Haiti: Ein Augenzeuge berichtet

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Nach dem schlimmen Erdbeben im Januar werden die Menschen Haitis nun von einer neuen Plage bedroht. Eine Cholera-Epidemie ist ausgebrochen. Max Lamesch, Mitarbeiter von SOS Kannerduerf, hält sich zur Zeit in Haiti auf. Tageblatt-lu schildert er die Situation vor Ort.

Wie sieht die aktuelle Situation in Haïti aus?

„Ich verfüge momentan über zwei Informationsquellen hinsichtlich der Cholera: Zum einen die verschiedenen UN-Clusters, die versuchen, alle möglichen NGOs im Bereich medizinische Versorgung und Hygiene zu mobilisieren und zu koordinieren. Zweitens die internationale Presse, deren Zahlen aber recht unzuverlässig zu sein scheinen. Und natürlich muss man vermeiden, an deren Panikmache teilzunehmen.

Die größte Sorge für alle NGOs und die Bevölkerung ist momentan die Verbreitung der Cholera von seinem Ursprungsort in den ländlichen Gegenden von St-Marc (etwa 80 km nördlich von Port-au-Prince) Richtung Hauptstadt. Würde sie in die Camps gelangen, wo Zehntausende Menschen auf engstem Raum und unter hygienisch schwierigen Bedingungen leben, könnte man schnell die Kontrolle über die Epidemie verlieren. Soweit ich informiert bin, handelt es sich bislang bei jenen Cholera-Fällen in Port-au-Prince ausschließlich um Menschen, die in den nördlicheren Regionen des Landes kontaminiert wurden und innerhalb der fünftägigen Inkubationszeit in die Hauptstadt gekommen sind. Also gibt es an sich noch keine Fälle in Port-au-Prince.“

Was kann man tun?

„SOS-Kinderdorf Haiti ist keine Nothilfeorganisation, die schnell und flächendeckend Maßnahmen ergreifen kann, um die Ausbreitung der Cholera zu verhindern. Wir, und ich denke auch die meisten anderen NGOs, versuchen, die Bevölkerung möglichst gut aufzuklären.
Siehe auch:
Cholera in Haiti: Auch Luxemburgs NGO auf der Hut

Beste Vorsorge sind die klassischen Regeln der Hygiene: häufig Hände waschen, sauberes Wasser beim Trinken, bei der Körperhygiene und Essenszubereitung verwenden, möglichst nur gekochte Nahrungsmittel zu sich nehmen etc. Heute Morgen wurde den 900 Kindern in unserer Schule anschaulich dargestellt, wie man sich die Hände richtig wäscht und worauf beim Essen und Toilettengang aufgepasst werden muss. Außerdem nutzen wir unsere Familienprogramme in den Communities, um möglichst schnell über die Cholera aufzuklären und zu erklären, was getan werden muss, falls die ersten Symptome, wie Diarrhö und Erbrechen, auftreten.

Für die internationalen Helfer besteht weniger Gefahr. Es wird gemeinhin gesagt, dass die Cholera bei gesunden Menschen weniger starke Auswirkungen hat als bei Menschen, die ohnehin bereits geschwächt sind. Und das ist im Fall von Haiti das große Problem. Die 1,3 Millionen, die seit dem Erdbeben und den darauffolgenden Überschwemmungen in den Camps leben sind bereits erschöpft und mit ihren Kräften am Ende, nicht zuletzt die Kinder und Mütter.

Wie geht es weiter?

„In der Zwischenzeit sind die großen Hilfsorganisationen in Alarmbereitschaft, bauen provisorische Krankenhäuser auf, fliegen tonnenweise Medikamente ein und versuchen die Epidemie einzudämmen. Vor zwei Tagen ließ die Regierung verlauten, sie habe alles unter Kontrolle, aber keiner glaubt ihr mehr. Bei der Bevölkerung hat die jetzige Regierung alle Karten verspielt.“

tageblatt.lu