„Sie brauchen zu lange“

„Sie brauchen zu lange“
(Reuters)

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In der Adria sitzen am Sonntag noch immer hunderte Menschen auf einer brennenden Fähre fest und bangen um ihr Leben. Die Rettung erweist sich als schwierig. Von Chaos an Bord ist die Rede.

Sturmböen mit Windgeschwindigkeiten von bis zu hundert Stundenkilometern und hoher Wellengang behinderten die Rettung der 478 Menschen an Bord. Passagiere schilderten griechischen Medien per Telefon dramatische Szenen. „Wir sind auf der Brücke, wir sind nass und frieren und husten wegen des Rauchs“, sagte Giorgos Styliaras dem TV-Sender Mega. „Hier sind Frauen, Kinder und alte Menschen.“ Ein anderer Reisender berichtete nach seiner Rettung: „Unsere Schuhsohlen begannen zu schmelzen.“ „Sie brauchen zu lange, um den Leuten zu helfen“, schimpfte der Speditionsunternehmer Giannis Mylonas, der mehrere Lkw auf dem Schiff hatte. „Hoffen wir, dass die Fähre die Hitze des Feuers aushält.“

Bis zum Mittag schafften es nur 150 der Insassen in ein Rettungsboot. Nach Angaben des griechischen Marineministers Militadis Varvisiotis konnten bei bis zu sechs Meter hohen Wellen jedoch nur 56 von ihnen an Bord eines zur Hilfe geeilten Tankers gehievt werden. Zu möglichen Verletzten oder Todesopfern gab es zunächst keine Angaben. Zwei Passagiere rutschten auf einer Rettungsrampe aus und drohten von den meterhohen Wellen fortgerissen zu werden, wie das griechische Schifffahrtsministerium mitteilte.

Hubschrauber im Einsatz

Ein Militärhubschrauber versuche sie zu bergen. Windgeschwindigkeiten von hundert Stundenkilometern sowie Starkregen und Hagel setzten den Passagieren und ihren Rettern zu, so dass auch die Hubschrauber nicht viele Menschen aufnehmen konnten. Marineminister Varvitsiotis zufolge versuchten gegen Mittag sieben Handelsschiffe einen Windschutz um die „Norman Atlanic“ zu bilden. Anschließend sollte versucht werden, ein Tau an der 186 Meter langen Fähre zu befestigen und sie Richtung Küste zu schleppen. Nach Angaben des italienischen Marinesprechers Riccardo Rizotto waren vier Hubschrauber am Unglücksort im Einsatz.

Das manövrierunfähige Schiff treibe in Richtung der albanischen Küste. „Die Wetterbedingungen sind so schlecht, dass wir außergewöhnlich viele Rettungskräfte brauchen“, sagte er. Die von der griechischen Reederei Anek gecharterte „Norman Atlantic“ der italienischen Firma Visemar war am Samstag im griechischen Patras in Richtung der italienischen Hafenstadt Ancona aufgebrochen. An Bord der fast ausgebuchten Fähre waren 422 Passagiere und 56 Crewmitglieder. Nachdem sie nach einem Zwischenstopp die Insel Korfu passiert hatte, funkte die Besatzung am Sonntagmorgen gegen 03.00 Uhr morgens „S.O.S“, nachdem auf einem der Autodecks ein Feuer ausgebrochen war.

Frachter gesunken

Nahezu zeitgleich mit dem Ausbrechen des Brandes auf der Fähre sank ebenfalls im Mittelmeer ein türkischer Frachter, der vor der italienischen Küste mit einem in Belize registrierten Schiff kollidiert war. Drei Seeleute wurden nach Angaben der italienischen Küstenwache vermisst. Das Unglück ereignete sich in stürmischer See rund zwei Kilometer vor der Hafenstadt Ravenna an der Adriaküste.