Wenn die Blase drückt …

Wenn die Blase drückt …
Wildpinkler sind nicht nur in Deutschland ein Problem

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Bei den anstehenden Karnevalsumzügen dürfte so manche Hemmschwelle, bedingt durch erhöhten Alkoholkonsum, schneller als üblich fallen.

Von Melody Hansen

Müssen muss jeder mal. Wo die Notdurft in dem Fall verrichtet werden soll, ist eigentlich auch klar. Doch ist gerade kein WC in Reichweite oder aber der „dringend Müssende“ zu bequem, eines aufzusuchen, muss auch schon einmal eine Hecke, ein Baum oder – wenn die Hemmschwelle bereits arg gesunken ist – gar eine Hauswand oder ein Vorgarten herhalten.

Bei den anstehenden Karnevalsumzügen dürfte besagte Hemmschwelle, bedingt durch erhöhten Alkoholkonsum, schneller als üblich fallen. Wer reichlich Alkohol konsumiert hat, muss zudem öfter pullern, um es salopp zu formulieren. Männer wissen sich meist schnell zu helfen, wobei die gute Kinderstube dabei rasch verloren geht. Hiergegen geht beispielsweise Brüssel vor. Für Frauen kann ein Karnevalsumzug schon mal zur Qual werden, wenn keine öffentliche Toilette in Reichweite liegt oder diese aber so beschmutzt ist, dass es eine Zumutung wäre, sich hinzusetzen.

Reichlich Vorkehrungen in Diekirch

In Diekirch, wo an diesem Sonntag 30.000 „Gecken“ zur traditionellen Kavalkade erwartet werden, sind reichlich Vorbereitungen getroffen worden, wie Serge Haagen vom „Service technique“ zu berichten weiß. Auf der zwei Kilometer langen Strecke des Umzugs werden den Besuchern 32 mobile Toiletten und 80 Pissoirs zur Verfügung stehen. Alle 200 Meter gibt es also Gelegenheit, auszutreten. Dabei sind die Dixi-Klos den weiblichen Besuchern vorbehalten, wie Serge Haagen unterstreicht.

Den ganzen Tag über ist zudem ein Team der Gemeinde im Einsatz, um dafür zu sorgen, dass die stillen Örtchen auch sauber bleiben und dass es auch immer ausreichend Toilettenpapier gibt. „Wildpinkler wird es allerdings immer geben“, so Haagen. Er stellt jedoch klar, dass es in Diekirch nicht viele Beschwerden gibt.

Anti-Pinkel-Blech in Ettelbrück

In den meisten Städten in Luxemburg scheint das Wildpinkeln außerhalb von Festen – anders als in unseren Nachbarländern – kein großes Problem zu sein. Nur wenige Gemeinden müssen zu besonderen Maßnahmen greifen. In Ettelbrück hat man sich Gedanken zu dem Thema gemacht. Derselbe Effekt wie mit dem Anti-Pinkel-Lack (siehe Kasten) wird hier durch den Einsatz eines deutlich günstigeren Inox-Bleches erzielt. Wer meint, er könne in der Passage, die zum „Jacobsgaart“ führt, unbeobachtet urinieren, der wird – bedingt durch die Spritzer – mit nassen Füßen oder gar einer nassen Hose bestraft.

Nachgedacht wurde in Ettelbrück aber auch über den Einsatz von sogenannten „Uritrottoirs“. Dabei handelt sich um einen mit Sägemehl gefüllten Container, in dem „jeder“ am Bürgersteig seine Notdurft verrichten kann. Wobei sich das aufgrund der Höhe für Frauen eher als schwierig herausstellen dürfte. Für die Ästhetik können auch noch Blumen hineingepflanzt werden. Das Sägemehl saugt die Flüssigkeit auf wie ein Katzenklo, der Inhalt kann dann ausgeleert und kompostiert werden.

Bislang kommt der „Uritrottoir“ in Luxemburg aber nirgendwo zum Einsatz. Wildpinkeln scheint, wie bereits erwähnt, im Großherzogtum ohnehin noch kein Problem zu sein. Zwar kommt es überall immer mal wieder vor, jedoch nicht in einem Ausmaß, das den Autoritäten große Sorgen bereitet.

Arrest wegen Wildpinkeln

Und welche Strafen drohen, wenn man erwischt wird? Bislang ist es den Gemeinden überlassen, ob sie das öffentliche Pinkeln auf ihrem Terrain bestrafen oder nicht. Die Stadt Luxemburg sieht beispielsweise eine Geldstrafe vor. Wird der Übeltäter also ertappt, wird ein Protokoll erstellt. Vor dem Polizeigericht wird dann über eine Strafe entschieden, die bis zu 250 Euro betragen kann. „Wenn wir jemanden beim Wildpinkeln erwischen, können wir ihn auch wegen ‚Erregung öffentlichen Ärgernisses‘ bestrafen. Das kommt meist bei Betrunkenen vor und endet oft im Arrest“, erläutert Claude Strotz von der Pressestelle der „Police grand-ducale“.

Hier im Land sind wir eigentlich ganz gut mit öffentlichen Toiletten ausgestattet. Allein in Luxemburg-Stadt gibt es derzeit insgesamt 32 öffentliche Toiletten. Dazu kommen weitere WCs, die sich in Parkhäusern oder Einkaufszentren befinden und ebenfalls für jeden zugänglich sind. 15 dieser Toiletten sind rund um die Uhr geöffnet und können gratis genutzt werden. Für alle, die unterwegs dringend mal müssen: Auf www.topographie.lu findet man unter „Vivre en ville“ eine Karte mit sämtlichen öffentlich zugänglichen Toiletten der Hauptstadt.

Klo-Mangel in Esch und Düdelingen

In Esch gibt es dagegen nur vier öffentliche Klos. Seit das stille Örtchen neben dem Hôtel de Ville in Betrieb ist, sei das Problem mit Wildpinklern deutlich zurückgegangen, heißt es vonseiten der Gemeinde. Zwar gebe es immer noch einige Zeitgenossen, die beispielsweise in den öffentlichen Fahrstühlen der Stadt urinieren. Das nehme allerdings keine besorgniserregenden Ausmaße an. Die Stadt Düdelingen scheint indes schon mehr Probleme mit unerwünschten Wildpinklern zu haben.

Erst kürzlich haben sich innerhalb einer Woche drei Einwohner bei der Gemeinde über verschmutze Hauseingänge und Parkhäuser beschwert. Da es sich dabei allerdings um private Gemäuer handelt, sei es schwer für die Kommune, etwas dagegen zu unternehmen. An öffentlichen Toiletten mangelt es in Düdelingen derweil nicht – insgesamt gibt es dort sechs. Maßnahmen wie jene, die indes im Brüsseler Ausgehviertel Ixelles ergriffen werden, müssen in Luxemburg noch nicht in Betracht gezogen werden.


Anti-Pinkel-Lack

Gegen die ungeliebten Wildpinkler wurde 2015 im Hamburger Stadtviertel Sankt Pauli erstmals der „Anti-Pinkel-Lack“ eingesetzt. Hierbei handelt es sich um eine spezielle Wandfarbe, mit der die gefährdeten Gemäuer gestrichen werden. Wenn dann jemand sein Bedürfnis dagegen verrichtet, spritzt die Flüssigkeit am Lack ab, sodass sich der Unwissende sozusagen selbst bepinkelt.

Eine effektive Maßnahme: „St. Pauli pinkelt zurück“, so lautete damals auch die Message. Schilder warnen die potenziellen Täter. Wer nicht hören will, muss fühlen – und hat besser eine frische Hose dabei. Die Idee aus Hamburg fand schnell Anklang in der ganzen Welt, sodass der Lack zum Exportschlager wurde. Auf Mallorca und sogar in San Francisco wird mittlerweile „zurückgepinkelt“. Drei Jahre später hat auch Brüssel vom Wunderlack Wind bekommen. Wie die belgische Tageszeitung Le Soir berichtet, entdeckte die Hygieneschöffin des Stadtteils Ixelles, Viviane Teitelbaum, den Lack. Seitdem läuft in zwei Straßen bereits eine Testphase.

Für 2018 sind in Ixelles 20.000 Euro für den Lack vorgesehen. Ob die Gemeinde damit jedoch langfristig Erfolg haben wird, ist eine andere Frage. Der Lack ist nämlich alles andere als günstig. Ein Liter reicht für ungefähr sechs Quadratmeter und kostet stattliche 340 Euro. Zum Vergleich: Ein Liter handelsübliche Außenwandfarbe kostet in der Regel zehn Euro. Dazu kommt die kurze Haltbarkeit: Je nachdem, wie sehr der Lack strapaziert wird, hält er nur zwischen sechs und zehn Monaten.