Russischer Ex-Spion in England vergiftet? Moskau sieht sich als Opfer

Russischer Ex-Spion in England vergiftet? Moskau sieht sich als Opfer
Polizisten nahe des Ortes, an dem am Vortag ein russischer Ex-Spion mit Vergiftungserscheinungen gefunden wurde.

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Die rätselhafte Erkrankung eines russischen Ex-Spions in Großbritannien droht das ohnehin angespannte Verhältnis der beiden Länder weiter zu verschlechtern.

Die rätselhafte Erkrankung eines russischen Ex-Spions in Großbritannien droht das ohnehin angespannte Verhältnis der beiden Länder weiter zu verschlechtern. Die britische Polizei spricht von einem „sehr ungewöhnlichen Fall“. Moskau sieht sich zu Unrecht im Verdacht. Russland sei aber bereit, die Ermittlungen zu unterstützen, sollte es eine offizielle Anfrage aus Großbritannien geben, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Dienstag in Moskau.

In der südenglischen Stadt Salisbury wurde am Wochenende ein Mann mit Vergiftungserscheinungen aufgefunden, bei dem es sich um den früheren Oberst des russischen Militärgeheimdienstes GRU, Sergej Skripal, handeln soll. Er war in Russland als britischer Spion verurteilt und bei einem Austausch 2010 freigelassen worden. Mit ihm wurde eine junge Frau vergiftet. Der BBC zufolge soll es sich um seine Tochter Yulia handeln. Beide liegen in „kritischem Zustand“ im Krankenhaus. Die Polizei geht davon aus, dass die beiden in Kontakt mit einer „unbekannten Substanz“ gekommen sind.

Ein Pizza-Restaurant und ein Pub in Salisbury wurden vorübergehend geschlossen und von der Polizei abgeriegelt. Der Fundort der beiden Verletzten wurde dekontaminiert. Mehrere Mitglieder der Rettungskräfte wurden nach dem Einsatz untersucht, hieß es in einer Mitteilung der Polizei am Dienstag. Alle bis auf einen seien inzwischen wieder aus dem Krankenhaus entlassen worden. Nach derzeitigem Kenntnisstand bestehe aber keine Gefahr für die Öffentlichkeit. Trotzdem nehme man Fälle wie diese „extrem ernst“, hieß es in einer Mitteilung.

Verdächtige Todesfälle mit Russland-Bezug

In die Ermittlungen haben sich inzwischen die Spezialkräfte der britischen Polizei eingeschaltet, um herauszufinden, was hinter der mysteriösen Erkrankung steckt. „Wir sprechen mit Zeugen, wir nehmen kriminaltechnische Proben, wir machen toxikologische Untersuchungen“, sagte der Chef der Spezialkräfte, Mark Rowley, dem Radiosender BBC 4 am Dienstag. „Das wird uns helfen, zu einer Antwort zu kommen“. Es handele sich um einen „sehr ungewöhnlichen Fall“. Noch könne er aber keine Details preisgeben.

Rowley bestätigte, dass es in der Vergangenheit verdächtige Todesfälle mit Russland-Bezug gegeben hat. Er warnte aber vor voreiligen Schlüssen. „Ich glaube wir müssen uns daran erinnern, dass russische Exilanten nicht unsterblich sind, sie sterben alle und es kann eine Tendenz zu Verschwörungstheorien geben“, sagte Rowley. Der Fall des in London vergifteten russischen Ex-Geheimagenten und Kremlgegners Alexander Litwinenko zeige aber, dass Wachsamkeit geboten sei.

Der Kreml wunderte sich nicht über den Verdacht. „Das hat ja nicht lange auf sich warten lassen“, sagte Kremlsprecher Peskow in Moskau. Er könne den Fall nicht kommentieren, fügte er der Agentur Interfax zufolge hinzu.

Litwinenko wurde 2006 in einem Londoner Hotel mit radioaktiv verseuchtem Tee vergiftet. Britische Behörden machen die ehemaligen Agenten Andrej Lugowoj und Dmitri Kowtun für den Anschlag verantwortlich, die jede Schuld von sich weisen. Sie entzogen sich einem Gerichtsverfahren in Großbritannien und leben unbehelligt in Russland. Lugowoj machte gar eine politische Karriere als Parlamentsabgeordneter für die rechtsgerichtete Partei LDPR.

Kowtun vermutet hinter dem Fall eine Verschwörung gegen Moskau. „Wenn wirklich jemand Skripal vergiftet haben sollte, dann ist das kein Zufall, sondern natürlich eine Provokation der britischen Geheimdienste“, sagte er der russischen Agentur Interfax zufolge. Russland und seine Behörden sollten vor der Präsidentenwahl am 18. März diskreditiert werden.