Nizza: Mindestens 84 Tote bei Anschlag

Nizza: Mindestens 84 Tote bei Anschlag
(Reuters/Eric Gaillard)

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Bei einem Anschlag auf eine Menschenmenge am französischen Nationalfeiertag sind in Nizza mindestens 84 Menschen getötet worden. Ein Lkw raste in eine feiernde Menge.

Am Abend des Nationalfeiertags ist Frankreich erneut zum Ziel eines schweren Anschlags mit vielen Toten geworden: Ein Lkw-Fahrer steuerte sein Fahrzeug am Donnerstagabend auf der Uferpromenade in Nizza ungebremst in eine Menschenmenge, die dort das Feuerwerk zum Abschluss des Feiertags verfolgt hatte. Mindestens 84 Menschen wurden getötet. Der Fahrer des Wagens ist ebenfalls tot.

Hotline

Die französischen Behörden haben eine Notruf-Hotline errichtet, um nach Angehörigen zu suchen. Hier die Telefon-Nummer: 0033 (0)4 93 72 22 22.

Präsident François Hollande bezeichnete die Tat als „terroristisch“. Er kündigte eine Verlängerung des Ausnahmezustands und die Einberufung von Reservisten an. Nach Schilderungen von Polizei und Augenzeugen ging der Fahrer des Lastwagens mit großer Kaltblütigkeit vor: Er raste auf dem Strandboulevard Promenade des Anglais mit hoher Geschwindigkeit in eine Menschenmenge und setzte seine Fahrt noch rund zwei Kilometer fort, ehe die Polizei ihn erschoss. Hinter sich ließ er eine Spur der Verwüstung. Auf der Uferpromenade lagen nach der Attacke dutzende Tote aufgereiht, bedeckt von weißen Tüchern.

Ausweispapiere eines Franko-Tunesiers

„Wir sahen, wie Leute getroffen wurden und wie Gegenstände umherflogen“, berichtete AFP-Journalist Robert Holloway, der sich zu dem Zeitpunkt vor Ort befand. Die Menschen rannten in Panik auseinander. „Die Leute haben geschrien“, sagte Holloway. „Es war das absolute Chaos.“ Innenminister Bernard Cazeneuve sagte, es seien 80 Menschen getötet worden. Es gebe 18 Schwerstverletzte. Unter den Toten sind nach Hollandes Worten mehrere Kinder.

„Der Lkw kam im Zickzack die Straße entlang. Wir rannten in ein Hotel und versteckten uns mit vielen anderen Leuten auf der Toilette“, sagte eine Augenzeugin dem Sender „France Info“. Eine andere Frau sagte, sie habe sich mit etwa 200 anderen Leuten in einem Restaurant an der Promenade versteckt, wo sich die Lage etwa zwei Stunden nach dem Angriff beruhigt habe. „Es ist eine Szene des Schreckens“, sagte der lokale Abgeordnete Eric Ciotti zu „France Info“. Der Lastwagen sei über den Bürgersteig gerast und habe „mehrere hundert Leute niedergemäht“, bevor ihn die Polizei gestoppt habe.

Mehrmals mit einer Pistole geschossen

Der Fahrer des Lastwagens, der in Nizza in eine feiernde Menschenmenge gerast ist, soll nach ersten Erkenntnissen der französischen Polizei nicht als politisch radikalisiert bekannt gewesen sein. Er sei der Polizei jedoch wegen allgemeiner krimineller Vergehen bekannt gewesen. Das berichtete der Nachrichtensender BFMTV am Freitag unter Berufung auf Ermittlerkreise. In dem Lastwagen wurden Papiere eines franko-tunesischen Mannes gefunden. Die Behörden versuchen, die Identität des Fahrers festzustellen. Bislang ist bekannt, dass der Mann 1995 in Nizza geboren wurde.

In dem Lastwagen, der in eine Menschenmenge in Nizza gerasten ist, wurden eine funktionsunfähige Granate und Feuerwaffen-Attrappen gefunden. Die französischen Nachrichtenagentur AFP berichtete unter Berufung auf Ermittler, der Fahrer habe mehrmals mit einer Pistole geschossen, bevor er von der Polizei getötet wurde.

Vom islamistischen Terrorismus bedroht

Der Präsident wandte sich noch in der Nacht in einer Fernsehansprache an die Nation, die in den vergangenen Monaten von einer ganzen Serie von Anschlägen verunsichert wurde. Der „terroristische Charakter“ des Angriffs könne nicht geleugnet werden, sagte der sichtlich erschütterte Präsident. „Ganz Frankreich ist vom islamistischen Terrorismus bedroht.“ Hollande kündigte entschlossene Gegenwehr an. „Wir müssen alles tun, um gegen die Geißel des Terrorismus kämpfen zu können“, sagte er. „Wir werden jene zur Rechenschaft ziehen, die uns auf unserem eigenen Boden angreifen.“

Hollande stellte in Aussicht, den Kampf gegen die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) im Irak und in Syrien zu verstärken. Der nach den Pariser Anschlägen vom 13. November 2015 verhängte Ausnahmezustand solle erneut um drei Monate verlängert werden, kündigte der Präsident an. Eigentlich hätte der Notstand Ende Juli auslaufen sollen. Zudem kündigte der Präsident die Einberufung von Reservisten an, um die Ränge von Polizei und Gendarmerie zu stärken. Die Sicherheitsvorkehrungen in dem Land würden weiter verstärkt.

Die Feierlichkeiten in Frankreich zum Nationalfeiertag am 14. Juli hatten wegen der Anschlagsgefahr unter erhöhten Sicherheitsvorkehrungen stattgefunden. Allein in der Hauptstadt Paris waren 11.500 Polizisten im Einsatz. US-Präsident Barack Obama verurteilte die Attacke von Nizza und sprach von einem offenbaren „schrecklichen Terroranschlag“. Der UN-Sicherheitsrat verurteilte die Tat noch in der Nacht als „barbarischen und feigen Akt des Terrorismus“.

In Frankreich herrscht seit den islamistischen Anschlägen vom 13. November der Ausnahmezustand. Attentäter hatten bei Attacken auf das Fußballstadion Stade de France, den Pariser Musikclub Bataclan und eine Reihe von Bars und Restaurants 130 Menschen getötet. Zum schwersten Anschlag in der Geschichte Frankreichs bekannte sich die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS). Zum Anschlag von Nizza bekannte sich zunächst niemand.

Internet-Nutzer können nach dem Anschlag in Nizza mit dem Schlagwort #PortesOuvertesNice (offene Türen Nizza) nach Zuflucht suchen. Unter anderem auf Twitter wurde der Hashtag in der Nacht zum Freitag tausendfach verbreitet. Einwohner von Nizza boten anderen eine Unterkunft an, damit diese nach dem Anschlag nicht auf der Straße bleiben mussten. Der Hashtag wurde von Dutzenden auch dazu genutzt, um tatsächlich oder vorgeblich vermisste Bekannte ausfindig zu machen. Nach den Terroranschlägen von Paris im November hatte bereits der Hashtag #porteouverte die Runde gemacht, um Auswärtigen einen Unterschlupf anzubieten.

Trump wird die für diesen Freitag geplante Bekanntgabe seines Kandidaten für das Amt des US-Vizepräsidenten wegen der tödlichen Angriffe in Nizza verschieben. Das teilte der voraussichtliche Präsidentschaftskandidat der US-Republikaner am Donnerstagabend (Ortszeit) auf Twitter mit. Einen neuen Zeitpunkt nannte er zunächst nicht. Am Montag beginnt in Cleveland die Convention der Partei, in deren Verlauf die Kandidaten für die Ämter des Präsidenten und seines Vize offiziell bestätigt werden sollen.