Wie ein altes, selbstgefälliges Krokodil

Wie ein altes, selbstgefälliges Krokodil
(Reuters)

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Pünktlich zur Wahl Jean-Claude Junckers zum EU-Kommissionspräsidenten veröffentlichte das deutsche Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" diese Woche ein bemerkenswertes Porträt des Luxemburgers.

In „Junckers nächste Schicht“ heben Dirk Kurbjuweit und Christoph Schult gleich zu Beginn des Artikels Junckers Nuscheln hervor und suchen die Erklärung für diese Angewohnheit in seiner Kindheit. „Als Jean-Claude Juncker ein Kind war, musste er ständig leise sein. Er musste leise reden, er musste leise spielen“, heißt es im ersten Satz. Der Vater war Schichtarbeiter und er habe oft tagsüber geschlafen, analysieren die beiden Journalisten.

Der Name Juncker werde sowohl mit dem Begriff „Demokratisierung“ als auch mit den Worten „Apparatschick, Faulpelz, Trinker, Vergemeinschafter“ in Verbindung gebracht. Der Spiegel will herausfinden, wer dieser Juncker denn wirklich ist. Dabei skizziert das Nachrichtenmagazin ein gnadenloses physisches Porträt: „Er schleicht. Er bewegt sich so leise, wie er spricht. Er schleicht nicht nur mit den Füßen, sondern mit dem ganzen Körper, gedämpfte Bewegungen, als wäre er in Watte verpackt.“ Ein paar Zeilen weiter heißt es sogar: „Juncker ist 59 Jahre alt. Wer das hört, glaubt es zunächst nicht. Sein Gesicht sieht aus wie die Straßenkarte einer Großstadt, Hunderte Linien, die Falten sind.“

Darüber hinaus beschreibt Der Spiegel Juncker ebenfalls als gewieften Taktiker, als einen „Politiker, der mit allen Wassern gewaschen ist, auch den nicht so ganz sauberen“. Als Veranschaulichung führen die Journalisten die EU-Wahlnacht vom 25. Mai an. Da haben sich „Schulz und Juncker in Brüssel getroffen und einen Pakt geschlossen: Juncker sollte Präsident werden, Schulz Vizepräsident“, meint das Magazin. Anschließend habe Schulz aber feststellen müssen, dass „dieser Freund nicht für ihn kämpfen würde“.

„Der Virtuose des Kuhhandels“

Interessant ist auch eine Aussage von Luc Frieden über Juncker, die Der Spiegel zitiert. Darin erklärt Frieden: „Es hat sicher damit zu tun, dass Juncker lange die Luxemburger Politik dominiert hat. Die anderen Parteien fühlen sich bevormundet. Jemand, der zu lange erfolgreich ist, wird auf Dauer von den anderen verdrängt. Jemand, der so lange regiert, erzeugt einen Willen nach Veränderung.“ Besonders pikant ist die Schlussfolgerung des Spiegels anhand einer schonungslosen Metapher: „Die Kohls, die Junckers, sie sind wie alte Krokodile, die selbstgefällig im Wasser dümpeln und nicht akzeptieren wollen, dass der See austrocknet.“

Zugleich beschreibt das Nachrichtenmagazin Juncker aber auch als den Mann des Ausgleichs und der mittelgroßen Dinge. Junckers Programm lasse sich wie folgt umschrieben: „kein ganz großes Ziel, keine kleinen Regeln“. Er habe lange ein „winziges Land“ regiert und aufpassen müssen, dass Luxemburg nicht zwischen den großen Nachbarn erdrückt werde. Da würden „seine Durchtriebenheit, sein Charme, seine Ruhe, die Witze, die er erzählt“, helfen. Volksnah sei der Politiker allerdings nicht. Der direkte Kontakt zum Bürger liege Juncker nicht, meint Der Spiegel. Vielmehr sei er „der König der Hinterzimmer“, er sei „der führende Apparatschik im europäischen Apparat, der Virtuose des Kuhhandels“.