Schöne Worte oder gerechte Umverteilung?

Schöne Worte oder gerechte Umverteilung?
(F.aussems)

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Die Arbeiten auf Krautmarkt stehen mit der Erklärung von Premierminister Xaver Bettel diese Woche ganz im Zeichen der wirtschaftlichen, sozialen und politischen Situation des Landes.

Nach dem Regierungschef haben am Mittwoch dann die Abgeordneten in zwei Sitzungen Gelegenheit, Stellung zu beziehen.

Die Vorbereitung der Erklärung des Regierungschefs zum diesjährigen „Etat de la nation“ verlief in diesem Jahr extrem diskret. Einzelne Abgeordnete, die heute auf den Koalitionsbänken bequem Platz genommen haben, hätten vor einigen Jahren wohl noch von einer „Dunkelkammer“ gesprochen. Einzig Familienministerin Corinne Cahen (DP), die zufälligerweise der gleichen Blutgruppe angehört wie Premier Xavier Bettel, durfte im Vorfeld der Erklärung am Dienstag (05.05.15) mit der Reform des Elternurlaubs der Öffentlichkeit einen (den einzigen?) der konkreten Punkte präsentieren, um die sich die Rede des Regierungschefs wohl drehen dürfte.

Rund 20 Millionen Euro wollen DP, LSAP und „déi gréng“ pro Jahr für diese Maßnahme lockermachen. Das klingt nach viel, ist vor dem Hintergrund des von der Dreierkoalition beschlossenen Sparpakets aber ein eher lächerlicher Betrag. Zumal die angekündigte große Steuerreform noch immer nicht, nicht mal in Ansätzen, zu erkennen ist.

Provokation

Dass Finanzminister Pierre Gramegna am Vortag der 1.-Mai-Feiern den Kurs vorgab und seinen eisernen Sparkurs nachdrücklich verteidigte, musste angesichts der Zahlen, die er dabei vorlegte, wie eine Provokation wirken. Verständlich denn auch, dass die Gewerkschafter in ihren Reden scharf mit Patronat und Regierung zu Gericht gingen und mehr soziale Umverteilung einforderten. „Es gab und es gibt keinen Grund, in Luxemburg Sozialabbau zu betreiben“ , meinte etwa André Roeltgen, Präsident des mitgliederstärksten OGBL bei dem Meeting seiner Organisation in Mondorf. Und da wusste er noch nicht mal, dass eine in der Finanzkrise mit öffentlichen Geldern vor dem Kollaps gerettete Bank ihren (überwiegend aus dem Katar stammenden) Aktionären für das Geschäftsjahr 2014 Dividenden ausbezahlen will, die über dem Geschäftsgewinn liegen. Auch eine Form der Umverteilung halt … tatsächlich lohnt es sich, einen genaueren Blick auf die Zahlen zu werfen, die Gramegna am Donnerstag vorlegte. Für das laufende Jahr erwartet der Finanzminister ein Wirtschaftswachstum von sagenhaften 3,8 Prozent.

Ein Wert, von dem andere in der EU nur träumen können. Selbst Gramegna müsste sich beim Verlesen dieser Zahlen eigentlich die Augen gerieben haben. Sein Haushalt basiert auf einem Wachstum von 2,7 Prozent. Das statistische Amt Statec hatte seine Prognose im Dezember 2014 sogar von zunächst 3,2 auf 2,2 Prozent zurückgenommen. Für 2016 hatten die europäischen und nationalen Statistiker in ihren Glaskugeln Zahlen zwischen 2,6 und 2,9 zu erkennen geglaubt. Jetzt ist von 3,6 Prozent Wirtschaftswachstum im Jahr die Rede …

Traumzahlen. Und da soll nicht mehr an sozialer Umverteilung drin sein als die 20 Millionen für den Elternurlaub? Nur weil der Finanzminister eisern an einem Sparkurs festhält, um zum Ende der Legislatur einen budgetären Überschuss von 0,8 Prozent des BIP zu erreichen? Dieses Ziel, das im aktualisierten Stabilitätsprogramm 2015-2019 steht, fordert nicht einmal die EU-Kommission. Die würde sich mit einem Plus von 0,5 Prozent mehr als zufrieden zeigen.

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