DeutschlandSo will die SPD eine „Fortschrittskoalition“ mit Grünen und FDP bauen

Deutschland / So will die SPD eine „Fortschrittskoalition“ mit Grünen und FDP bauen
Alle drei haben am Wochenende gewonnen: Franziska Giffey (l.) wird neue Berliner Bürgermeisterin, Olaf Scholz führte die SPD zur stärksten Partei bei den Bundestagswahlen und Manuela Schwesig legte mit der Partei in Mecklenburg-Vorpommern bei den Landtagswahlen noch einmal kräftig zu und bleibt Ministerpräsidentin des Bundeslandes. Foto: Christof Stache/AFP

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Der SPD-Wahlsieger formuliert seinen Regierungsanspruch umso offensiver, als er merkt, wie Laschet in der Union unter Druck gerät. Gemeinsam mit FDP und Grünen will Scholz eine „sozial-liberal-ökologische“ Koalition bilden, um Kanzler zu werden. Rolf Mützenich bleibt Fraktionschef.

In die Guido-Westerwelle-Falle tappt Olaf Scholz schon mal nicht. Montagvormittag nach der Wahl, Pressekonferenz in der Parteizentrale, der Saal mit der überdimensionalen Willy-Brandt-Bronzefigur ist voll. Die SPD-Wahlsiegerinnen Manuela Schwesig aus Schwerin, Franziska Giffey aus Berlin und Scholz bekommen Blumensträuße. Der Korrespondent eines britischen TV-Senders will dann von Scholz wissen, ob er als Kanzler Lastwagenfahrer auf die Insel schicken würde, um den Engpass nach dem Brexit zu beheben. Die Frage wird – wie einige weitere – wohlgemerkt auf Englisch gestellt. Für deutsche Politiker ist das erfahrungsgemäß nicht unheikel. Der damalige FDP-Chef und spätere Außenminister Westerwelle bürstete 2009 einen in seiner Muttersprache fragenden BBC-Reporter unwirsch ab („Wir sind hier in Deutschland“). Das bescherte dem inzwischen verstorbenen Liberalen nach einem historischen Wahlsieg einen erheblichen Imageschaden.

Scholz scheut die Fremdsprache nicht. Flüssig erklärt der Finanzminister, dass ja viele gerne Truckfahrer sein wollten, aber die Briten sich fragen müssten, ob der Mangel etwas mit zu schlechten Löhnen zu tun habe. Routiniert pariert er Fragen des CNN-Reporters Frederik Pleitgen (Sohn der WDR-Legende Fritz Pleitgen) nach Kontinuität im Kanzleramt in der Nach-Merkel-Ära. Ein bisschen Kanzleratmosphäre liegt da schon in der Luft. Die starke Präsenz ausländischer Medien ist zumindest ein kleines Indiz dafür, dass man im Rest Europas glaubt, dieser Sozialdemokrat da vorne auf der Bühne könnte die große Angela Merkel nach 16 Jahren beerben. Laschet wird am Nachmittag in seiner Pressekonferenz jedenfalls keine einzige internationale Frage gestellt.

Entschiedener Auftritt

Ob Scholz wirklich Kanzler wird, bleibt ungewiss. Er habe jedenfalls gut geschlafen. Nach dem Aufwachen habe er geschaut, wie sich die Ergebnisse entwickelt hätten. „Da habe ich mich dann noch mal gefreut.“ Mit 25,7 Prozent liegt die SPD nun klar vor der Union (24,1 Prozent). Sehr genau registriert die SPD, was da bei CDU und CSU los ist. Laschet schwächt seinen am Vorabend erhobenen Regierungsanspruch ab in die Bereitschaft, für ein Jamaika-Bündnis bereitzustehen, falls Scholz keine Ampel hinbekommt. Prompt tritt Scholz entschiedener auf. SPD, Grüne und FDP hätten Stimmen dazugewonnen und sollten eine Regierung bilden. Er greift historisch weit zurück, um einer Ampel zu mehr Glanz zu verhelfen. Von 1969 bis 1982 habe es eine erfolgreiche sozialliberale Koalition gegeben. Rot-Grün unter Gerhard Schröder sei ebenfalls eine „sehr gute Regierungszeit“ gewesen. Nun könne man gut eine „sozial-ökologisch-liberale Koalition“ schaffen.

Wenn drei Parteien, die den Fortschritt am Beginn der 20er Jahre im Blick haben, zusammenarbeiten, kann das etwas Gutes werden, selbst wenn sie unterschiedliche Ausgangslagen haben

Olaf Scholz

„Wenn drei Parteien, die den Fortschritt am Beginn der 20er Jahre im Blick haben, zusammenarbeiten, kann das etwas Gutes werden, selbst wenn sie unterschiedliche Ausgangslagen haben.“ Die Ampel sei eine „Fortschrittserzählung“. – Gilt das auch für Berlin? Giffey sieht dieses Bündnis als eine von mehreren Optionen. Eine Ampel in der Hauptstadt wäre für Scholz eine gute Vorlage. In Rheinland-Pfalz harmoniert das Bündnis schon länger. Scholz will schnell mit FDP und Grünen reden, um noch vor Weihnachten eine neue Regierung zu bilden. „Völlig o.k.“ findet es Scholz, dass FDP und Grüne zuerst miteinander reden wollen.

Bundestagspräsident könnte an die SPD gehen

Die SPD will mit sechs Personen in die Sondierungsgespräche gehen. Neben Scholz die Parteichefs Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans, Generalsekretär Lars Klingbeil, Fraktionschef Rolf Mützenich und die Mainzer Ministerpräsidentin Malu Dreyer. Auf rote Linien verzichtet Scholz: „Wir wollen vertrauensvoll mit denen reden, mit denen wir uns zusammentun wollen.“ Das hört sich morgens bei Walter-Borjans anders an. Er wirft der FDP „Voodoo-Ökonomie“ vor. Auch Esken geht Grüne und FDP zunächst harsch an, weil diese ein Jamaika-Bündnis offen ließen: „Ich finde es erstaunlich, wie man einen so krassen Wahlverlierer zum Kanzler wählen möchte.“ Ein paar Stunden später hat Scholz eine moderate Linie durchgesetzt.

Zudem klärt die SPD eine erste wichtige Personalie: Fraktionschef Rolf Mützenich will weitermachen. Das kündigt der Außenpolitiker aus Köln nach Informationen vom Tageblatt in einer Vorstandssitzung an. Scholz hat ihn darum gebeten. Die SPD-Fraktion wählt an diesem Mittwoch. Der 62-jährige Mützenich soll wohl länger an der Spitze bleiben. Zuletzt soll er damit geliebäugelt haben, als Nachfolger von Wolfgang Schäuble Bundestagspräsident zu werden. In diesem Fall könnte der Parteilinke Matthias Miersch in der Fraktion aufrücken. Gewählt wird der Parlamentspräsident bei der konstituierenden Sitzung des Bundestages am 26. Oktober. Die Sozialdemokraten sind mit zehn Mandaten Vorsprung auf die Union stärkste Kraft im Parlament und können daher den Posten beanspruchen.

HTK
29. September 2021 - 9.49

Wenn Ampeln nicht richtig funktionieren gibt's eine Katastrophe,ansonsten sind sie sehr nützlich.Also dann mal los.Hauptsache die Ewiggestrigen bekommen eine Atempause.Sie scheinen weltweit Probleme zu haben.Wieso denn das?Könnte es sein,dass die Wähler so langsam wegsterben? So hat vor allem die FDP von Stimmen der Jugend profitiert.Bis die feststellen,dass die Partei des Kapitals so fortschrittlich gar nicht ist. Als Erstwähler war ich auch von der DP überzeugt.Heute gehe ich nicht mehr wählen.

tanner
28. September 2021 - 17.28

@Observer / 28.9.2021 - 12:51 "Neue Groko plus Grüne ohne FDP wäre besser!" Die Schwarzen haben ausgedient, Leute die an sprechende Schlangen glauben, können nicht unsere Zukunft vorbereiten.

Observer
28. September 2021 - 12.51

Neue Groko plus Grüne ohne FDP wäre besser!