„Schwätzt Dir iwwer Fuussekacka“

„Schwätzt Dir iwwer Fuussekacka“
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Beim RTL Radio „Face à Face“ standen sich am Dienstag Regierung und Jäger erstmals persönlich gegenüber. Beide schossen sich jedoch vor allem ins eigene Knie.

Der Kleinkrieg zwischen Georges Jacobs, Präsident der Jägerföderation, und Staatssekretär Camille Gira zieht sich schon über Wochen hin und nimmt zuweilen kuriose Formen an. Im „Face à Face“ bei RTL Radio Luxemburg sollten sich die Kontrahenten nun im Dialog zum Thema „Fuchsjagd“ erklären – was in eine tragische Komödie rund um „Fuussekacka“ ausartete.

Camille Giras einführende Argumente für das Verbot der Fuchsjagd sind schnell zusammengefasst: Erstens werde der Fuchs nicht sinnvoll vom Menschen genutzt (außer von Jacobs als ostentative Kopfbedeckung), zweitens sei Westeuropa seit Jahren tollwutfrei und drittens sei der Fuchs weder eine Gefahr für Mensch noch Natur – ja sogar im Gegenteil, er sei ein wichtiger Regulator in seiner Rolle als „Müllabfuhr“, was die Verbreitung von Krankheiten einschränke.

Jacobs und die Tierethik

Georges Jacobs spielt in seiner Gegenargumentation gleich die Tierschutz-Karte aus, oder, um es in seinen Worten zu sagen, die Fuchsjagd habe „tierethische“ Gründe: „Die Natur regelt nämlich gar nichts. Das muss man ganz einfach wissen: Der hohe Bestand wird nur durch den Hungertod und Krankheiten limitiert.“ Wenn man die Füchse nicht mehr jage, dann verursache man unendlich viel Leid bei den Tieren. „Im Wald gibt es keine Euthanasie. Deshalb sind wir der Meinung, dass ein Schuss auf ein Tier viel humaner ist, als das Tier über Monate hin elendig dahinsiechen zu lassen,“ referiert Jacobs.

Des Weiteren würden sich mit den Füchsen etliche Probleme vermehren, wie beispielweise Krankheiten. Man wäre keineswegs für eine „Extermination“ der Füchse, aber er fresse vom Aussterben bedrohte Bodenbrüter und bediene sich am Bestand von Tierhaltern, etwa an freilaufenden Bio-Hühnern. Diese Probleme gebe es auch jetzt schon, aber sie würden weiter zunehmen.

Geschichten aus der Kneipe

Bis zu diesem Punkt verlief das Treffen in geregelten Bahnen. Georges Jacobs holt weit aus und erzählt, was man mit Unterstützung der EU Tolles aus gegerbten Pelzen machen kann. Einzelne Menschen würden das Fuchsfleisch übrigens auch essen. Der Jägerpräsident selbst hat dieses Experiment noch nicht gewagt, woraufhin Camille Gira eine Anekdote aus seiner Jugend zum Besten gibt: Er hat in einer Dorfkneipe marinierten Fuchs probiert – und es war nicht nach seinem Geschmack.

Dann wird Giras Argumentation nachdenklich, geradezu philosophisch – jedenfalls alles, außer wissenschaftlich. Eine Absicht hinter den ganzen Reglementierungen sei nämlich, dass wir uns als Mensch wieder ein wenig aus der Natur zurückziehen. „Wir sind die erste Art, die den ganzen Planeten durcheinanderbringt, die andere Arten zum Aussterben bringt. In der intakten Natur ist noch keine Art durch eine andere Art ausgestorben.“

Letzteres Argument ist nicht haltbar, was Georges Jacobs etwas ungeschickt mit dem Satz „Das Bessere ist der Feind des Guten“ (Vgl. „Natural Selection; or The Survival of the Fittest“ – Charles Darwin, 1869) auf den Punkt bringt. Was Gira damit eigentlich betonen möchte: Die Regierung sieht im Falle des Fuchs die „guten Gründe“, die man bräuchte, um ein Tier „nutzen, schießen zu wollen“, als nicht erwiesen.

Tödliche Gefahr im Garten

Auch wenn man den Fuchs nicht mehr verwertet, so gibt es laut Jacobs „sanitäre“ Gründe für die Jagd. Und jetzt kommt es, das Argument der Argumente: Der Fuchsbandwurm.

Jacobs sei der Fall einer Dame bekannt, die keine Haustiere hatte, fast nie in den Wald ging und in ihrem eigenen Garten vom Fuchsbandwurm befallen wurde. Wir haben das Gefühl, diesen ominösen Fall auch zu kennen – aus einem anonymen Dokument, das Tageblatt.lu vom einem Facebook-Account Namens „Passioun Juegd A Frënn“ zugespielt wurde und weder Signatur noch Kontaktdaten der angeblich betroffenen Person enthält.

Im Folgenden verzettelt Gira sich mit dem nicht ganz wasserdichten Beispiel aus dem Kanton Genf. Man stöhnt, unterbricht sich gegenseitig und kommt schließlich auf den Kern der Debatte: die „Fuussekacka“-Geschichte.

„Fuussekacka“ im Überfluss

„Wir haben acht nachgewiesene Fälle von Fuchsbandwurm in Luxemburg. Wenn Camille Gira dann behauptet, ich würde Märchen erzählen, dann erwarte ich eine Entschuldigung. Das sind reale Schicksale, das sind Menschen, die sind fast verstorben! Und die wollen sich nicht sagen lassen, sie hätten Fuchsexkremente gegessen! Da muss unbedingt auch eine Entschuldigung für die ‚Fuussekacka-Geschichte‘ kommen“, empört sich der Jäger.

Und dann wird es richtig dramatisch. Jacobs, von Beruf Mediziner, verweist auf seinen hippokratischen Eid und die Pflicht, seine Patienten vor Krankheit und Leid zu bewahren. Er setzt Giras Aussage zum „Fussekacka“-Verzehr mit der Behauptung gleich, dass man Exkremente essen müsse, um sich mit den geläufigen Salmonellen zu infizieren. Sowas sei eine gravierende Irreführung der Menschen. Richtig sei dagegen: Wenn man seinen Stuhl in einem See oder einem Brunnen verrichte, dann könne jemand, der auf der gegenüberliegenden Seite daraus trinkt, krank werden. Das gelte insbesondere für Stuhl mit Eiern des Fuchsbandwurms, die sich monatelang in der Natur konservieren – das müsse jetzt klargestellt werden.

Fuchsbandwurm und Fukushima

Camille Gira, der zuvor noch die gesamte Evolutionsbiologie übergangen hat, verweist nun auf harte Fakten: „Wenn wir hier ordentlich und sachlich diskutieren wollen, dann kann nicht jeder seine persönlichen Hobbyrecherchen machen, dann gibt es für mich nur die offiziellen Zahlen.“

Jacobs weiß aber schon, dass die betrefflichen Zahlen vom Luxemburger Gesundheitsministeriums „falsch“ sind, ehe sie zitiert wurden: „D’ass e Skandal dat doten. D’ass e Skandal wat Dir do sot.“ Womit der Staatssekretär sich da an die Luxemburger Bevölkerung wende, sei schwerwiegend und müsse später aufgearbeitet werden. Das habe ein Nachspiel und die Gesundheitsministerin müsse sich einschalten. Die „Fuussekacka-Verzehr-Affär“ vergleicht er in dem Zusammenhang mit dem vergeblichen Versuch, jemandem in Fukushima zu erzählen, das Risiko einer Reaktorkatastrophe sei gering.

Auf Rückfrage der Moderatorin hin eröffnet Jacobs – ganz nebenbei – dass Köder gegen Fuchsbandwurm auszulegen keine Option sei, weil – achtung – „dat ass deier“. Mehr erfahren wir dazu leider von keinem der Kontrahenten. Interessant ist ebenfalls, dass der Präsident der Jägerföderation Gira nichts Handfestes entgegenzusetzen hat, als dieser den Zuhörern mit auf den Weg gibt, ihre Haustiere regelmäßig zu entwurmen – schließlich sei der Begriff „Fuussebandwuerm“ irreführend, da die Würmer gerne über Hund und Katze eingeschleppt werden.

Bilanz einer Komödie

Die für eine öffentliche Debatte etwas zu emotionale und persönlich eingefärbte Diskussion hat die meisten Zuhörer wohl mehr unterhalten als aufgeklärt. Camille Gira „wäre froh, wenn Herr Jacobs wenigstens dazu stehen würde, dass es ihm eine gewisse Freude bereitet, eine Reihe Tiere zu erledigen, dann hätten wir wenigsten eine ehrliche Diskussion ohne die Leute draußen mit Horrormärchen unruhig zu machen.“ Merken sollte man sich allenfalls noch die von George Jacobs im Eifer des Gefechts geäußerte Drohung: „Die Fuchspopulation geht hoch. Wenn das nicht so ist, dann hänge ich meine Flinte an den Nagel.“