Einigkeit auf nahezu der ganzen Linie

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Kooperationsminister Jean-Louis Schiltz gab gestern vor den Abgeordneten seine Erklärung zur Entwicklungspolitik ab. Dabei stellte er eine Liste mit zehn Punkten vor, wie sich die nationale Kooperationspolitik entwickeln könnte. Im Idealfall soll sie auf ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) angehoben werden, eine Forderung, die von allen Parteien begrüßt wurde. Claude Molinaro

Dass es den Entwicklungsländern nicht gut gehe, sei nicht neu, aber leider sei dieses Thema seit Beginn der Wirtschaftskrise nicht thematisiert worden.

Zehn Punkte für die Kooperation 
  
– Kooperation als internationale Visitenkarte Luxemburgs.

– Anhebung der Entwicklungshilfe auf ein Prozent des BNE.

– Ausarbeiten sektorieller Strategien.

– Systematisierung kohärenten Handelns: Alle Politikbereiche müssen aufeinander abgestimmt werden.

– Das Prinzip der Partnerländer soll beibehalten werden.

– Die Kooperation soll sich auf die Bereiche beschränken, wo ein Mehrwert erreicht werden kann (z.B. Gesundheit, Ausbildung, Wasserwirtschaft).

– Weitere Zielländer sollen bestimmt werden.

– Gemeinden in die Kooperationspolitik mit einbinden.

– Positionen der Entwicklungsländer in internationalen Gremien stärken.

– Zusammenarbeit mit der Wissenschaft verstärken. 

Der Minister erinnerte daran, dass noch nicht vor allzu langer Zeit die Lebensmittelkrise in verschiedenen Teilen der Welt zu sozialen Unruhen geführt hatte. Auch der Impakt der überaus hohen Ölpreise letztes Jahr sei schon vergessen.
Die Hoffnung, dass die aktuelle Krise vielleicht die Entwicklungsländer verschone, habe sich leider nicht erfüllt. Heute leben 1,1 Milliarden Menschen in extremer Armut. 400.000 Kinder sterben alljährlich an Hunger.
Die Krise verschärfe die Situation noch, da nun zahlreiche Entwicklungsprojekte auf Eis gelegt werden. Dem internationalen Währungsfonds zufolge werden dringend 140 Milliarden Dollar benötigt. Dies wiederum bedeute, dass die Herausforderungen noch größer seien als bisher.
Die Kooperationsausgaben nun zu senken, kommt für Schiltz nicht in Frage: „Engagementer mussen agehale ginn.“ Der Minister will gegen die Tendenz des „Jeder für sich“, welche sich nun in der Welt breitmache, ankämpfen. Es sei einer afrikanischen Mutter schwer zu erklären, dass zwar genug Geld vorhanden war, um unsere Wirtschaft zu unterstützen, aber kein Geld für sie. Glücklicherweise denke in Europa nicht jeder so.
Die soziale Not, welche aus der Armut entstehe, könnte uns später mehr kosten als die Entwicklungspolitik. So sind Investitionen in die Kooperation auch Investitionen in unsere Zukunft. 83 Prozent aller Kinder weltweit gingen zur Schule. Es müsse doch möglich sein, auch den restlichen 17 Prozent eine Schulbildung zu geben.

Friedenspolitik

Die Regierung hat in zehn Punkte zusammengefasst, wie diese Ziele erreicht werden sollen. Die Anhebung der Kooperationshilfe auf ein Prozent des BIP ist dabei wohl der wichtigste Aspekt. Da Entwicklungspolitik auch Friedenspolitik sei, müsse die Rolle der luxemburgischen Kooperationspolitik gestärkt werden. Damit sie auch weiterhin die Visitenkarte unserer Außenpolitik bleibe.
Ein Punkt, der allen Rednern des Nachmittags am Herzen lag, war der Wunsch nach mehr Kohärenz. Die Regierung will darüber hinaus am Prinzip der Partnerländer festhalten. Die Entwicklungshilfe wird auf einige Länder beschränkt, und darüber hinaus auf einige Bereiche, in denen Luxemburg stark ist. Voraussichtlich werden in naher Zukunft zusätzliche Partnerländer bestimmt. Mit El Salvador, Namibia und Vietnam wird das Kooperationsabkommen durch ein Konsolidierungsprogramm abgelöst.
Die Regierung wünscht sich ebenfalls, die Rolle der armen Länder international zu stärken. Schließlich müsste die Wissenschaft, so zum Beispiel die Uni Luxemburg, verstärkt in die Debatte eingebunden werden.
Fabienne Gaul (CSV) schloss sich der Argumentation des Ministers an: Wenn die Entwicklungshilfe jetzt reduziert würde, hätten diese Länder überhaupt keine Chance mehr. Gerade in Krisenzeiten komme der Entwicklungspolitik eine wichtige Rolle zu. Armut ziehe eine größere Gewaltbereitschaft und die Flucht in reichere Länder nach sich. Es führe deshalb kein Weg an einer hohen Kooperationsbereitschaft vorbei.
Charles Goerens (DP) wies darauf hin, dass besonders Afrika unter dem Preisverfall bei Rohstoffen leide. Oberstes Ziel der Entwicklungspolitik müsse die Armutsbekämpfung sein. Kohärenz sei dabei besonders wichtig. Die Afrikaner seien zum Beispiel gar nicht erfreut, dass ausgerechnet die Länder, die jahrelang Privatisierungen predigten, jetzt massiv verstaatlichen.
Auch Marc Angel (LSAP) zeigte sich mit den Zielen der luxemburgischen Entwicklungspolitik einverstanden. Da mit verminderten Staatseinnahmen zu rechnen sei, sei die Anhebung der Hilfe auf ein Prozent des BIP wünschenswert. Seine Parteikollegin Lydie Err deponierte anschließend einen Gesetzesvorschlag, der das bestehende Kooperationsgesetz reformieren soll (s. Tageblatt vom 25.3.2009).

Klimapolitik

Felix Braz („déi gréng“) erklärte sich in weiten Zügen einverstanden mit den Ausführungen des Ministers, kritisierte die Regierung jedoch in Sachen Klimapolitik. Auch diese sei eine Art Entwicklungspolitik, da die ärmsten Länder am meisten unter dem Klimawandel zu leiden hätten. Deshalb sei Luxemburg nicht sehr kohärent, da man in Luxemburg die Hausaufgaben nicht mache. Braz zeigte sich skandalisiert über die Behauptung von Umweltminister Lucien Lux, die CO2-Emissionen seien gesenkt worden. Dies sei bloß auf die Wirtschaftskrise zurückzuführen. Es höre sich so an, als sei Lux froh darüber, dass die Wirtschaft in Schwierigkeiten stecke. In Wirklichkeit sollten die Erfolgsmeldungen nur darüber hinwegtäuschen, dass die Klimapolitik der Regierung versagt habe, so Braz.
Die Grünen brachten zwei Motionen und eine Resolution ein, von denen nur die Motion angenommen wurde, welche die Regierung auffordert, alles zu tun, um die Ausgaben für Entwicklungshilfe auf ein Prozent des BIP anzuheben.
Die Resolution, welche die Abgeordentenkammer dazu aufrief, sich stärker in Kooperationsangelegenheiten zu engagieren, wurde verworfen. Nachdem diese zuerst von dem LSAP-Abgeordneten Jos Scheuer begrüßt wurde, erklärte sein Kollege Ben Fayot sie für sinnlos, da das Parlament sowieso in diesen Angelegenheiten aktiv sei. Braz zog die Resolution nach einer kurzen Debatte zurück.