„Nicht aufhören, bis alle Ziele erreicht sind“

„Nicht aufhören, bis alle Ziele erreicht sind“
(AP)

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Eine Waffenruhe im Gazakonflikt ist nicht in Sicht. Im Gegenteil: Israel will ungeachtet vieler Opfer die Bodenoffensive noch ausweiten. Der UN-Sicherheitsrat fordert eine Feuerpause und den Schutz von Zivilisten.

Ungeachtet der zahlreichen Toten auf beiden Seiten hat Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu eine Ausweitung der Bodenoffensive im Gazastreifen angekündigt. „Wir werden nicht aufhören, bis alle Ziele erreicht sind“, sagte Netanjahu am Sonntag in Tel Aviv. Die radikalislamische Hamas sei selbst für die vielen Toten unter den Zivilisten in dem Palästinensergebiet verantwortlich. Es könnten noch „schwere Tage“ bevorstehen, sagte Netanjahu.

500 Tote in Gaza

Die heftigen Kämpfe in einem dicht bewohnten Viertel der Stadt Gaza gehen unvermindert weiter. Bei Gefechten in dem Viertel Sadschaija in der Nacht zum Montag seien zehn bewaffnete Hamas-Mitglieder getötet worden, sagte der israelische Militärsprecher Peter Lerner.

Die Zahl der palästinensischen Toten bei den israelischen Angriffen im Gazastreifen ist auf mehr als 500 gestiegen. In New York äußerte sich der UN-Sicherheitsrat besorgt um die Zivilisten im Kampfgebiet. Seit Beginn der Offensive in dem schmalen Küstenstreifen am Mittelmeer vor knapp zwei Wochen seien 3150 Menschen verletzt worden, teilten die örtlichen Rettungskräfte am Montag mit. Unter den Opfern in dem Palästinensergebiet seien viele Frauen und Kinder. Auf der israelischen Seite kamen bislang 18 Soldaten und zwei Zivilisten ums Leben. Rund 80 israelische Soldaten wurden nach Angaben des israelischen Rundfunks verletzt.

Israelischer Soldat entführt?

Zu Berichten der radikal-islamischen Hamas über einen entführten israelischen Soldaten sagte er: „Wir können es nicht ausschließen.“ Man prüfe den Vorfall weiter. Zuvor hatte Israel dementiert, dass einer seiner Soldaten in der Gewalt der Hamas ist. „Diese Meldung ist nicht wahr. Es gibt keinen entführten israelischen Soldaten“, sagte UN-Botschafter Ron Prosor am späten Sonntagabend (Ortszeit) am Rande der Sitzung des UN-Sicherheitsrates in New York. Die Hamas hatte zuvor behauptet, ihre militanten Kassam-Brigaden hätten einen Soldaten in ihrer Gewalt und auch einen Namen und eine Dienstnummer genannt.

US-Außenminister John Kerry reist am Montag nach Kairo, um Bemühungen um eine Feuerpause im Gaza-Konflikt zu unterstützen. Das bestätigte Außenamtssprecherin Jen Psaki am Sonntag in Washington.

„Risiko einer Eskalation“

Die USA und ihre internationalen Partner seien „zutiefst besorgt über das Risiko einer weiteren Eskalation und des Verlustes von weiteren unschuldigen Menschenleben“, hieß es in der Mitteilung weiter. „Wir glauben, dass es so bald wie möglich eine Feuerpause geben sollte – eine, die den im November 2012 erreichten Waffenstillstand wiederherstellt.“ Kerry unterstütze die ägyptische Initiative für eine solche Feuerpause.

Bereits zuvor hatte sich Präsident Barack Obama in einem Telefonat mit dem israelischen Ministerpräsidenten besorgt über die wachsende Zahl der Opfer im Konflikt zwischen Israel und der radikalislamischen Hamas geäußert.

UN fordern Feuerpause

„Wir sind sehr besorgt um die Zivilisten im Kampfgebiet“, sagte Ruandas UN-Botschafter Eugene-Richard Gasana, in diesem Monat Präsident des Rates, am späten Sonntagabend (Ortszeit) in New York. „Wir rufen alle Seiten auf, alles Notwendige zum Schutz der Zivilisten zu tun und das internationale Völkerrecht zu achten.“

Der Rat forderte zudem eine sofortige Einstellung aller Feindseligkeiten. Gasanas amerikanische Kollegin Samantha Power sagte, nur mit einer Feuerpause könne die Gewalt enden. Dann könne auch konkret den Menschen im Kampfgebiet geholfen werden. Power lobte wie schon vor ihr Gasana die Vermittlungen Ägyptens.

Zuvor hatte das mächtigste UN-Gremium zwei Stunden hinter verschlossenen Türen getagt. Eilig einberufene Sondersitzungen des UN-Sicherheitsrates kommen zwar immer wieder vor. Eine Sitzung am späten Sonntagabend ist aber ungewöhnlich.

Blutiger Häuserkampf

Die israelische Bodenoffensive im Gazastreifen weitet sich zu einem Häuserkampf mit zahlreichen Toten auf beiden Seiten aus. Am bislang blutigsten Tag der jüngsten israelischen Militäroperation beklagten die Palästinenser mehr als 100 Tote, wie die palästinensische Nachrichtenagentur Maan berichtete. Allein im Stadtteil Sadschaija habe es am Sonntag 66 Tote gegeben, darunter viele Frauen und Kinder. Andere palästinensische Quellen sprachen unter Berufung auf das Gesundheitsministerium in Gaza in der Nacht zum Montag von mindestens 72 Todesopfern. Und immer noch würden Leichen unter Trümmern liegen.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon verurteilte diese „entsetzliche Handlung“. Er forderte Israel bei seinem Besuch Katar auf, größte Zurückhaltung zu üben und mehr für den Schutz der Zivilisten zu tun.

Israel bleibt „fest entschlossen“

In dem Stadtteil wurden am Sonntag auch 13 Soldaten einer israelischen Elite-Einheit im Gefecht mit Kämpfern der radikalislamischen Hamas getötet. Ein israelischer Militärsprecher bezeichnete den Stadtteil als „Hochburg der Hamas“. „Die israelischen Truppen wurden beim Vorrücken von allen Seiten mit Maschinengewehren und Panzerfäusten beschossen“, sagte er.

Die israelische Armeeführung zeigte sich auch nach den schweren Verlusten in den eigenen Reihen unbeirrt. „Wir sind fest entschlossen“, sagte Generalstabschef Benny Ganz am Abend. „Es tut mir sehr leid, wenn Zivilisten auf der anderen Seite getötet werden. Aber wir haben die moralische Pflicht, unsere Bürger zu schützen.“ Israel habe vor den Angriffen immer wieder gewarnt und die Bevölkerung dazu aufgefordert, das Viertel Sadschaija zu verlassen. Seit Beginn der Bodenoffensive am Donnerstagabend kamen insgesamt 18 israelische Soldaten ums Leben.

Tausende Palästinenser auf der Flucht

Rund 130 000 Einwohner des Gazastreifens haben nach Angaben einer palästinensischen Menschenrechtsorganisation seit Beginn der israelischen Offensive ihre Wohnhäuser verlassen.

Eine vom Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) vermittelte Feuerpause hielt nur kurz. Die zweistündige Kampfunterbrechung hätte dazu dienen sollen, die Leichen in Sadschaija zu bergen. Nach Angaben palästinensischer Rettungskräfte sind unter den Opfern auch ein palästinensischer Kameramann und ein Rettungssanitäter. Bei dem getöteten Journalisten soll es sich um Chaled Hamad handeln. Twitter-Fotos zeigten ihn in einer blutverschmierten Schutzweste mit der Aufschrift „Press“.

Hamas-Tunnel stillgelegt

Die israelische Armee gab am Sonntag bekannt, dass ihre Soldaten in Sadschaija zehn Tunneleingänge gefunden hätten. Die Hamas nutzt die Tunnel als Verstecke für ihre Waffen sowie auch zu Vorstößen auf israelisches Gebiet.

Ein Hamas-Kommando drang am Samstag durch einen Tunnel auf israelisches Gebiet vor. Die Kämpfer beschossen einen israelischen Militär-Jeep mit Panzerfäusten und Schnellfeuergewehren. Dabei starben zwei israelische Soldaten.

Auslöser der jüngsten Eskalation der Gewalt waren die Entführung und Ermordung von drei israelischen Teenagern und der mutmaßliche Rachemord an einem palästinensischen Jungen. Eine 2012 vereinbarte Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas, die seit 2007 im Gazastreifen herrscht, wurde daraufhin endgültig Makulatur.

UN-Generalsekretär Ban begann am Sonntag in der katarischen Hauptstadt Doha eine Vermittlungsmission. Nach UN-Angaben will Ban danach nach Kuwait, Kairo, Jerusalem, Ramallah im Westjordanland und in die jordanische Hauptstadt Amman reisen. Ziel sei es, Israelis und Palästinensern zu helfen, die Gewalt zu beenden.