Unterhaus stimmt wieder über Brexit-Alternativvorschläge ab

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Die Uhr tickt: Wird das britische Parlament noch eine Lösung im Brexit-Streit finden oder kommt es zu einem chaotischen EU-Austritt? Am Montagabend unternehmen die Abgeordneten einen neuen Anlauf.

Das britische Parlament sucht mit Hochdruck nach Alternativen zum Brexit-Kurs von Premierministerin Theresa May. Die Uhr tickt: Kommt das völlig zerstrittene Parlament nicht bald zu einer Einigung, drohen ein Austritt ohne Abkommen am 12. April oder eine erneute Verschiebung des EU-Austritts – mit einer Teilnahme der Briten an der Europawahl Ende Mai als Folge.

Parlamentspräsident John Bercow wählt aus acht Alternativvorschlägen jene aus, über die das Unterhaus noch am Montagabend entscheiden soll. Medienberichte gehen davon aus, dass Bercow drei bis vier Optionen zur Abstimmung zulassen wird. Damit wird gegen 17.30 Uhr (MESZ) gerechnet; die Abstimmung soll um 21 Uhr beginnen. Das Ergebnis könnte bis kurz vor Mitternacht auf sich warten lassen.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker forderte vom Unterhaus rasche Klarheit über die Pläne des Landes. „Eine Sphinx ist ein offenes Buch im Vergleich zum britischen Parlament“, sagte er in Saarbrücken. „Und wir müssen diese Sphinx jetzt zum Reden bringen. Es reicht jetzt mit dem langen Schweigen.“ Juncker beklagte, dass in Sachen Brexit „niemand weiß, wo es langgeht“.

Die EU wisse, was das Parlament in London nicht wolle: „Was es aber will, haben wir bislang noch nicht in Erfahrung gebracht.“ Falls die Briten bis zum 12. April nicht ausgetreten seien und es zu einer Verlängerung der britischen Mitgliedschaft komme, „dann muss Großbritannien an der Europawahl teilnehmen, das ist Vertrag“.

„Kein Aprilscherz“

Auch der Brexit-Beauftragte des Europaparlaments, Guy Verhofstadt, forderte das Unterhaus auf, endlich zu einer Lösung zu kommen. „Der Brexit ist kein böser Aprilscherz, sondern eine tragische Realität für alle unsere Bürger und die Wirtschaft“, twitterte Verhofstadt. Sollte Großbritannien sich doch für den Verbleib in der Zollunion entscheiden, wären damit viele Brexit-Probleme gelöst.

Bei der ersten Runde am vergangenen Mittwoch hatte es bei den Abstimmungen für keinen der Alternativvorschläge eine Mehrheit gegeben. Doch Beobachter halten es für möglich, dass sich die Abgeordneten nun auf eine der Varianten einigen könnten, die am besten abgeschnitten hatten.

Dazu gehört der Vorschlag einflussreicher Tory- und Labour-Politiker, dass Großbritannien in einer Zollunion mit der EU bleiben soll. Dieses Ziel soll gesetzlich verordnet werden. In dieser Zone sind Binnenzölle abgeschafft, Zölle gelten nur gemeinsam nach außen. Solange Großbritannien in einer Zollunion ist, können britische Handelsabkommen mit anderen Ländern nicht in Kraft treten.

EU versichert schnelle Reaktion

Zu den weiteren Vorschlägen zählt ein neues Referendum über den Deal sowie ein einseitiges Kündigungsrecht für den Backstop. Beim Backstop handelt es sich um eine Garantieklausel für eine offene Grenze zwischen dem EU-Staat Irland und dem britischen Nordirland. Die Regelung sieht vor, dass Großbritannien in einer Zollunion mit der EU bleibt, bis eine bessere Lösung gefunden ist. Brexit-Hardliner fürchten, dies könnte das Land dauerhaft an die EU fesseln.

EU-Unterhändler Michel Barnier hatte vorige Woche signalisiert, dass die EU die Politische Erklärung binnen 48 Stunden nachbessern könnte, wenn sich die britischen Abgeordneten für eine engere Bindung an die Staatengemeinschaft entscheiden sollten.

Bei einem Brexit ohne Abkommen werden chaotische Folgen für die Wirtschaft und andere Lebensbereiche befürchtet. Ursprünglich wollte Großbritannien schon am 29. März aus der EU austreten. Doch das Parlament ist so zerstritten, dass der Termin nicht zu halten war.

Neuwahlen?

Am späten Montagnachmittag soll im Parlament zudem über eine Petition für einen Widerruf der EU-Austrittserklärung Großbritanniens beraten werden. Sechs Millionen Briten haben die Online-Petition schon unterzeichnet – ein Rekord. Die Regierung hat aber bereits mitgeteilt, dass sie eine Rücknahme der Austrittserklärung ablehnt und sich an das Referendum von 2016 gebunden fühlt. Damals hatte eine knappe Mehrheit der Briten für die Scheidung von der EU gestimmt.

Online-Petitionen dürfen alle britischen Staatsbürger – auch im Ausland – und Einwohner Großbritanniens unterzeichnen. Das Parlament muss zu Petitionen mit über 100.000 Unterzeichnern eine Debatte zulassen. Gerüchte, die Petition sei durch Unterschriften aus dem Ausland verfälscht worden, wies das zuständige Komitee zurück. Etwa 96 Prozent der Unterzeichner seien aus Großbritannien.

Die Parlamentarier hatten am vergangenen Freitag Mays Abkommen zum dritten Mal abgelehnt. Es wird nicht ausgeschlossen, dass sie in den nächsten Tagen ihren Deal zum vierten Mal dem Unterhaus zur Abstimmung vorlegt. Auch über eine Neuwahl wird im Land zunehmend diskutiert, um aus der Brexit-Sackgasse herauszukommen.