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„déi gréng“ haben gestern in Luxemburg ihr Wahlprogramm für Juni 2009 verabschiedet. Vorgestellt wurde ebenfalls die Kandidatenliste für die Europawahlen. Sie wird vom EP-Abgeordneten Claude Turmes und der Studentin Núria Garcia angeführt./Lucien Montebrusco, der Kommentar blogs.tageblatt.lu

„Dir Hären an Dir Dammen, léif Parteifrënn a Parteifrëndinnen“ – die ersten Begrüßungsworte von Parteisprecher Carlo de Toffoli an die Delegierten des Kongresses in Hollerich gestern Morgen verdeutlichten: „déi gréng“ gehören längst zum Parteienestablishment. Mit ihrem Wahlsieg 2004 hätten sie das traditionelle Koalitionskarussell der drei Großen gestört, präzisierte Parteisprecherin Tilly Metz.
2004 gewannen „déi gréng“ sieben Mandate. Sie hätten rein rechnerisch eine Koalition mit der CSV bilden können. Ein Jahr später rückten die Grünen in die Schöffenräte von vier der sechs großen Gemeinden des Landes ein.
2009 soll Metz zufolge eine weitere Etappe in der politischen Erneuerung Luxemburgs stattfinden. Die inhaltlichen Richtlinien hat sich die Partei gestern mit ihrem voluminösen Wahlprogramm „En neit Kapitel fir Lëtzebuerg“ gegeben. Sie ist damit die erste der Parteien, die öffentlich ihre programmatischen Absichten kundtut. In den kommenden Wochen sollen die Namen der Kandidaten in den einzelnen Bezirken publik werden.
Anders als bei den anderen Parteien würden die Grünen mit den Inhalten beginnen und sich dann erst mit den Namen beschäftigen. „Wahlen sind kein Beauty-Contest“, so Tilly Metz.
Bescheiden gaben sich die Grünen gestern nicht. „Wir glauben an einen grünen Frühling“, betonte Parteisprecherin Metz. Mit welchem Programm sie den einläuten wollen, erläuterte Fraktionschef François Bausch. Zuerst jedoch drängte sich die aktuelle internationale Finanzkrise in den Vordergrund. Dem Fraktionschef war dies sogar ein nachgereichter und einstimmig angenommener Abänderungsantrag zum Wahlprogramm wert. Darin wird u.a. eine „EU-Bankenaufsicht als übergeordnete Kontrollstelle für das europäische Finanzsystem“ gefordert.
Eine „dramatische Finanzkrise“, so Bausch. Doch konnte er ihr auch etwas Positives abgewinnen. „Der Staat feiert eine formidable Rückkehr.“ All jene, die vor kurzem noch eine vollständige Deregulierung forderten, in der Meinung, der freie Markt würde alles regeln, bitten nun um eine Rückkehr des Staates. Der Staat solle seine Rolle als Regulierer zurückbekommen, und das sei gut so.
Und eine weitere Schlussfolgerung zog Bausch aus der Finanzkrise: Die Finanzen müssten erneut einen Bezug zur Realwirtschaft bekommen. „Es muss Schluss sein mit der Spielkasino-Mentalität.“
Die Bedeutung des Finanzsektors für Luxemburg kann das Land schnell in den Strudel finanzpolitischer Krisen hineinziehen. Um diese Abhängigkeit des Landes abzuschwächen, müsse verstärkt auf wirtschaftliche Diversifizierung gesetzt werden, fordert Bausch. Man dürfe den neuen technologischen Aufbruch, der sich im Zuge der Energiepreiskrise abzeichne, nicht verpassen, warnte der grüne Fraktionschef. Laut OECD würden 2020 in Deutschland mehr Menschen in umwelttechnologischen Bereichen arbeiten als im Maschinenbau.
Für Luxemburg forderte Bausch eine kohärente Energie- und Klimastrategie, eine Verknüpfung von Ökonomie und Ökologie. Dies stelle für die Grünen einen Schwerpunkt in den nächsten Jahren dar.
Widersprechen wollte Bausch dem Vorwurf, die Grünen würden sich nur um besser gestellte Gesellschaftsschichten kümmern, die Unqualifizierten würden sie nicht interessieren. Die Grünen würden sich dafür einsetzen, dass jedermann eine Qualifikation bekomme.
Als Trauerspiel bezeichnete der Grünen-Redner den aktuellen Umgang mit den sektoriellen Pläne insbesondere im Transportbereich. Während hinter verschlossenen Türen in den Ministerien daran gearbeitet werde, kündige man andererseits den Ausbau von Autobahnen an. „Wo wir heute in Spitzenzeiten auf zwei Spuren parken, werden wir in zehn Jahren auf drei Spuren parken“.
Familien-, Schul- und Gesellschaftspolitik sind weitere Themenschwerpunkte im grünen Wahlprogramm. So sprechen sich „déi gréng“ für einen laizistischen Staat aus. Das habe nichts mit primitivem Antiklerikalismus zu tun. Nur ein neutraler Staat könne die weltanschaulichen und religiösen Freiheiten garantieren, so Bausch.
Mehrere Stunden lang dauerten die Diskussion und die Abstimmung über die rund hundert Abänderungsvorschläge zum Wahlprogrammentwurf und über die Abänderungsanträge zu den Änderungsanträgen.
Nach dem Wahlprogramm verabschiedete der Kongress die Kandidatenliste für die Europawahlen. Sie wird vom aktuellen EP-Abgeordneten Claude Turmes und der Studentin Núria Garcia angeführt. 

Die Fakten:
 – Parlament  2004 erzielten „déi gréng“ landesweit 11,58 Prozent
   der Stimmen. Sie errangen damit sieben Abgeordnetenmandate.
 – Europaparlament  Mit 15,02 Prozent der Stimmen reichte es 2004
   für ein Mandat, das Claude Turmes als Erstgewählter übernahm.

Kandidaten:
Einstimmig hat der Kongress gestern die Kandidatenliste für die
Europawahlen angenommen: Claude Turmes (48), Europaabgeordneter;
Núria Garcia (24), Studentin; Manuel Huss (28), Student;
Christian Kmiotek (48), Schauspieler; Maria Mendel-Ramalho (49);
Adri van Westerop (51), Privatangestellte.