Donnerstag23. Oktober 2025

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Kampagne in der EUImpfmarathon läuft in ganz Europa

Kampagne in der EU / Impfmarathon läuft in ganz Europa
In Luxemburg empfand es Chefkrankenschwester Catarina Fernandes gestern als Ehre, den Impfstoff als Erste entgegennehmen zu dürfen Foto: Editpress/Alain Rischard

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Nach ersten Impfungen am Wochenende in Frankreich, Italien und Deutschland hat inzwischen auch Luxemburg damit angefangen, seine Bevölkerung gegen die Lungenkrankheit Covid-19 zu schützen. Die ersten zwei Empfänger des Impfstoffes von Biontech/Pfizer waren gestern die Krankenpfleger Catarina Fernandes und Kevin Nazzaro. Positiv wird indessen die bisherige Beteiligungsrate bewertet, wie im Rest der EU auch.

Neben dem Großherzogtum (siehe S. 4 und 5) hat gestern unter anderem auch Belgien damit angefangen, seine Bevölkerung mit Comirnaty gegen das neuartige Coronavirus zu impfen. Die 101 Jahre alte Pflegeheimbewohnerin Lucie Danjouin sei die erste Person gewesen, die in der Region Brüssel das Mittel der Hersteller Biontech und Pfizer bekommen habe, meldete die Nachrichtenagentur Belga. Anschließend seien vier weitere Bewohner des Heims an der Reihe gewesen.

Die EU-Kommission hatte für alle Mitgliedstaaten einen gemeinsamen Impfstart zwischen dem 27. und 29. Dezember angekündigt. Auch der Impfstoff Comirnaty wurde gemeinsam für alle 27 Staaten geordert. Wie in Luxemburg läuft aber auch in Belgien eine Debatte zum Umgang mit der Tatsache, dass am Anfang nur wenig Vakzin zur Verfügung steht.

Die Verteilung von zunächst 200 Millionen Dosen des Corona-Impfstoffs des Mainzer Unternehmens Biontech und seines US-Partners Pfizer soll in der Europäischen Union bis September abgeschlossen sein. Dies teilt ein Sprecher der EU-Kommission der Nachrichtenagentur Reuters per E-Mail mit. Zudem seien Gespräche über die Lieferung von 100 Millionen zusätzlicher Dosen im Gange, für die es in dem Vertrag zwischen der EU und den beiden Unternehmen eine Option gebe.

„Ein komplexes Netzwerk“

Der deutsche Hersteller Biontech verfügt nach eigenen Angaben über ein „komplexes Netzwerk an Produktionskapazitäten in Europa“. Neben der Herstellung des Ausgangsstoffs im eigenen Werk in Mainz liefen Teile der Produktion beispielsweise auch bei Partnerunternehmen wie Dermapharm in der Nähe von Halle in Sachsen-Anhalt und Polymun bei Wien, sagte eine Unternehmenssprecherin gestern. Außerdem wird Comirnaty teilweise auch im Werk des US-Partners Pfizer im belgischen Puurs produziert und schließlich abgefüllt. Hinzu komme das Pfizer-Netzwerk in den USA. Biontech-Chef Ugur Sahin hatte in der vergangenen Woche erklärt, sein Unternehmen suche nach weiteren Partnern für die Produktion.

In dem Werk im hessischen Marburg, das Biontech vor wenigen Wochen vom Schweizer Pharmariesen Novartis übernommen hat, soll die Produktion indessen im Februar anlaufen. Die Freigabe des ersten dort produzierten Impfstoffs peilt das Unternehmen nach eigenen Angaben für Ende März an. Zwischen Produktion und Freigabe des kontrollierten Vakzins vergehen üblicherweise etwa vier Wochen. Im ersten Halbjahr 2021 sollen in dem Werk 250 Millionen Impfdosen hergestellt werden. Als Gesamtmenge einer Jahresproduktion strebt das Mainzer Unternehmen 750 Millionen Dosen an.

In jedem Fläschchen des Impfstoffes ist laut Biontech eine Menge für rechnerisch bis zu sechs Dosen enthalten. Jede Dosis müsse 0,3 Milliliter des Impfstoffs enthalten. Um auf die maximal mögliche Menge von sechs Dosen pro Fläschchen zu kommen, sind aber spezielle Spritzen und Nadeln notwendig. Da diese aber nicht überall auf der Welt zur Verfügung stünden, seien die Flaschen für lediglich fünf Dosen vorgesehen und als solche beispielsweise von der EU zugelassen worden, teilte das Unternehmen mit. In Deutschland dürfen allerdings auch sechs Dosen aus einem Fläschchen entnommen werden. Überschüssiger Impfstoff aus mehreren Durchstechflaschen darf aber nicht zu einer Dosis vereint werden.

Logistische Probleme in acht Ländern

Wegen logistischer Probleme ist es gestern aber auch zu einigen Problemen bei der Lieferung gekommen. So muss sich Spanien beispielsweise noch etwas gedulden: Die für gestern geplante zweite Lieferung von 350.000 Impfstoffdosen verzögert sich nach Angaben der Regierung in Madrid wegen logistischer Probleme beim Hersteller in Belgien um einen Tag.

„Es scheint sich um ein Problem bei der Kontrolle der Temperatur zu handeln“, zitierten spanische Medien übereinstimmend aus einer Mitteilung von Gesundheitsminister Salvador Illa. Das Präparat von Biontech und Pfizer muss bei längerer Lagerung auf minus 70 Grad gekühlt werden. Sieben weitere europäische Länder seien von der Verzögerung betroffen. Welche das seien, wurde aber nicht mitgeteilt. Das Problem in Belgien sei inzwischen behoben und die zweite Charge des Impfstoffes sollte ab heute wieder zur Verfügung stehen, versicherte Illa.

Wie in allen EU-Ländern hatte auch in Spanien am Sonntag die Impfkampagne gegen Covid-19 eher symbolisch begonnen. Dabei kamen zunächst nur 9.750 Impfdosen zum Einsatz, die Spanien am Tag zuvor erhalten hatte. Die erste Spanierin, die geimpft wurde, war die 96-jährige Araceli Hidalgo in Guadalajara.

Spanische Behörden planen indessen ein Register mit den Namen von Menschen, die das Angebot einer Impfung gegen das neuartige Coronavirus abgelehnt haben. Das Register sei nicht öffentlich zugänglich, werde aber an andere europäische Länder weitergegeben, sagte Gesundheitsminister Illa. Die Behörden würden „mit dem allergrößten Respekt für den Datenschutz“ vorgehen. Er betonte erneut, dass keine Impfpflicht in dem südeuropäischen Land eingeführt werde.

In Deutschland wurden die ersten Impfungen bereits am Sonntag durchgeführt. Dabei wurden prioritär ältere Mitmenschen geschützt.
In Deutschland wurden die ersten Impfungen bereits am Sonntag durchgeführt. Dabei wurden prioritär ältere Mitmenschen geschützt. Foto: dpa/Reuters/Pool/Fabrizio Bensch

Falschinformationen in Russland

In der deutschen Regierung mehren sich indessen die Warnungen vor Privilegien für Menschen mit Corona-Impfung. „Gegen die Pandemie kämpfen wir gemeinsam – und wir werden sie nur gemeinsam überwinden“, sagte der deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn. Eine beschleunigte Herstellung des Impfstoffs etwa durch Lizenzproduktion bewertete Spahn zurückhaltend. „Viele warten solidarisch, damit einige als Erste geimpft werden können. Und die Noch-nicht-Geimpften erwarten umgekehrt, dass sich die Geimpften solidarisch gedulden.“ Es sei diese gegenseitige Rücksicht, die das Land zusammenhalte.

Spahn warnte vor zu hohen Erwartungen an das Tempo bei der Impfstoff-Produktion. Er wundere sich über den Eindruck, dass die Produktion in drei oder vier Wochen „beliebig hochgefahren“ werden könne, sagte er im ZDF-Morgenmagazin. Diese sei so ziemlich das Komplexeste und Anspruchsvollste im Bereich der Arzneimittel. Er werde aber zusammen mit Biontech daran gearbeitet, dass im Februar oder März im hessischen Marburg zusätzlich produziert werden könne.

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hat währenddessen den staatlich kontrollierten russischen Medien die Verbreitung von Falschinformationen über westliche Impfstoffe vorgeworfen. Dies geschehe offenbar gezielt in solchen Ländern, wo Russlands eigener Impfstoff verkauft werden solle, schrieb Borrell in einem Blog-Posting.

Eine Zulassung des Covid-19-Impfstoffs der Universität Oxford und des Pharmakonzerns AstraZeneca steht indessen noch aus. Eine positive Bewertung und Zulassung könnte nach Ansicht eines Regierungsvertreters die Aufhebung der Corona-Beschränkungen in Großbritannien beschleunigen. „Wenn wir die Genehmigung für diesen Impfstoff erhalten und die Einführung nach Plan verläuft, dann werden wir in der Lage sein, schrittweise einige der Einschränkungen aufzuheben, die das Leben für so viele Menschen so schwierig gemacht haben“, sagt Kabinettsminister Michael Gove. Denn dann gebe es eine „signifikante Erhöhung“ des verfügbaren Impfstoffs.

Einem Bericht des Sunday Telegraph zufolge wird in den kommenden Tagen grünes Licht von den Behörden für den Impfstoff erwartet.