Frontalunterricht für bekannte Gesichter

Frontalunterricht für bekannte Gesichter
(Didier Sylvestre)

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Knapp einen Monat vor dem Verfassungsreferendum hat das Parlament seine offizielle Informationskampagne in Mamer eröffnet.

Eigentlich hatte sich die Chamber zum Ziel gesetzt, mit der Veranstaltung eine breite öffentliche Diskussion anzustoßen. Diesbezüglich muss man von einem deutlichen Misserfolg sprechen. Nur circa 130 Leute wollten sich die Standpunkte der Parlamentsfraktionen anhören.

Laut den letzten Umfragen interessiert sich zwar eine große Mehrheit der Bevölkerung für das Referendum, allerdings will eine ebenso große Mehrheit keine Informationsveranstaltungen besuchen. Im Kulturzentrum in Mamer wurde zumindest der zweite Teil dieses Umfrageergebnisses bestätigt. Ein mit Abgeordneten gespicktes Publikum in einem halb gefüllten Saal durfte sich anfangs die bekannten Positionen von Alex Bodry (LSAP), Serge Urbany („déi Lénk“), Eugène Berger (DP), Fernand Kartheiser (ADR), Josée Lorsché („déi gréng“) und Gilles Roth (CSV) anhören.

Die Vertreter der Regierungsparteien und Serge Urbany hoben ihre Argumente für das dreifache Ja beim Verfassungsreferendum hervor. Die Jugend müsse am politischen Geschehen beteiligt, eine politische Routine verhindert und eine soziale Kohäsion sichergestellt werden. Somit rufen sie die Bürger auf, für das Ausländerwahlrecht, die Begrenzung der Ministermandate und für das Wahlrecht ab 16 Jahren zu stimmen.

Die Abgeordneten der Oppositionsparteien CSV und ADR erklärten auch ihre bekannten Positionen, die in ein dreifaches Nein münden. Begründet wird dies damit, dass das Wahlrecht an die Volljährigkeit und die Nationalität gekoppelt sowie die abgegebenen Stimmen bei einer Parlamentswahl respektiert werden müssten.

Während der 75 (!) Minuten andauernden Erklärungen der Abgeordneten hörte das Publikum – das einen relativ hohen Altersdurchschnitt hatte – zwar aufmerksam zu, zeigte jedoch nur zweimal emotionale Regungen. Einmal, als Fernand Kartheiser aufgrund seiner Ausführungen zur Koppelung von Nationalität und Wahlrecht beklatscht und zeitgleich ausgebuht wurde, und ein weiteres Mal, als Urbany nach seiner Ausführung zu der Rolle der Ausländer in der luxemburgischen Gesellschaft und der Oppositionspolitik der CSV beklatscht wurde.

Vielleicht lag die Apathie des Publikums an der Organisation der Veranstaltung, die anfangs einem Frontalunterricht glich.

Kartheiser sorgt für Aufreger

Mit dem Beginn der Fragerunde kam erstmals eine gewisse Dynamik auf. Zwar fanden die Fragen und Bemerkungen zum Wahlrecht ab 16 Jahren bereits nach zehn Minuten ihr Ende, dafür sorgte das Ausländerwahlrecht für zahlreiche Wortmeldungen. Auch hier sorgte Kartheiser für die meisten Aufreger, indem er mehrmals eine bevorstehende Einführung des passiven Wahlrechts für Ausländer als logische Konsequenz eines erfolgreichen Referendums darstellte.

Allerdings fiel auch bei der Fragerunde zum Ausländerwahlrecht auf, dass sich vor allem bekannte und politisch engagierte Personen wie Fred Keup, Mitbegründer der Plattform „Nee2015.lu“, oder Laura Zuccoli, Präsidentin der ASTI, an der Diskussion beteiligten.

Zudem sorgte ein Publikum, in dem zahlreiche Abgeordnete wie Roger Negri, Taina Bofferding, Viviane Loschetter, Felix Eischen und Marc Angel auffielen, für den Eindruck, dass die gestrige Veranstaltung mehr eine politische Elite als den Durchschnittsbürger anlockte.

Vier Wochen bleiben noch bis zum Verfassungsreferendum. Sollten die restlichen fünf vom Parlament organisierten Rundtischgespräche wie das gestrige verlaufen, verfehlen sie zu einem beträchtlichen Teil ihr Ziel. Das Rundtischgespräch war zwar wie gewollt informativ, erreichte jedoch nur einen minimalen Teil der Bevölkerung, der sowieso informiert und mehr oder weniger politisch aktiv ist.