„Damit habe ich nicht gerechnet“

„Damit habe ich nicht gerechnet“
(Harald Tittel)

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Wer kann am schnellsten auf einer Mülltonne den Berg hinunter sausen? Es ist Stephan Kunz. Der 38-Jährige holte bei der WM im Mülltonnenrennen den Titel.

Es muss alles sehr schnell gehen. Und jede Bewegung muss sitzen: Kurz ansprinten, mit dem Bauch auf die gekippte Tonne werfen, Deckelrahmen umfassen und auf den Rädern losrattern. Balance und Tempo sind alles bei der Weltmeisterschaft im Mülltonnenrennen, bei der am Samstag in Hermeskeil in Rheinland-Pfalz rund 45 „Piloten“ um die Wette rasen. Mit bis zu 50 Sachen flitzen sie in verschiedenen Läufen auf ganz gewöhnlichen dunkelgrauen Mülltonnen den rund 350 Meter langen Berg hinunter: Denn jeder von ihnen will Weltmeister im Mülltonnenrennen werden.

„A und O ist der Start“, sagt Veranstaltungsleiter Christoph König (46), der als Vorsitzender des Vereins „YesAngels“ den Wettkampf der Mülltonnen-Renn-Elite zum sechsten Mal organisiert. Denn wer nicht von Anfang an gut ausbalanciert auf seiner Tonne liege, verliere später wichtige Sekunden. „Perfekt ist es, wenn der Fahrer mit seinen Füßen kaum den Boden berührt“, sagt er. Am Schluss ist es Stephan Kunz (38) aus Großrosseln im Saarland, der es am besten gemacht hat. Für seinen Lauf in 33 Sekunden bekommt der Bundeswehrsoldat den WM-Titel. „Damit habe ich nicht gerechnet“, jubelt er.

Klare Regeln

Beim Mülltonnensport gelten – wie bei anderen Disziplinen – klare Regeln. Zugelassen sind nur Restmüll- oder Papiertonnen aus Kunststoff von 80 bis 240 Litern. Sie müssen leer, sauber und geruchsfrei sein, Spoiler oder Motoren sind tabu. Nur am Deckelscharnier kann eine Metallblende angebaut werden, um vor Verschleiß zu schützen. „Es dürfen keine spitzen Ecken und Kanten hervorstehen“, sagt Frank Weber, der die technische Abnahme der Tonnen gemacht hat.

Das Startkommando lautet: „3,2,1, Start!“ und schon sind die Mülltonnenpiloten auf und davon. Immer drei auf einmal. „Es macht voll Spaß. Es kribbelt“, sagt Christian Wagner (38). „Es ist jedes Mal eine Herausforderung“, meint Pilotin Alice Zenz aus St. Pölten in Österreich, die als schnellste Frau gekürt wird. „Aber man muss schon ein bisschen verrückt sein“, sagt die 33 Jahre alte Physiotherapeutin.

120-Liter-Tonnen sind am schnellsten

„Die meisten nehmen die 120-Liter-Tonnen, die sind am schnellsten“, sagt König, Bundeswehrsoldat bei der Luftlandebrigade I in Saarlouis. Die Piloten tragen Helme, Handschuhe und Schoner über den Gelenken – wie echte Rennfahrer eben. Sechs Nationen vertreten sie, darunter Australien, Österreich – und Japan.

„Ich toure durch die Welt, um bei verrückten Festivals mitzumachen“, sagt der Japaner Daisuke Miyagawa (42). Er habe schon in Italien Käse um die Wette gerollt, in England Tortenweitwurf gemacht und sei in Österreich auf einem Wok durch ein Bob- und Rodelbahn geflitzt. „Das hier ist besonders toll“, sagt der TV-Moderator.

Und wie kommt man auf so einen verrückten Rennsport? Den hat der Verein eher zufällig beim Musikfestival „Rock am Ring“ entdeckt. Eine Mülltonne fiel um und ruckzuck saß jemand darauf und probierte Fahrtechniken aus. Das erste Rennen gab es 2005 in der 6000-Einwohner-Stadt. „Da waren wir weltweit die Einzigen“, sagt König. Inzwischen gebe es Nachahmer im Schwarzwald, in Österreich und der Schweiz. „Das finden wir gut. Wir wollen den Sport ja bekannter machen.“ Eine WM im Mülltonnenrennen gebe es aber nach wie vor nur in Hermeskeil, so König.

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