Verteidiger der „Festung Europa“

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(dpa)

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Wenn man vor einigen Tagen eine Umfrage gestartet hätte, wer oder was Frontex ist - nur ein kleiner Bruchteil der Befragten hätte korrekt antworten können.

Angesichts des Flüchtlingsstroms von Tunesien auf die italienische Insel Lampedusa bekommt die europäische Grenzschutzagentur nun allerdings mehr Aufmerksamkeit als zuvor. Die Agentur mit rund 272 Beschäftigten und einem Jahresbudget von knapp 88 Millionen Euro besteht erst seit 2005. Zu ihren Aufgaben gehört es unter anderem, die Unionsmitglieder beim Schutz ihrer Grenzen durch Koordination zu unterstützen. Auch die Beobachtung der aktuellen Entwicklungen an den EU-Außengrenzen läuft bei Frontex zusammen.

Seit 2007 verfügt Frontex zudem über die Möglichkeit, kurzfristig auf kritische Situationen in einzelnen Mitgliedsländern zu reagieren und sogenannte „Rapid Border Intervention Teams“ (RABIT) zu entsenden. Bislang war dies einmal der Fall: Bei der Unterstützung der griechischen Kräfte an der Grenze zur Türkei. 175 Frontex-Beamte nahmen dort im November vergangenen Jahres die Arbeit auf. Seitdem sind die Flüchtlingszahlen um fast die Hälfte gesunken. Nach derzeitigen Planungen sollen die Frontex-Beamte noch bis Anfang März bleiben.

Konkrete Hilfsanfragen

Frontex selbst verfügt weder über Ausrüstung noch über Grenzbeamte, die vor Ort Hilfe leisten. Sowohl Ausrüstung als auch das Personal, so genannte „Gast-Beamte“, werden von den Mitgliedsländern gestellt. Die Kosten für die Ausrüstung bekommen die Länder von Frontex erstattet. In der Regel kommt die Grenzschutzagentur mit konkreten Hilfsanfragen auf die Mitgliedsländer zu. Abgesehen von der Hilfe bei den „Rapid Border Intervention Teams“, wo Länder Hilfe leisten müssen, steht es den Mitgliedsländern ansonsten frei, den Anfragen von Frontex zu entsprechen.

Beim Hilfsbegehren Italiens für Lampedusa handelt es sich laut Frontex um eine reguläre Operation. Wie viele Beamte entsandt werden sollen und welche Ausrüstung bei den Mitgliedsländern angefragt werden soll, war am Mittwoch zunächst noch unklar – ebenso die Art der Unterstützung oder die Länge.
Wenn Mitgliedsländer Personal für Frontex-Einsätze abstellen, bekommen diese Mitarbeiter weiter ihr Gehalt aus dem Heimatland. Die Beamten arbeiten aber grundsätzlich unter Weisung eines lokalen Beamten.

Juristische Grauzone

Und gerade hier sehen Menschenrechtsexperten Probleme. Komme es zu rechtlich problematischen Entscheidungen, wiesen sich Frontex und die jeweils verantwortlichen Staaten oft gegenseitig die Verantwortung zu, sagt Flüchtlingsexperte Wolfgang Grenz von Amnesty-International. „Das darf es nicht geben.“ So wäre es seiner Ansicht nach durchaus problematisch, wenn Frontex-Mitarbeiter an die griechischen Behörden Schiffe weitermeldeten, die Kurs auf Griechenland nähmen und diese die Passagiere daraufhin festsetzten und in Lager weiterleiteten, in denen nachweislich menschenunwürdige Bedingungen herrschten. „Da können die Frontex-Mitarbeiter nicht sagen, ich hab nur Hilfe geleistet. Jeder einzelne muss verantwortlich handeln.“

Zwar seien wahrscheinlich viele der Tunesier, die in den vergangenen Tagen in Lampedusa angekommen sind, vor allem auf der Suche nach besseren Lebensperspektiven, sagt Grenz. Doch Berichten über Morddrohungen und marodierende Banden müsse nachgegangen werden. „Frontex muss sich bewusst sein, was danach mit den Menschen passiert“, sagt Grenz.

Erste Reihe

Bei Frontex selbst ist man sich der Problematik durchaus bewusst. „Die Situation in den Auffanglagern ist schlecht“, sagt ein Sprecher mit Blick auf Griechenland und verweist auf Bemühungen von Frontex, die Lage für die Flüchtlinge dort spürbar zu verbessern. In Tunesien will sich die Agentur daher offenbar vor allem auf die Arbeit in der „zweiten Reihe“ konzentrieren: auf die Identifizierung und Befragung der Flüchtlinge in den Auffanglagern, die Ermittlung von deren Herkunft und die Vorbereitung von Rückführungen, wie ein Sprecher erklärte. Vielleicht werden die Frontex-Leute aber auch hier wieder in der ersten Reihe stehen.