Bis dato wenig Konkretes

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LUXEMBURG - Mehr als vier Stunden diskutierten die Abgeordneten am Mittwoch den nationalen Reformplan (NRP), den jedes EU-Mitglied im Rahmen der EU-Strategie 2020 erstellen muss.

Der Präsident des parlamentarischen Wirtschaftsauschusses, Alex Bodry, bescheinigte der Lissabon-Strategie ein schlechtes Resultat. Und trotzdem gebe es im NRP keine kritische Analyse über die Vorgängerin von „Europa 2020“. „Intelligent, nachhaltig und gegen soziale Ausgrenzung“ wolle die neue Strategie sein; diese Ausrichtungen erinnerten sehr stark an die „Lissabon-Strategie“. Man müsse sich fragen, ob sich hinter diesen Schlagwörtern nicht die gleiche Politik verstecke wie vorher.

Aide à l’enfance

Auf Antrag der DP fand eine Aktualitätsstunde zum Thema „Aide à l’enfance“ statt. Eugène Berger (DP) wollte wissen, warum zwei Jahren, nachdem das Gesetz gestimmt wurde, noch immer nicht alle großherzoglichen Verordnungen vorlägen. Lydie Err (LSAP) meinte, es sei im Allgemeinen keine gute Idee, Gesetze zu stimmen, wenn noch wichtige Details fehlten.

Viviane Loschetter („déi gréng“) wies darauf hin, dass aus diesem Grund viele Organisationen sehr besorgt ob ihrer Zukunft seien. Familienministerin Marie-Josée Jacobs schob dem Staatsrat die Schuld in die Schuhe: Die Verordnungen lägen noch beim ihm.

Das Ziel der Vollbeschäftigung gehört der LSAP-Fraktion zufolge in den Mittelpunkt der Strategie. Die Mitgliedstaaten müssten sich aber die finanziellen Mittel geben, um diese Ziele zu erreichen und diese auch mit den Stabilitätspakten verknüpfen. Im Rahmen des NRP „Luxembourg 2020“ will die Regierung bis 2020 die Beschäftigungsquote auf 73 Prozent anheben; die staatlichen Mittel für die Forschung sollen 2,6 Prozent des BIP erreichen. Die Quote der Schulabbrecher soll wenigstens nicht steigen, derzeit liegt sie bei zehn Prozent. Der Energiebedarf soll zu elf Prozent aus erneuerbaren Energien gedeckt werden. Schließlich will die Regierung, dass im Jahr 2020 3.000 Menschen weniger in Armut leben.

Die Ziele seien realistisch, meinte Bodry, der Plan biete wenig Raum für Utopien. Die Ziele, die die EU-Kommission vorgab, hätten höher gelegen. Die EU habe damit ein Glaubwürdigkeitsproblem: Sie setze sich ambitiöse Ziele, die unerreichbar seien.

Die großen Träume der Lissaboner Strategie seien mit der rezenten Krise verpufft; „Europa 2020“ sei etwas realistischer, meinte Lucien Thiel (CSV). Er wies darauf hin, dass der Finanzplatz zwar dem Land Wohlstand gebracht habe, das Land aber zu einem Drittel davon abhängig sei. Deshalb müsse sich der Finanzplatz permanent neuen Realitäten anpassen.

„Die Ambitionen der Lissabon-Strategie waren zu hoch“, sagte Henri Kox („déi gréng“). An dem NRP ließ Kox kein gutes Haar: Das Papier strotze vor vagen Vorschlägen, ohne konkrete Maßnahmen. Es gebe keine Antwort auf die Frage, in welcher Gesellschaft wir eigentlich leben wollen, trotzdem werde aber eine Marschrichtung vorgegeben.

Weiter mit dem Neoliberalismus

Eine fundamentale Kritik am NRP kam vonseiten André Hoffmanns („déi Lénk“). Im NRP stehe zwar, man müsse Lektionen aus dem Versagen der Lissabon-Strategie ziehen, man suche aber vergebens nach kritischen Analysen. Die Lissabon-Strategie werde eigentlich nicht in Frage gestellt. Es soll weitergehen wie bisher, mit einer neo-liberalen Politik, die alles nach dem Gesichtspunkt der Wettbewerbsfähigkeit betrachtet. Das Resultat einer solchen Politik kenne man allerdings. Das Adjektiv
„nachhaltig“ tauche zwar zehnmal im Text auf, aber eine Reflexion darüber gebe es nicht. Kritik auch an den Zielen: Wie weit die Regierung gedenke, die Armut zu senken, sei eine Schande für ein reiches Land. Grundsätzlich fehle es der Regierung an eigenen Vorstellungen zu einer europäischen Politik. Obwohl der Premierminister sie noch am Dienstag im Parlament verteidigte, stehe nichts im NPR über einen EU-weiten Mindestlohn und einen europäischen Indexmechanismus.

Auch Robert Weber (CSV) bedauerte, dass keine Lehren aus der Lissabon-Strategie gezogen wurden und man sich keine qualitativen Ziele gesetzt hat. Lissabon habe zwar 18 Millionen Arbeitsplätze geschaffen, aber die meisten seien äußerst prekär.

Wirtschaftsminister Jeannot Krecké erklärte, dass es sich beim NRP um ein provisorisches Programm handele. Die Orientierungsdebatte sei dazu da, Vorschläge zu machen. Er könne nur staunen, wenn Leute behaupten, es hätten keine Diskussionen stattgefunden, was nicht stimme.

Es hätten z.B. viele Workshops zu Energiefragen stattgefunden. Was die Steigerung der Energieeffizienz durch alternative Energien angehe, so müsse man bedenken, dass ein höheres Ziel, wie das einige forderten, schwierig sei, da es hierzulande wahrscheinlich nicht genügend Biomasse gebe. Luxemburg seien ganz einfach natürliche Grenzen gesetzt.