„Luxemburg ist verwundbar“

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Verlust an Wettbewerbsfähigkeit, hohe Lohnkosten, wenig nachhaltiges Rentensystem - die Fragen, die am Dienstagabend von der Fedil aufgeworfen wurden, sind nicht neu, bleiben aber ihrer Ansicht nach weiterhin unbeantwortet.

2012 ist für die Betriebe kein gutes Jahr gewesen. Rückläufige Umsatzzahlen kontrastierten mit der Kostenentwicklung. Besonders die Lohnkosten seien aus dem Ruder gelaufen, so der Präsident der Industriellenföderation Robert Dennewald am Dienstagabend anlässlich des Neujahrsempfangs der Vereinigung. Als Wunsch für das angelaufene Jahr formulierte der Industriellenchef eine Eindämmung der Kostenexplosion.

Auch die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt bereite der Fedil Sorgen. Die Zahl der Betriebe, die Kurzarbeit fahren, sei hoch und entsprechend hoch die Zahl der betroffenen Mitarbeiter. Die Zahl der Arbeitssuchenden habe mit 20.000 einen neuen Höchststand erreicht.

Robert Dennewald ging weiter auf die weltwirtschaftliche Lage ein. China und Indien würden in den kommenden Jahrzehnten zu Top-Industrienationen werden. Der Anteil der Euro-Länder an der Weltwirtschaft werde laut einer Prognose von aktuell 17 Prozent auf 9 Prozent im Jahr 2060 fallen.

Falsche Klimapolitik

Sicherlich setze die Europäische Kommission mit ihren Vorschlägen zu einer europäischen Industriepolitik die richtigen Akzente; die europäische Klima- und Energiepolitik bereite ihm aber Sorgen, so der Präsident. Das europäische Modell, das Klimaziele hauptsächlich mittels Produktionsabbau erreichen möchte, isoliere Europa auf dem internationalen Klimaparkett.

Luxemburg betreffend warnte Dennewald vor einem Verlust an Wettbewerbsfähigkeit. Die Probleme seien bekannt und hießen: keine nachhaltigen Staatsausgaben, steigende Staatsschuld, gefährliche Entwicklung der Lohnkosten, stockende Verwaltungsreform, schlecht funktionierender Arbeitsmarkt, nicht nachhaltig reformiertes Rentensystem, Bildungssystem mit gravierenden Mängeln.

Weitere strukturelle Probleme wie ein Finanzmarkt, der sich an neue Regelwerke anpassen muss, ein Industriebereich, der höheren Mehrwert erwirtschaften muss und notwendige neue politische Impulse, um neue Industriezweige auf- und auszubauen, die Zeit brauchen, würden hinzukommen.

Konzessionsvertrag von RTL bis 2020

Die Absicht der Regierung, kurzfristig ein „Haut comité pour le développement de l’industrie“ zu gründen, wird von der Fedil begrüßt; allerdings genüge es nicht, dass sich der Wirtschaftsminister zur industriellen Stärkung bekenne.

Abschließend nannte Dennewald einige Reformbaustellen wie die Lösung des Staatshaushaltes aus dem Schuldengriff, das Gesundheits- und Pensionswesen, den Arbeitsmarkt und die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe. Die Bürger, so der Redner abschließend, müssten verstehen, dass die Lage ernst und das Land nicht unverwundbar sei.

Gastredner des Abends war Thomas Rabe, Vorstandsvorsitzenden von Bertelsmann, Thomas Rabe. Er deutete an, dass sein Unternehmen (Bertelsmann) über weitere Investitionen in Luxemburg nachdenke. Der RTL-Konzessionsvertrag sei bis 2020 verlängert worden, so Rabe. Eine Information, die von Premierminiser Jean-Claude Juncker anschließend bestätigt werden sollte. Doch Juncker sollte sich vor allem den von Arbeitgeberseite gegen die Regierung formulierten Vorwürfen widmen. So stimme es nicht, dass die Investitionen zurückgefahren worden seien; diese seien auf Höhe der antizyklischen Haushalte der Jahre 2009 und 2010. Lediglich bei Prestige-Ausgaben sei gespart worden. Das Ende der Krise sei noch nicht erreicht, so Juncker weiter. „Wir tasten uns an die Überwindung der Krise langsam heran.“

Juncker zufolge gehe es nicht an, dass junge unqualifizierte Luxemburger Arbeitslose meinten, sie seien zu schade für eine Arbeit im Gastgewerbe, das intensiv nach Personal sucht. Hier werde sich 2013 manches ändern; diese jungen Menschen müssten wohl oder übel Anstrengungen machen: „Der Sektor wird sie interessieren müssen.“

Sozialdialog eine „patriotische Pflicht“

Juncker rief die Sozialpartner auf, einiges aus der Vergangenheit zu vergessen und den Sozialdialog wieder aufzunehmen. Dies sei quasi eine patriotische Pflicht. Dennewald hatte vorher die prinzipielle Bereitschaft der Arbeitgeber unterstrichen, dies zu tun. Alle Lager müssten ihre Kalte-Krieg-Mentalität aufgeben, um das Land voranzubringen, so Juncker abschließend.

(Robert Schneider/Tageblatt.lu)