Günter Wallraff, Berufsskeptiker und Zweckoptimist

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Der Deutsche Günter Wallraff ist eine Reporterlegende. Unsere Journalistin Wiebke Trapp traf "Ali Levent Sinirlioglu" – seine erste Undercover-Reportage machte Wallraff 1983 als türkischer Gastarbeiter – zum Interview.

Das Interesse an dem schlanken, dunkel gekleideten Herrn im Merziger Café Jobst ist groß. Und Günter Wallraff
lädt jeden, der ihn anspricht, zu seinem Vortrag am selben Tag ein. Umsonst, versteht sich. So kommen innerhalb einer Viertelstunde etliche Bewohner eines Seniorenheims und Patienten sowie Pflegekräfte eines Merziger Krankenhauses zusammen. Die Reporterlegende ist sehr aufgeschlossen und symphatisch bescheiden.

Tageblatt.lu: Sie waren Ali, der Türke, Hans Esser bei Bild, Waffenschieber, Obdachloser oder Afrikaner: Was sagt Ihnen Ihr Spiegel am Morgen danach?

Günter Wallraff: Aus jeder Rolle bleibt etwas haften und meistens positiv. Die psychisch härteste und selbstverleugnenste Rolle war die bei Bild. Das hat lange gedauert, bis ich mich davon erholt habe. Aber es resultieren immer auch Freundschaften aus diesen Einsätzen, von daher kann ich danach unbekümmert in den Spiegel schauen.

Sie bringen sich bei Ihren Undercover-Recherchen oft selbst in Gefahr. Sind sie lebensmüde? Oder einfach ungeheuer mutig?

(lacht) Ich lebe gerne. Und intensiv. Meine „Rollen“ sind oft mit Strapazen verbunden – auch körperlich. Aber ich weiß, ich kann etwas verändern. Häufig bleibt es danach nicht so, wie es war. Das entschädigt mich. Und ich bin angstfreier geworden.

Davon konnte man sich überzeugen. Sie haben sich dem IS als Austausch-Geisel für den Ex-US-Soldaten Peter Kassig, damals Sanitäter einer NGO, angeboten …

Kassig hatte sein ganzes Leben noch vor sich. Und ich habe mir mehr Überlebenschancen eingeräumt als den meisten anderen Gefangenen. In jüngeren Jahren hätte ich so etwas wohl eher nicht gemacht, aber in ein paar Jahren ereilt es mich dann sowieso. Nach dem Motto: Dem Leben einen letzten Sinn geben und dem Tod zuvorkommen. Es ist ja dann aber daran gescheitert, dass die Amerikaner es strikt ablehnen, Lösegelder für Geiseln zu zahlen oder überhaupt zu verhandeln. Jetzt hört man nichts mehr davon, vielleicht hat unter Obama ein Umdenken stattgefunden. (Peter Kassig wurde im November 2014 vom IS ermordet, Anm. d. Red.)

(…)

Was sagen Sie zum „Twitter“-Präsidenten Trump?

Aua. Das hätte man sich in den schlimmsten Albträumen nicht vorgestellt. Da kommt einer an die Macht, eine Ausgeburt an Verrohung und Menschenverachtung, der eine Bedrohung für den Weltfrieden ist und der Berater hat, die von Kriegslüsternheit besessen sind; ich denke an Steve Bannon. Trump muss man die Stirn bieten, hier ist Europa gefährdet und gefordert. Trotzdem zeigt das, was sich jetzt öffentlich gegen ihn äußert, auch ein anderes Amerika.

Wo wir gerade bei Europa sind: Nach dem Brexit bekommen wir jetzt auch noch den Frexit? In Frankreich sind bald Wahlen …

Nein. Ich gehe jede Wette ein, dass Marine Le Pen es nicht schafft. In Frankreich gibt es eine starke demokratisch verwurzelte Arbeiterschaft, die dagegenhalten kann. Benoît Hamon wird diese demokratische Gegenkraft bündeln und wird mit deutlichem Vorsprung, mindestens 15 Prozent, gewinnen.

(…)

Sehen Sie Whistleblower als Ihre Kollegen an? Sie plaudern ja auch Interna aus …

Kommt drauf an. Solche Menschen melden sich ja bei mir. Viele anonym, weil sie ihr Arbeitsverhältnis sonst riskieren. Manchen muss ich dann erst einen anderen Job besorgen, bevor ich damit an die Öffentlichkeit gehen kann. Wir brauchen ein Gesetz zum Schutz der Whistleblower.

Das ganze Interview mit Günter Wallraff und weitere Details zu seiner Arbeit lesen Sie in der Tageblatt-Ausgabe vom 8. Februar (Print und Epaper).