Fühlst du noch oder isst du schon?

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Am Samstag lud die Luxemburger Blinden- und Sehbehinderten-Vereinigung AMVA („Association pour malvoyants et aveugles“) zu einem Themenabend ins Café-Restaurant „Burreck“ in Bartringen ein, wo es nicht um administrative Details oder die Aufarbeitung neuer Statuten ging, sondern schlicht und einfach um Kulinarik. Text und Fotos: R. Batya

Am Samstag lud die Luxemburger Blinden- und Sehbehinderten-Vereinigung AMVA („Association pour malvoyants et aveugles“) zu einem Themenabend ins Café-Restaurant „Burreck“ in Bartringen ein, wo es nicht um administrative Details oder die Aufarbeitung neuer Statuten ging, sondern schlicht und einfach um Kulinarik.

Text und Fotos: R. Batya

BARTRINGEN – „Essen ohne zu sehen“ – Sinn dieser etwas exzentrisch klingenden Übung war, den Sehenden durch eigene praktische Erfahrungen zu zeigen, wie anders der Alltag für schwer Sehgeschädigte oder Blinde ist. Dass dabei das Gehör, der Geruchs- und Tastsinn eine wichtigere Rolle als gedacht spielen, ist gewiss.
„Essen ohne zu sehen – anstrengender Alltag oder Gewöhnungssache?“ war auch der Ansatzpunkt der Willkommensworte von Pascale Link, der sehr aktiven Präsidentin der AMVA.

Autonomer leben

An die 60 Personen waren der Einladung der jungen Frau und Mutter zweier keinesfalls sehbehinderter Kinder gefolgt. Die Nachfrage zur Teilnahme an dieser Premiere war groß. Viele Anfragen konnten leider nicht berücksichtigt werden, da bereits Tage vor dem Event alle Plätze im Restaurant ausverkauft waren.
Was die Teilnehmer anging, handelte es sich zur Hälfte um Sponsoren des Projektes „Novabus“ und um Leiter öffentlicher Stellen wie Info-Handicap oder dem Gesundheitsministerium. Die andere Hälfte der Beteiligten bestand aus den Betroffenen selbst.
Pascale Link, deren Kinder und Lebenspartner tatkräftig am guten Gelingen des Abends mithalfen, indem sie die Logistik im Restaurant regelrecht im Auge behielten, und die, ab der Eingangstür bereits mit Augenbinden ausstaffierten, nur für Stunden „blinden“ Gäste zu ihren Tischen im hinteren Teil der Gastwirtschaft begleiteten, ergriff während des Abends noch einmal das Wort und betonte, dass die größte Problematik der Behinderten die Polemik um ihre Unabhängigkeit sei. In einer vernetzten Welt wie der unseren, wo die Errungenschaften der Medizin, der Technik und Elektronik fast futuristische Züge annähmen, sei es laut ihr unabdingbar, dass viele Sehgeschädigte oder Blinde autonomer leben sollen.
Genau deshalb geht auch die Gründung „Novabus“ teilweise auf die Präsidentin der AMVA zurück. Hierbei handelt es sich um ein in Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsministerium seit Mai dieses Jahres funktionierendes, öffentliches Transportprojekt, welches die individuelle Bewegungsfreiheit Behinderter um ein Vielfaches erweitert.
Mehr als 20 private Busunternehmen garantieren diesen „Service de proximité“, der genau wie der „Night Rider“ oder die „Flexi-Busse“ verschiedener Gemeinden des Landes funktioniert. Zum Einsatz kommen größtenteils speziell ausgestattete Mini-Busse mit einer Transportkapazität von bis zu 20 Personen. Auch an diesem Abend wurde die Hälfte der Beteiligten mit dem „Novabus“ bis vor die Tür des Restaurants „Burreck“ in Bartringen gebracht.
Schlussendlich sollten wir als Gastronomie-Spezialisten und Weinverkoster noch auf das Abendmenü zurückkommen. Blind verkostete Gemüsesuppe mit einer Einlage von grünen Bohnen, als Hauptspeise Kalbsbraten Prince Orloff mit gekochtem Schinken und Käsesauce, Pommes Frites und Gartengemüse sowie als Dessert „Dame Blanche“ mit flüssiger Schokolade (zum selbst übergießen) wurden nicht gleich als solche erkannt.
Pommes mit den Fingern ertasten war einfach.
Und obwohl wir glaubten, das Löffeln der Suppe wäre der schwierigste Part, war es eher das Zurechtschneiden des Bratens, was sich als kniffligste Aufgabe dieses „Dinners in the Dark“ erwies.

INFOBOX

o Nützliches: Weitere Infos über die AMVA und den Novabus gibt es unter der Hotline 661 661 300. Wegen der großen Nachfrage wird eventuell ein ähnlicher Themenabend wiederholt.