Montag3. November 2025

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AlbanienPremier Rama will muslimischen Vatikan schaffen – und stößt auf Kritik

Albanien / Premier Rama will muslimischen Vatikan schaffen – und stößt auf Kritik
Albaniens Regierungschef Edi Rama verkündete in New York, einem Sufi-Orden zu einem eigenen Staat zu verhelfen Foto: AFP/Angela Weiss

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Mit seiner Ankündigung, für einen Sufi-Orden einen Vatikan-ähnlichen Ministaat zu schaffen, hat Albaniens Premier Edi Rama in New York für weltweite Schlagzeilen gesorgt. In Tirana werfen ihm Kritiker vor, mit seinem Sololauf vor allem von heimischen Problemen ablenken zu wollen.

Zumindest der Ordenschef mit dem Rauschebart ist von dem in Aussicht gestellten Karrieresprung zum Staatsoberhaupt begeistert. „Wir wollen, dass uns der albanische Staat denselben Status garantiert, den der Vatikan in Italien genießt“, so Edmond Brahimaj alias „Baba Mondi“, der 65-jährige Führer des muslimischen Sufi-Ordens der Bektaschi: „Wir haben das verdient. Denn wie schon Papst Johannes Paul II. einmal sagte: Ohne Bektaschi würde es kein Albanien geben.“

Zumindest beim sozialistischen Premier Edi Rama rennt der Chef der mit 116.000 Seelen viertgrößten Religionsgemeinschaft im Balkanstaat mit seinem frommen Wunsch offene Kirchenpforten ein: Denn der seit 2013 amtierende Dauerregent hat am letzten Wochenende im fernen New York den Plan für die Umwandlung des „Bektaschi-Weltzentrums“ in Tirana in einen „souveränen Staat“ zur Überraschung von Freund und Feind selbst angekündigt.

Als „Zentrum der Mäßigung, der Toleranz und der friedlichen Koexistenz“ solle der geplante Kleinstaat ähnlich wie der Vatikan über eigene Pässe und eine eigene Verwaltung verfügen und sich auf ein Territorium von elf Hektar im Osten der Hauptstadt erstrecken, erläuterte Rama am Rande der UN-Vollversammlung der New York Times: „Vielleicht werden alle sagen: Dieser Typ ist verrückt. Aber das ist mir egal. Das Wichtigste ist es, für das Gute zu kämpfen.“

Das kräftige Rauschen der Weltpresse ist Selbstdarsteller Rama mit seinem überraschenden Vorstoß zwar gewiss. Doch ob sich das bislang von Besuchern nur selten aufgesuchte Weltzentrum der Bektaschi in Tirana tatsächlich einmal als neuer Briefmarkenzwergstaat zur Touristenattraktion des Landes mausern kann, ist keineswegs sicher: In Ramas Heimat fällt das Echo auf seinen nicht einmal mit den anderen Religionsgemeinschaften abgestimmten Sololauf zwiespältig aus.

Autoritär gestrickter Balkanfürst

Statt eines neuen Mikrostaats benötige Albanien einen „normalen Staat“, so der Tenor von Analysten, die auf die endlosen Korruptionsskandale in den Reihen von Ramas regierenden Sozialisten (PS) und deren engen Verquickung mit den mächtigen Narkokartellen des Landes verweisen: Das Mediengetöse um seine als „absurd“ und „verfassungswidrig“ gegeißelte Initiative diene Rama nur dazu, sein auch international zunehmend ramponiertes Image wieder etwas aufzupolieren – und von den eigentlichen Problemen des Landes abzulenken.

Tatsächlich sind die Zeiten längst vorbei, in denen der frühere Künstler Rama als Bürgermeister von Tirana nach der Jahrtausendwende wegen der bunten Bemalung der grauen Hauptstadtstraßen in der Auslandspresse als weltoffener „Erneuerer“ gefeiert wurde: Heute eilt dem Liebhaber blumiger Sonntagsreden bei Auslandsreisen der Ruf eines autoritär gestrickten Balkanfürsten voraus.

Zwar sind die Verdienste der Bektaschi-Prediger in Albaniens Nationalbewegung des 19. Jahrhunderts bis heute unbestritten. Kritiker sehen bei dem Projekt eines eigenen Bektaschi-Staats aber nicht nur die in der Verfassung garantierte Trennung von Staat und Religion bedroht: Die etwaige Schaffung eines „zweiten“ Vatikan in Albanien könnte Serbien als willkommene Steilvorlage dienen, um für die serbisch-orthodoxen Klöster im seit 2008 unabhängigen Kosovo eine ähnlich exterritoriale Konstruktion zu fordern.

Kantt Luss
26. September 2024 - 4.28

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