Barbara droht Recycling-Schicksal

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In den elf Pro-Sud-Gemeinden sollte eine Ausmal-Broschüre zum Barbaratag in den Grundschulen ausgeteilt werden. Dazu wird es nun nicht kommen. Zu religiös sei die Ausrichtung, zu derb die darin enthaltenen Bilder.

Die Pro-Sud-Broschüre zum Barbaratag (4.12.), gedacht, um den Schülern die Bedeutung dieses Tages in der Minetteregion näherzubringen, wird nur einen kleinen Teil ihres ursprünglichen Zielpublikums erreichen.

In Esch, Kayl, Rümelingen, Monnerich und wahrscheinlich auch in Düdelingen und Sanem, wo der Schöffenrat sich noch beraten will, aber alles auf eine Ablehnung hindeutet, wurde die Verteilung, in Reaktion auf den Tageblatt-Artikel aus der letzten Samstagsnummer, gestoppt.

Wie wir erfahren konnten, soll das Projekt der Broschüre zum „Boarbelendag“ bereits seit zwei Jahren gedeihen. Kürzlich sei es in einer Pro-Sud-Sitzung, als letzter Punkt der Tagesordnung, mehr oder weniger durchgewunken worden. Scheinbar ohne vorangehende Kontrolle und wohl im Vertrauen auf die Ausarbeitung des Pro-Sud.

„Religiöse Dimension passt nicht in Unterricht“

Henri Haine, Rümelinger LSAP-Bürgermeister, hat den sofortigen Verteilungsstopp veranlasst, stiehlt sich aber nicht aus seiner Verantwortung, wenn er sagt, dass „uns so etwas nicht mehr passieren darf“ und dies sicherlich eine Lehre sei. Haine zeigt sich vor allem verwundert darüber, dass, in dem Jahr, seit er im Pro-Sud ist, die ganze Zeit von einer Broschüre zum Barbaratag geredet wurde, und nun „eng Brochure iwwert dat Hellegt Barbara do läit“. Eine nicht nur für ihn grundsätzlich falsche Gewichtung im Hinblick auf die Bedeutung dieses Tages für die Südregion, wo am Barbaratag, da die Heilige Barbara u.a. Schutzpatronin der Minen- und Bergarbeiter ist, besonders der 1.400 toten Arbeiter und auch ihres harten Loses gedacht wird.

Monnerichs LSAP-Bürgermeister Dan Kersch sieht die Gemengelage ähnlich und kann das Schreiben aus dem Monnericher Schuldienst an Pro-Sud, das die ablehnende Haltung der Gemeinde gegenüber der Broschüre erklärt, nur gutheißen. Die Grundzüge dieser Mitteilung lauten u.a., dass die Broschüre schlecht illustriert ist; sie sich vom Inhalt her nicht an Schülern des dritten Zyklus orientiert; sie eine religiöse Dimension einnimmt, die nicht in den regulären Unterricht passt. Dabei hört man aus Monnerich eigentlich nur Positives von der Zusammenarbeit mit Pro-Sud auf Schulebene, wo besonders die Ateliers wie Sud-Tech, Robo-Tech oder auch der Geocache Sud erwähnt werden.

Sind alle unvorbereitet getroffen worden?

Erstaunlich bei dem ganzen Schlamassel bleibt, wie unvorbereitet alle Gemeinden auf das (unangekündigte?) Eintreffen der Broschüre waren. Dass die Gemeindevertreter in der Pro-Sud-Sitzung die Broschüre abnickten, muss wohl ausreichend gewesen sein, damit Pro-Sud mit der Verteilung der Broschüren, teils an die Gemeinden, teils an die Schulen direkt, beginnen konnte – und so ein Großteil der Bürgermeister (nicht alle waren zu erreichen, obwohl von unserer Seite aus an zwei Tagen um ein kurzes Statement gebeten wurde) erst über den Tageblatt-Artikel erfuhr, was denn da auf ihre Grundschüler zukommen würde.

Jean Tonnar (LSAP), Escher Schulschöffe, verweist zu diesem Punkt darauf, dass die Gemeinden ja Vertreter bei Pro-Sud sitzen haben, und „dann ist das so“. Tonnar selbst – Bürgermeisterin Lydia Mutsch weilt im Ausland – hat die Escher Schulen per E-Mail darüber informiert, dass die Broschüren nicht an die Schüler weiterzugeben sind.

Broschüren verteilt

In Differdingen und Bascharage wurden die Broschüren verteilt. In Differdingen scheint, so unser Eindruck, alles zu schnell für ein Einschreiten gegangen zu sein. In Bascharage ist unseren Informationen nach der Tageblatt-Artikel, der ja ankündigte, was da kommen würde, dem CSV-Bürgermeister Michel Wolter am Samstag vorgelegt worden. Mittlerweile wurden, wie erwähnt, die Broschüren verteilt.

In Schifflingen will LSAP-Bürgermeister Roland Schreiner „Schlimmeres“ verhindern, indem nicht verteilte Exemplare auch nicht in die Schulen gelangen. Ob mit der Verteilung bereits begonnen wurde, konnte Schreiner nicht mit Bestimmtheit sagen.

Aus Bettemburg und Petingen gab es, bis zum Redaktionsschluss am Mittwoch und trotz mehrfachen Nachfragens, keine Auskunft.

Pro-Sud äußert sich, „déi Lénk“ auch

Pro-Sud bezog am Mittwoch gegenüber dem Tageblatt in Person von Nicole Schlichtenhorst, ihres Zeichens Regionalmanagerin bei Pro-Sud, Stellung. Insgesamt seien 10.000 Exemplare der Broschüre gedruckt worden, allerdings nicht auf Hochglanzpapier, wie es anfangs hieß, sondern auf „dickerem Papier“, das sich gut bemalen lasse. Von den Schulkommissionen aus den verschiedenen Gemeinden seien rund 7.600 Exemplare bestellt worden.

Am Mittwoch habe Pro-Sud die Bürgermeister angeschrieben, um ihnen mitzuteilen, dass Pro-Sud die nicht gebrauchten Exemplare wieder abholen würde, da eine Nachfrage bestehe von „Leuten, die Extra-Kurse geben“. Auch Akteure, die sich mit dem Bergbau beschäftigen, hätten ihr Interesse bekundet. Auch sei die Broschüre, am 8. Oktober dieses Jahres, an alle Bürgermeister und alle Pro-Sud-Komiteemitglieder verschickt worden, ohne dass sich in der Folge einer beschwert hätte. In einer ersten Fassung enthaltene, noch drastischere Darstellungen, besonders bei der Köpfungsszene, seien auf Eigeninitiative von Pro-Sud abgeschwächt worden.

Am Mittwoch meldeten sich die „déi Lénk“-Politiker der Gemeinden Esch, Differdingen, Sanem und Düdelingen als erste politische Partei in dieser Sache offiziell per Pressemitteilung zu Wort, in der sie „schärfstens dagegen protestieren“, dass „unter dem Vorwand, der Bergarbeiter zu gedenken, obskurantistische antipädagogische Greuelmärchen verbreitet“ werden.