Tageblatt: Sind Sie zufrieden mit dem Resultat des Gipfels am Samstag in Paris?
Jean-Claude Juncker: „Ich bin zufrieden. Die europäischen Länder, die in Paris versammelt waren, haben sich auf eine EU-Linie geeinigt.“
„T“: War dieser Gipfel sinnvoll, da neben EU-Kommission, Eurogruppe und Zentralbank nur die vier größten EU-Länder geladen waren?
J.-C.J.: „Es war gut, sich zu treffen, als Vorbereitung auf die kommenden Gespräche.“
„T“: Es wurde entschieden, keinen europäischen „Paulson-Plan“ zur Stützung der Finanzmärkte aufzubauen. Was ist Ihre Meinung dazu?
J.-C.J.: „Ich hatte schon im Vorfeld gesagt, dass ich nicht für einen solchen Plan bin. Wichtig ist, dass der Wille, gemeinsam zu handeln, verdeutlicht wurde. Wir werden keine soliden Banken abrutschen lassen. Der Finanzmarkt soll jedoch auch seinen Beitrag leisten. Zudem ist es nicht die Rolle einer Regierung, eine Bank zu managen.“
„T“: Die vier Länder haben sich nun auf eine Linie geeinigt. Wie geht es weiter?
J.-C.J.: „Am Montag wird die Eurogruppe über die Ergebnisse beraten. Am Dienstag werden die EU-Finanzminister zu einem informellen Rat zusammenkommen. Ich glaube, sie alle werden den Schlussfolgerungen von Paris zustimmen, da bereits einige Zeit in diese Richtung diskutiert wurde. Dann werden wir diese Ideen gemeinsam auf dem nächsten G8-Gipfel vertreten.“
„T“: Rettungen von Banken sollen ab jetzt zwischen den verschiedenen Staaten abgestimmt werden. Was bedeutet das?
J.-C.J.: „Eine Rettungsaktion in einem Land darf sich nicht negativ auf ein anderes Land auswirken.“
„T“: In Irland garantiert der Staat seit kurzem alle Einlagen der irischen Banken. Die ausländischen beschweren sich über unlauteren Wettbewerb …
J.-C.J.: „Irland ist ein Beispiel, wie eine Rettungsaktion negative Auswirkungen auf andere haben kann.
Dennoch, die Notwendigkeit zu handeln war groß – die Regierung musste verhindern, dass alle drei großen Banken abrutschen. Nun müssen wir miteinander reden.“
„T“: Werden die Rating-Agenturen nun für ihre schlechte Arbeit bestraft?
J.-C.J.: „Sie werden eigene Regeln erhalten. Sie dürfen nicht einfach Bewertungen über ihre eigenen Kunden abgeben können.“
„T“: Zudem wurde vereinbart, den europäischen Banken das Leben zu erleichtern. Die Bilanzierungsregeln sollen verändert werden. Warum?
J.-C.J.: „Die EU-Banken sollen gegenüber den anderen nicht benachteiligt werden. Diese Änderung wird jetzt schnell passieren.“
„T“: Brauchen wir nicht eine EU-Bankenaufsicht?
J.-C.J.: „Wir haben in Europa etwa 8.000 Banken, davon 44, die richtig grenzüberschreitend tätig sind. Somit liegt der Gedanke einer Überwachung durch die EU nahe. Dennoch ist ein gemeinsamer EU-Regelrahmen für die Aufsichten wichtiger. Zudem wird die Regulierung sowieso strenger werden.“
„T“: Ist eine globale Banken-Aufsicht denkbar?
J.-C.J.: „Wir müssen in der EU weiter gehen, als dies auf globalem Plan passiert. Ich glaube, eine globale Aufsichtsbehörde ist keine realistische Option. Es braucht aber eine stärkere internationale Zusammenarbeit.“
„T“: Was halten Sie von der Idee, die Einlagensicherung für Sparer zu erhöhen?
J.-C.J.: „Die EU-Kommission wird einen Vorschlag ausarbeiten.“
„T“: Wird der Stabilitätspakt nun weiter aufgeweicht?
J.-C.J.: „Jetzt ist nicht der Moment, neue Defizite zu machen. Die Haushalte sollen sich weiter konsolidieren, sonst bricht das Vertrauen weiter ein. Zudem würde unsere Generation die Probleme so nur auf die nächste Generation verschieben.
Der Pakt soll aber mit Flexibilität angewandt werden. So müssen wir klären, dass die Fortis-Dexia-Rettungsaktionen von der EU nicht als Defizit angesehen werden, sondern nur als eine Erhöhung der Staatsschuld. Schließlich erhalten wir Aktiva als Gegenleistung.“
„T“: Auch die übermäßig hohe Besoldung von Bankmanagern war ein Thema auf dem Gipfel. Wird da jetzt was passieren?
J.-C.J.: „Die, die zu große Risiken auf sich nehmen, um Gewinne zu steigern, sollen dafür nicht belohnt werden. Immer mehr Leute, auch die, die vor einigen Jahren nicht einverstanden waren, etwas zu tun, wollen das heute. In zehn Jahren werden sie ihre Meinung dann wieder ändern.“
„T“: Haben Sie als Präsident der Eurogruppe überhaupt noch Zeit, sich um Luxemburg zu kümmern?
J.-C.J.: „Im Gegenteil. Die Fälle Fortis und Dexia waren wegen meiner Tätigkeit als Präsident der Eurogruppe leichter zu lösen. Ich habe letzten Samstag mit fünf Regierungschefs telefoniert. Deutschland musste die Hypo Real Estate retten – das ist alles miteinander verknüpft.“
„T“: Was tun Sie als Staatsminister, um das Vertrauen im Land nicht einbrechen zu lassen?
J.-C.J.: „Die Regierung nimmt einen Teil der durch die hohe Inflation verursachten Kosten auf ihre Schulter. Im Haushalt sind Steuererleichterungen für Betriebe und Privatleute vorgesehen. Das sollte das Vertrauen stärken.“
„T“: Was ist los bei Fortis und Dexia?
J.-C.J.: „Fortis und Dexia haben eigentlich keine Probleme. Das ist alles irrational. Der Kapitalismus ist dabei, sich selber kaputt zu machen. Wie kann man auch mit der Vorstellung leben, man könnte reich werden, ohne zu arbeiten. Nun schlägt die Stunde der Moral.“
„T“: Bis wann werden wir noch mit dieser Krise leben müssen?
J.-C.J.: „Es handelt sich um die größte Krise seit 1929. Und sie ist noch nicht vorbei. Sie wird uns noch bis Mitte 2009 beschäftigen. Nach der Krise wird die Welt eine andere sein als vorher.“
| Die Resultate des G4-Gipfels Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien haben sich mit der EZB und der EU-Kommission auf ihrem Krisengipfel in Paris auf folgende Schlüsselpunkte geeinigt: • Der Euro-Stabilitätspakt darf wegen der „außergewöhnlichen Umstände“ durch die Finanzmarktkrise flexibler ausgelegt werden. • Die Bilanzierungsregeln der Banken sollen reformiert werden. Die Kommission soll bis Ende des Monats konkrete Vorschläge vorlegen. • Die Europäische Investitionsbank (EIB) legt ein Hilfsprogramm von 31,5 Milliarden Euro für den Mittelstand auf. • Die Regeln für Garantien oder Rettungspläne für Banken sollen zwischen den Staaten abgestimmt werden. • Bankmanager, die für die Verluste ihrer Institute verantwortlich sind, sollen sanktioniert werden. Die Aktionäre sollen an Rettungskosten beteiligt werden. • Ein Kontrollsystem für Ratingagenturen, Investitionsbanken und Hedgefonds soll eingeführt werden. • Zur „Neugründung“ des weltweiten Finanzsystems wird ein erweiterter G8-Gipfel mit den am meisten betroffenen Banken noch vor Ende des Jahres einberufen. |
De Maart
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