„Kurs-Korrektur“

„Kurs-Korrektur“
(Ifinzi)

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Das Tageblatt hat sich mit dem Arbeitsminister Nicolas Schmit über die Höhe der Löhne unterhalten.

„L’Europe a besoin d’une hausse salariale – le temps de notre relance est venu!“ So lautet der Titel einer zweitägigen Konferenz des Europäischen Gewerkschaftsbundes („Confédération européenne des syndicats“, CES) am Dienstag und Mittwoch in Brüssel. Wir haben uns mit dem Luxemburger Arbeitsminister Nicolas Schmit unterhalten, der am Dienstag als Teilnehmer zu einem Rundtischgespräch eingeladen war.

Dass die EU höhere Löhne braucht, stellt die von Gewerkschaften organisierte Konferenz nicht infrage, und das tut auch die Europäische Union nicht.

Nicht mehr, müsste man eigentlich sagen. Denn es ist mittlerweile eindeutig, dass europaweit eine „Kurs-Korrektur“ stattfindet, wie es Nicolas Schmit formuliert. Als Beispiel gibt er die jüngste Einschätzung der EU-Kommission über Luxemburg an (Link): „Es gibt nicht einmal mehr Kritik an unserem Index-System. Weil es die Kaufkraft erhöht.“ Und höhere Kaufkraft kurbele die Binnennachfrage an. Diese wird auch von höheren Löhnen angekurbelt, und diese Ankurbelung wird benötigt, um mehr Wachstum zu erzielen.

„Höhere Löhne = höhere Arbeitslosigkeit = weniger Wachstum: Diese Gleichung ist falsch, das ist erwiesen“, erklärt Schmit weiter. Dies lässt sich u.a. mit den jüngsten Eurostat-Zahlen untermauern. In den Ländern mit den höchsten Mindestlöhnen, angeführt von Luxemburg, liegen die Arbeitslosenraten zum Teil deutlich unter dem EU-Durchschnitt (siehe unsere Printausgabe vom 13. Februar).

„modération salariale“

Zum Kern des Problems: „In den letzten Jahren, schon vor der Krise, hat der Anteil der Löhne in der Wertschöpfung im Vergleich zum Kapital stark abgenommen. Die sogenannte ‚modération salariale‘, die will, dass Lohnanstiege gleichmäßig mit Produktivitätssteigerungen verlaufen, zeigt in der Realität der letzten rund 20 Jahre, dass die Löhne weniger als die Produktivität wuchsen“, so Schmit. Schlussfolgerung: „Die Löhne sind die großen Verlierer in der Umverteilung.“

Dies führe zu den „Exzessen (sic)“, die man kenne, so der LSAP-Minister: „Armut, soziale Unsicherheit, ‚working poor‘ und auch schwaches Wachstum.“ Stark exportorientiert sein („der Überschuss in der EU liegt bei über 300 Milliarden Euro“) und gleichzeitig die interne Nachfrage vernachlässigen, habe sich als nicht richtig erwiesen. Es gebe also wirtschaftliche, soziale und politische Argumente für die „Kurs-Korrektur“.

Diese würde eine Abkehr vom neoliberalen Modell bedeuten. Die Krisensituation sei immer noch nicht richtig überwunden – die Armut nimmt zu, und die Arbeitslosigkeit geht nur leicht zurück. „Wir brauchen also eine andere Herangehensweise, eine andere Wirtschaftspolitik“, sagt Schmit. Dabei wären höhere Löhne nur ein Element, ein anderes wären z.B. hohe Investitionen.

Luxemburg: drei Signale

Konkret auf Luxemburg bezogen, wo es bekanntlich die Forderung der größten Gewerkschaft OGBL nach einem 10 Prozent höheren Mindestlohn gibt, meint Nicolas Schmit: „Wir haben im Januar den Mindestlohn angepasst, wenn auch nicht um 10 Prozent. Ich habe den Wirtschafts- und Sozialrat mit einer strukturellen Analyse des Mindestlohns beauftragt, die Schlussfolgerungen daraus sind möglicherweise aber einer nächsten Regierung vorbehalten. Und da, wo der Staat Einfluss auf Löhne hat, also im öffentlichen Dienst, gingen wir mit gutem Beispiel voran, denn es gab keine Nullrunde. Das sind meiner Meinung nach drei Signale, dass Luxemburg keine ‚austérité salariale‘ betreibt. Die es auch nie wirklich gab. Dennoch sind die Löhne sehr langsam gewachsen.“