts anderes als ein Revolutionär ist. DeChambeau, der studierte Physiker, spielt mit Wucht und mit Köpfchen.

„Ich habe mich schon so oft auf die Wissenschaft verlassen, und es hat jedes Mal funktioniert“, sagte DeChambeau nach dem ersten Majorsieg seiner Karriere. 274 Schläge benötigte der US-Amerikaner auf dem superschweren Par-70-Platz im noblen Winged Foot Golf Club, als Einziger im Feld blieb er nach vier Runden unter Par. Platz zwei ging mit großem Rückstand an seinen Landsmann Matthew Wolf (280).

DeChambeau, Markenzeichen Schiebermütze, verfolgt einen anderen Ansatz als die Gegner. Seine selbst entwickelten Schläger sind alle gleich lang, er ist ein Tüftler und will künftig sogar noch mehr experimentieren. Der Erfolg gibt ihm schließlich recht.

Neuer Stern am Golfhimmel

Wenn Bryson James Aldrich DeChambeau auf die Bälle eindrischt, sind sie schon einmal eine Weile unterwegs. Er werde mit der kraftvollen Spielweise nicht aufhören, kündigte der Kalifornier mit Wahlheimat Dallas an. Stets habe er jedem gesagt, „dass es ein Vorteil ist, weiter schlagen zu können“. Kommende Woche will er einen 48-Inch-Driver ausprobieren und schauen, was damit geht. DeChambeau möchte „360, 370 Meter, vielleicht sogar weiter“ kommen.

In Mamaroneck traf DeChambeau nur 41 Prozent der Fairways, stand immer wieder im Rough, alles kein Problem. „Ich weiß nicht recht, was ich sagen soll“, kommentierte Rory McIlroy, der frühere Weltranglistenerste aus Nordirland staunte. DeChambeau habe „das komplette Gegenteil dessen gezeigt, was ein US-Open-Champion eigentlich tun muss“.

Der neue Stern am Golfhimmel setzt auf Wissenschaft und auf Muskelkraft. Er schwört auf Proteindrinks und hat in den spielfreien Monaten während der Corona-Pause knapp zehn auf 109 Kilogramm zugelegt – und das bei einer Größe von 1,85 m. DeChambeau erinnert ein wenig an die Comicfigur Hulk, es fehlt eigentlich nur die grüne Farbe.

Durch den Kraftzuwachs landet sein Ball jetzt im Schnitt bei rund 310 Metern, 2019 waren es noch 34 Meter weniger gewesen. DeChambeau fühlt sich in seinem Weg bestätigt – und genoss die eigene Vorstellung. „So schwierig dieser Golfplatz auch ist, ich habe ihn wunderbar bespielt“, sagte der 27-Jährige. Er habe „makellos“ geputtet, „meine Kontrolle über die Geschwindigkeit war unglaublich“.

Viel Eigenlob, doch auch die Konkurrenten zogen den Hut. „Er sorgt für einen neuen Trend im Golf“, sagte der Turnierfünfte Xander Schauffele (USA): „Wenn er immer weiter und weiter schlägt, wüsste ich nicht, warum er nicht noch mehr US-Open-Titel holen sollte.“ Der achtplatzierte McIlroy war nach DeChambeaus Coup hin- und hergerissen: „Ich weiß nicht, ob das gut oder schlecht für das Spiel ist.“ (SID)