NahostAnschlag in Tel Aviv nach Israels Militäreinsatz in Dschenin

Nahost / Anschlag in Tel Aviv nach Israels Militäreinsatz in Dschenin
Menschen flüchten aus dem Lager von Dschenin Foto: AFP/Ronaldo Schemidt

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Inmitten des Großeinsatzes des israelischen Militärs im besetzten Westjordanland hat ein Palästinenser-Anschlag in Tel Aviv Furcht vor einer weiteren Eskalation der Gewalt im Nahost-Konflikt geschürt.

Die Spirale der Gewalt im Nahost-Konflikt dreht sich unaufhaltsam weiter. Während eines großangelegten israelischen Militäreinsatzes im Westjordanland, bei dem bis Dienstag mindestens zehn Palästinenser getötet wurden, erschütterte ein Anschlag Tel Aviv. Bis zu sieben Menschen wurden nach Behördenangaben bei dem Angriff mit einem Wagen und später mit einer Stichwaffe verletzt, bevor ein bewaffneter Passant den mutmaßlichen Täter erschoss.

Nach Angaben von Polizeichef Jakoov Schabtai stammte der mutmaßliche Attentäter aus dem von Israel besetzten Westjordanland. In der dortigen Stadt Dschenin und seinem Flüchtlingslager geht die israelische Armee seit Montag mit hunderten Soldaten, Planierraupen und Drohnenangriffen gegen radikale Palästinenser vor. Bis Dienstag wurden nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums zehn Menschen getötet, hundert weitere wurden verletzt.

Rund 3.000 der 18.000 Einwohner des Flüchtlingslagers flohen am Montagabend vor den Kämpfen. Sie sollen nach Angaben des Vize-Gouverneurs von Dschenin, Kamal Abu al-Rub, vorläufig in Schulen und anderen Notunterkünften untergebracht werden.

„Offener Krieg gegen die Bewohner“

Der Militäreinsatz in Dschenin, einer Hochburg radikaler Palästinensergruppen, war am Montag von der ultrarechten Regierungskoalition von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu angeordnet worden. Ziel sei es, das „Terroristen-Netz“ auszuheben, sagte Netanjahu am Montag.

Der Norden des Westjordanlands ist seit einiger Zeit immer wieder Schauplatz von Angriffen auf Israelis, aber auch von Gewalt radikaler jüdischer Siedler gegen Palästinenser. Nach palästinensischen Angaben handelt es sich um den massivsten Armeeeinsatz seit fünf Jahren. Das palästinensische Außenministerium sprach von einem „offenen Krieg gegen die Bewohner von Dschenin“.

Zunahme unter Netanjahu

Die Spannungen zwischen Israelis und Palästinensern hatten sich bereits zu Beginn des vergangenen Jahrs verschärft. Unter Netanjahu und seinen teils rechtsextremen Koalitionspartnern aber hat die Gewalt nochmals zugenommen. Allein seit Jahresbeginn wurden mindestens 188 militante und zivile Palästinenser, 25 Israelis, ein Ukrainer und ein Italiener getötet, wie eine Zählung von AFP auf Grundlage offizieller Quellen ergibt.

Den Armeeangaben zufolge wurden mehrere Waffenlager, Unterschlupfe und „Einsatzzentralen“ bewaffneter Palästinensergruppen ausgehoben und ein unterirdischer Schacht zerstört, der für die Lagerung von Sprengstoff genutzt wurde. „Mindestens 120 Verdächtige“ seien festgenommen worden. Doch immer noch würden rund „300 bewaffnete Terroristen“ in Dschenin vermutet. Die Armee sei darauf eingestellt, dass der Kampf noch eine Weile andauern werde.

Die radikalislamische Hamas-Miliz rühmte unterdessen den „heldenhaften Angriff“ in Tel Aviv. Dieser sei eine „erste Antwort auf die Verbrechen gegen unser Volk in Dschenin“.

Die Straßen der im Norden des Westjordanlandes gelegenen Stadt und ihres Flüchtlingslagers waren am Dienstag wie ausgestorben, die Geschäfte blieben wegen eines Generalstreiks geschlossen. Rund um das Lager zeugten improvisierte Blockaden, aufgerissene Straßen und weitere Zerstörungen von den Razzien der Armee. Über Dschenin war der Lärm von Drohnen zu hören.

Den Vereinten Nationen zufolge sind weite Teile des Flüchtlingslagers ohne Strom und Wasser. „Alle Lebensbereiche sind zerstört“, sagte Imad Dschabarin, einer der geflohenen Bewohner des Camps. „Wir sind gewissermaßen von der Welt abgeschnitten.“