Syriens Assad auf den Spuren des Vaters?

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Das gewaltsame Vorgehen des syrischen Präsidenten Baschar Assad erinnert an das Massaker von Hama 1982. Sein Vater ließ damals zehntausende Aufständische töten.

Muammar Gaddafi ist beileibe nicht der erste arabische Staatschef, der im großen Stil Truppen gegen die eigene Bevölkerung einsetzt. 1988 wurden im Nordirak auf Befehl Saddam Husseins tausende Kurden bei einem Giftgasangriff getötet. 1982 starben Zehntausende, als der syrische Staatschef Hafis al Assad eine ganze Stadt in Grund und Boden bombardieren ließ.

Aktivisten rufen zu neuen Protesten in Syrien auf

Aktivisten der syrischen Demokratiebewegung haben am Samstag einen Tag nach der blutigen Unterdrückung ihrer Proteste zu neuen Kundgebungen aufgerufen. „Wir werden heute und jeden weiteren Tag friedlich auf die Straße gehen, bis wir unsere Freiheit erhalten“, hieß es in einem Eintrag der Seite „Syrian Revolution 2011“ auf der Internet-Plattform Facebook. (dpa)

Beide Diktatoren haben inzwischen das Zeitliche gesegnet. Doch in Syrien regiert Assads Sohn Baschar, der am Mittwoch Proteste in der Stadt Daraa blutig niederschlagen ließ. Sein Vorgehen weckt Erinnerungen an besagtes Massaker von Hama – und Befürchtungen, er könnte es angesichts der Proteste seinem Vater gleichtun.

Islamisten gegen Nationalisten

Die Hintergründe des Hama-Massakers liegen in 1940er-Jahren, als sich die Baath-Partei und die Muslimbrüder in Syrien um die Vormacht stritten. Die beiden Gruppierungen hätten verschiedener nicht sein können. Die Baath-Partei war säkular, nationalistisch und wurde von der Minderheit der schiitischen Alawiten angeführt. Die sunnitischen Muslimbrüder betrachteten wie alle islamistischen Bewegungen Nationalismus als unislamisch sowie Religion und Staat als untrennbar.

Nachdem die Baath-Partei 1963 durch einen Putsch die Macht in Syrien erlangt hatte, eskalierte die Rivalität. Während der 60er- und 70er-Jahre lieferten sich die Muslimbrüder einen Guerillakrieg mit dem Regime. Bei Terroranschlägen und Vergeltungsaktionen kamen auf beiden Seiten zahlreiche Zivilisten ums Leben. 1980 entkam der syrische Präsident Assad knapp einem Mordanschlag. Daraufhin ließ er mehrere hundert inhaftierte Muslimbrüder in ihren Zellen exekutieren. Beide Seiten wussten, dass eine alles entscheidende Konfrontation bevorstand. Die Frage war, wann und wo sie stattfinden würde.

Schicksalsschlacht in Hama

Am 3. Februar 1982 war es in der Muslimbrüder-Hochburg Hama im Norden Syriens soweit. Um zwei Uhr morgens stolperten syrische Soldaten in der Innenstadt über das Versteck des lokalen Guerillakommandanten. Dessen Gefolgsleute alarmierten sofort andere Widerstandszellen und nahmen die Soldaten unter Feuer. Diese wiederum forderten Verstärkung aus Damaskus an, worauf die Muslimbrüder zu einem Aufstand in Hama aufriefen.

Über die Lautsprecher der Moscheen ermutigten sie ihre Anhänger, Regierungsvertreter in ihren Häusern anzugreifen, Polizeiposten zu überrennen und Waffenlager zu plündern. Als die Sonne aufging, hatten sie rund 70 führende Vertreter der Baath-Partei getötet, erklärten Hama zur befreiten Stadt und riefen ganz Syrien zum Aufstand gegen die Baath-Partei und Präsident Assad auf.

Dessen Reaktion ließ nicht lange auf sich warten und war erbarmunslos. Gemäß dem britischen Journalisten Patrick Seale „wusste jedes Parteimitlied und jeder Fallschirmjäger, der nach Hama entsandt wurde, dass Hama diesmal ein für allemal von den den islamistischen Rebellen gesäubert werden musste, koste es was es wolle.“ Assad mobilisierte die Armee und forderte die Stadt auf, sich zu ergeben. Gleichzeitig warnte er die Bewohner Hamas davor, in der Stadt zu bleiben: Alle verbliebenen würde als Rebellen betrachtet werden.

Bis heute ein Tabuthema

Laut Amnesty International bombardierte die syrische Luftwaffe die historische Innenstadt, um in den engen Gassen Platz für Panzer zu schaffen. Die Muslimbrüder leisteten erbitterten Widerstand, worauf Assad rund um die Stadt Artilleriegeschütze auffahren ließ, die während drei Wochen feuerten. Große Teile der Innenstadt wurden dadurch zerstört. Anschließend durchkämmten Soldaten und Geheimdienstagenten die Trümmer nach überlebenden Muslimbrüdern und mutmaßlichen Sympathisanten. In den Wochen danach folgten Folter und Massenhinrichtungen. Die Schätzungen über die Anzahl der Todesopfer reichen von 7.000 bis 35.000, darunter 1.000 Soldaten.

Die islamistische Rebellion war damit am Ende, ihre verbliebenen Mitglieder setzten sich ins Exil ab. Trotzdem sollen die Muslimbrüder bis heute beträchtlichen Rückhalt in der syrischen Bevölkerung geniessen. Das Hama-Massaker ist jedoch ein Tabuthema geblieben. Wenn überhaupt, wird in der syrischen Öffentlichkeit von den „Ereignissen“ oder den „Vorfällen“ in Hama gesprochen.