TVA -Erhöhung trifft vor allem die Ärmsten

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Vier Wochen nach dem Jahreswechsel lud am Dienstag die Salariatskammer mit ihrem Präsidenten Jean-Claude Reding (CSL) zu ihrem Neujahrsempfang ins Cercle Cité.

Der Präsident der neugewählten Kammer, Jean-Claude Reding, konnte bei dieser Gelegenheit zahlreiche Vertreter aus Politik, Gewerkschaftsszene und Wirtschaft begrüßen, u.a. Premier Xavier Bettel und Kammerpräsident Mars di Bartolomeo.

Spitzensteuersatz: Noch keine Festlegung

Anlässlich der „Journée parlementaire“ der LSAP hatten die Sozialisten erklärt, da die TVA-Erhöhung besonders Kleinverdiener treffe, solle der Spitzensteuersatz quasi kompensatorisch erhöht werden. In einer Antwort auf die parlamentarische Frage der CSV-Abgeordneten Diane Adehm und Gilles Roth bezüglich einer Erhöhung des Sitzensteuersatzes legt Finanzminister Pierre Gramegna sich noch nicht klar fest. Die LSAP habe eine Idee zur Debatte über die Steuerreform beigetragen. Diese Reform solle voraussichtlich 2016 vorgestellt werden.

Derzeit gebe es keinen Anlass zur einen oder anderen Idee bezüglich der Reform, die ein ausgeglichenes Maßnahmenpaket beinhalten werde, Stellung zu nehmen, so der Minister in seiner lakonischen Antwort.

(M.Cl.)

In seiner Ansprache beschäftigte sich Reding mit Strukturreformen, die durch den europäischen Kontext des sog. „semestre européen“ vorgegeben sind. Den Haushaltsprozeduren fehlten durch den europäischen Rahmen die nötige Flexibilität: Ein kaum messbares strukturelles Saldo sei ein Indikator u.a. für den Haushalt, der so nicht auf Luxemburg passe. Er regte an, eine Methode zu finden, die der Luxemburger Situation gerecht werde.

Anschließend ging er auf den Staatshaushalt ein, dessen Ungleichgewicht nicht auf explodierende Ausgaben, sondern auf abnehmende Einnahmen zurückzuführen sei, die bereits vor der Krise tendenziell abgenommen haben.

Es reiche jetzt nicht, lediglich die (unsoziale) Mehrwertsteuer heraufzusetzen; es müsse parallel eine richtige Steuerreform gemacht werden, die fundamentale Ungerechtigkeiten zwischen Betrieben und Privatpersonen, zwischen Löhnen und Kapitalerträgen im System beseitige.

Nur noch Arm und Reich

Wenn das Patronat sage, Luxemburg würde zu viel für sein Sozialsystem ausgeben, so sei dies eine falsche Darstellung.

Im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung betrügen diese 23 Prozent (2013), während sie etwa in Deutschland bei 26 Prozent, in Frankreich bei 33 Prozent liegen.

Ein gut aufgebauter Sozialstaat garantiere außerdem die soziale Kohäsion, die nicht an den Grenzen haltmachen dürfe. Ein Abbau der Sozialsysteme riskiere die Mittelklasse verschwinden zu lassen; das Risiko bestehe, dass die Gesellschaft sich langfristig in Arm und Reich aufteile.

Reding sieht weiter keinen Grund, an der Indexmanipulation, die 2015 ausläuft, festzuhalten. Eine eventuelle TVA-Erhöhung dürfe nicht im Index neutralisiert werden, ansonsten die Arbeitnehmer doppelt zur Kasse gebeten würden.

Die CSL hat beim deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (Berlin) eine Studie in Auftrag gegeben, deren erste Resultate zeigen, dass die geplante Erhöhung der Mehrwertsteuer bei den zehn ärmsten Prozent der Bevölkerung ein Prozent ihres Nettoeinkommens kosten werde und bei den zehn reichsten Prozent lediglich mit 0,6 Prozent zu Buche schlagen werde.

Löhne keine Ursache für Arbeitslosigkeit

Jean-Claude Reding ging weiter auf die zu hohe Arbeitslosigkeit ein, deren Ursachen weder bei den Löhnen noch beim Index-System zu suchen seien.

Die Löhne seien in den vergangenen zehn Jahren weniger gestiegen als in vielen anderen Ländern. Es gelte, das Profil der Arbeitssuchenden zu verbessern und hier wolle die CSL mit ihren Ausbildungsprogrammen einen konstruktiven Beitrag leisten.

Er sprach sich auch gegen eine weitere Flexibilisierung des Arbeitsrechtes aus, wie vom Arbeitgeberverband gefordert.

Es gebe einen Vertrauensverlust in das Patronat, das Erpressung mit Jobs betreibe (besonders in der Industrie), das eine sture Haltung bei den Kollektivvertragsverhandlungen im Bankensektor an den Tag lege und im Reinigungssektor die Erfahrung der betroffenen Frauen nicht anerkennen will. Abschließend forderte er für die Arbeitnehmerkammer in eigener Sache die Aufnahme der Institution in die Verfassung.

Parlamentspräsident Mars di Bartolomeo erinnerte daran, dass er sein erstes offizielles Gespräch in der Funktion mit dem Präsidenten der anderen „großen Kammer“, also mit Reding, führte.

Als einer der damals verantwortlichen Politiker, die das Einheitsstatut umsetzten, sehe er sich als einen der Väter der Arbeitnehmerkammer, die sich gut entwickelt habe und über hervorragende Experten verfüge.

Tripartite ankurbeln

Staatsminister Xavier Bettel sprach abschließend vom Reformwillen der neuen Regierung und verwies auf die Bedeutung gesunder Staatsfinanzen.

Die Regierung brauche Unterstützung von „oben“ und von „unten“, so Bettel, der ankündigte, er wolle mittelfristig die Tripartite ankurbeln.

Er kündigte allerdings auch an, die Regierung wolle im Rahmen des Arbeitsrechtes die befristeten Verträge flexibilisieren; ein Vorhaben, das Reding kurz vorher als wenig sinnvoll dargestellt hatte. Somit gab es Stoff für die Diskussionen beim anschließenden Umtrunk.