Nur 37 Prozent der Bevölkerung haben Verständnis für die Haltung des Großherzogs, das geplante Gesetz über Sterbehilfe nicht zu unterzeichnen. Mehr als zwei Drittel der Befragten einer TNS-Ilres-Umfrage im Auftrag des Tageblatt sprechen sich für den Gesetzesvorschlag über Sterbehilfe aus.
69 Prozent wünschen sich ebenfalls, die Rolle des Großherzogs auf rein repräsentative Aufgaben zu reduzieren. 68 Prozent stimmen der geplanten Verfassungsrevision zu, welche die Machtbefugnisse des Staatschefs beschneidet. Die Umfrage wurde am 3. und 4. Dezember, nach dem Eklat, durchgeführt.
Verweigerung des Grossherzogs: Nur 37% Zustimmung
Laut Verfassung unterschreibt der Großherzog binnen drei Monaten nach dem zweiten Votum durch das Parlament die Gesetze. Seit 1917 hat der Monarch dies immer getan.
„Was halten Sie davon, dass sich der Großherzog weigert, das Gesetz über die Sterbehilfe zu unterschreiben?“ Die Antwort auf diese Frage (2) von TNS Ilres fällt deutlich aus. Von den Befragten sind nur 37 Prozent mit der Position des Großherzogs einverstanden. 58 Prozent sind nicht derselben Meinung wie der Monarch. Besonders deutlich ist die Ablehnung im Süden des Landes mit 61 Prozent. Im Zentrum des Landes ist die Ablehnung weniger ausgeprägt, mit 53 Prozent aber immer noch deutlich. Die Zustimmung erreicht hier mit 43 Prozent ihre höchste Quote.
Deutliche Unterschiede zeigen sich bei der Analyse entsprechend dem Alter. Mit 71 Prozent ist die Ablehnung bei den 18- bis 24-Jährigen besonders ausgeprägt. Auch bei den über 65-Jährigen liegt die Ablehnung mit 57 Prozent relativ hoch. Eher knapp fällt das Ergebnis in der Gruppe der 25- bis 34-Jährigen aus. In dieser Altersgruppe stimmen „nur“ 52 Prozent nicht mit der Haltung des Großherzogs überein. Es ist dies allerdings auch die Gruppe mit dem höchsten Anteil Unentschlossener. Jeder Zehnte hat keine Meinung zum Thema.
Noch deutlicher sind die Unterschiede in der Bewertung unter Berücksichtigung des Bildungsniveaus der Befragten. Von den Personen mit Primärschulabschluss sind 62 Prozent mit der Haltung des Großherzogs einverstanden, 34 Prozent sind nicht damit einverstanden.
Bei den Befragten mit Hochschulabschluss sind die Werte praktisch exakt umgekehrt: 34 Prozent Zustimmung, 60 Prozent Ablehnung.
Euthanasie: 69 Prozent dafür
78,3 Prozent der Bevölkerung sprachen sich Mitte Februar im Rahmen einer im Auftrag des Tageblatt durchgeführten TNS-Ilres-Umfrage für eine mögliche Sterbehilfe aus.
Diese Tendenz wird durch eine neuerliche Erhebung bestätigt.
Anders als bei der ersten Umfrage Mitte Februar, als die Fragestellung die allgemeine Haltung zur Sterbehilfe betraf, fragte TNS Ilres im Auftrag des Tageblatt diesmal gezielt nach dem Gesetz zur Sterbehilfe in seiner vorliegenden Form. Und erneut ist das Ergebnis eindeutig.
69 Prozent der Befragten befürworten das Sterbehilfegesetz in der Form, wie es übernächste Woche im Parlament zur Abstimmung kommen soll. 18 Prozent sprechen sich dagegen aus, 13 Prozent sind unentschlossen.
Aus einem regionalen Blickwinkel betrachtet, sind mit 74 Prozent die Befürworter der Sterbehilfe in der Hauptstadt am zahlreichsten. Die geringste Zustimmung findet das Gesetz zur Sterbehilfe in der übrigen Zentrumsregion. Allerdings spricht sich auch hier mit 58 Prozent immer noch eine klare Mehrheit für die Sterbehilfe aus. In den übrigen Regionen schwankt die positive Bewertung des Gesetzes zwischen 73 Prozent (Süden) und 63 Prozent (Osten). Die Ablehnungsquote variiert regional betrachtet nur unwesentlich.
Festzuhalten bleibt auch, dass die Zustimmung mit zunehmender Schulbildung wächst. Während bei den Personen mit einem Primärschulabschluss sich lediglich 48 Prozent für die Sterbehilfe aussprechen, sind es bei den ein- bis dreijährigen Hochschulabsolventen (Bac +1 bis Bac +3) 72 Prozent.
Mit zunehmendem Alter nimmt die positive Bewertung des geplanten Gesetzes ab. Nichtsdestotrotz befürworten immer noch 66 Prozent der Alterskategorie „65 Jahre und mehr“ die gesetzliche Legalisierung der Sterbehilfe. Bei den 18- bis 24-Jährigen liegt diese Quote bei 80 Prozent.
Größere geschlechtsspezifische Meinungsunterschiede gibt es laut Umfrage nicht: 67 der befragten Männer und 71 der Frauen geben an, für das neue Gesetz zu sein. Kaum Unterschiede gibt es im Nationalitätenvergleich: 69 Prozent der Luxemburger und 68 Prozent der Nicht-Luxemburger sprechen sich für die Sterbehilfe aus.
In Bezug auf die Berufskategorien fällt auf, dass die Zustimmung bei den Arbeitslosen (86 Prozent) sowie bei den Studenten (77 Prozent) am höchsten ist. Am geringsten fällt sie mit 56 Prozent bei Hausfrauen/-männern aus.
Interessant ist auch, dass 42 Prozent der Befragten, die die Entscheidung des Großherzogs, das Sterbehilfegesetz nicht zu unterschreiben, begrüßen, sich für die geplante Regelung aussprechen. Von den Personen, die mit der Haltung des Staatschefs nicht einverstanden sind, befürworten 87 Prozent das Gesetz zur Sterbehilfe.
Schließlich sind 78 Prozent der Befürworter einer Verfassungsänderung auch pro Sterbehilfe (10 Prozent dagegen). Von den Personen, die eine Verfassungsänderung und dementsprechend eine Machtbeschneidung des Großherzogs ablehnen, befürworten 49 Prozent die Sterbehilfe, 36 Prozent lehnen sie ab.
Verfassungsänderung: Eindeutiges Votum
Die Frage nach der Akzeptanz der Verfassungsänderung (Frage 3) wurde von einer überwältigenden Mehrheit positiv beantwortet: 68 Prozent der Befragten zeigten sich mit der Lösung, die nun gefunden wurde, einverstanden; nur 28 Prozent lehnen den Kompromiss ab.
Diese breite Zustimmung findet sich in allen Alters- und Berufsgruppen wieder, mit einer einzigen Ausnahme: Bei den Befragten mit einem niedrigen Ausbildungsniveau fiel das Resultat anders aus. 56 Prozent der Befragten, welche lediglich die Primärschule absolviert haben, heißen die Maßnahme nicht gut, dem Großherzog einen Teil seiner Rechte zu entziehen. Je höher die Schulbildung, umso höher die Zustimmungsrate in der Bevölkerung. Unter den Akademikern erreicht diese Rate gar 74 Prozent.
Teilt man die Befragten nach Tätigkeitsbereichen auf, so ergibt sich ein ähnliches Bild. Am geringsten ist die Akzeptanz für die Änderung des Grundgesetzes bei den Arbeitern und unter Studenten (52 respektive 58 Prozent). Unabhängige dagegen sind zu 77 Prozent mit der gefundenen Lösung einverstanden.
Geografisch gesehen ist die Akzeptanz der Verfassungsänderung im Zentrum am höchsten. Auch wenn sich im Norden und im Osten keine Mehrheit gegen die Änderung des Grundgesetzes findet, ist die Zahl der Befürworter in diesen beiden Regionen jedoch am niedrigsten und liegt bei 58 Prozent.
Was die Altersgruppen betrifft, sind die 50- bis 64-Jährigen zu 75 Prozent mit einer teilweisen Entmachtung des Herrschers einverstanden, während es bei den 25- bis 34-Jährigen lediglich 62 Prozent sind. 71 Prozent Zustimmung gibt es unter der männlichen Bevölkerung, bei den Frauen sind es „bloß“ 68 Prozent.
Keine unterschiedlichen Ergebnisse erhält man bei der Analyse der Umfrage nach Nationalitäten: Bei Luxemburgern und Ausländern erreicht der Grad der Akzeptanz jeweils 68 Prozent.
Stellt man nun einen Vergleich mit der Frage nach dem Sterbehilfegesetz an, so sieht man, dass 77 Prozent derjenigen Personen, die das Sterbehilfegesetz befürworten ebenfalls mit der Verfassungsänderung einverstanden sind.
Unter den Befragten, welche der Entscheidung des Großherzogs (seine Weigerung, das Euthanasiegesetz zu unterschreiben) zustimmen, sind immerhin noch 50 Prozent gleichzeitig mit der Entscheidung einverstanden, das Grundgesetz zu ändern.
Interessant ist schließlich folgendes Detail: Lediglich vier Prozent der Befragten gaben an, keine Meinung in dieser Sache zu haben, was das hohe Interesse der Bevölkerung insgesamt verdeutlicht.
De Maart
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