Ewige Treue mitten in der Katastrophe

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Er ist zum Sinnbild der brasilianischen Tragödie geworden: Seit Tagen harrt der Hund Leao am Grab seines Frauchens aus und hofft, sie tauche wieder auf.

Cristina Maria Cesario Santana ist eines der 667 Opfer der Schlammlawinen, die vergangene Woche in der Nähe von Rio niedergingen. Am Sonntag veröffentlichten brasilianische Medien ein Bild ihres Hundes Leao (Löwe), der seit zwei Tagen und zwei Nächten an ihrem Grab wacht. Während die Betroffenen der Katastrophe schwere Vorwürfe gegen die Regierung erheben, macht das Bild des treuen Leao im Internet die Runde.

Verheerendste Naturkatastrophe seit 1967

Präsidentin Dilma Rousseff kündigte nach den Protesten der Anwohner an, den Staat Rio mit rund 46 Millionen Euro finanziell unterstützen zu wollen. Außenminister Fernando Bezerra erklärte, die Hälfte des Geldes werde am Montag auf den staatlichen und kommunalen Konten eingehen – sechs Tage nach dem Unglück.

Margareta Wahlström, UN-Beauftragte für Risikoverminderung bei Naturkatastrophen, kritisierte die brasilianische Regierung, keine ausreichenden Vorkehrungen getroffen zu haben. „Diese Art von Tragödie muss nicht passieren“, sagte sie in Genf während eines Telefoninterviews. Die Regierung hätte ein Frühwarn- und Notfallsystem einrichten müssen.

In Brasilien kommt es während der Regenzeit oft zu Überschwemmungen und Erdrutschen. Nach Angaben des in Brüssel ansässigen Instituts Internationale Katastrophen-Datenbank handelt es sich bei den jüngsten Unwettern jedoch um die verheerendste Naturkatastrophe seit den Überschwemmungen und Erdrutschen im Jahr 1967. Damals kamen 785 Menschen ums Leben.

Die Hunderte von streunenden Hunden, die ihre Besitzer verloren haben, werden derzeit zu einem riesigen Problem. Hungrig und verzweifelt irren die Tiere durch die schlammbedeckten Strassen. Besonders schockierend ist dabei die Geschichte des Familienvaters Fernando Perfista, der die Leiche seines Sohnes im Kühlschrank aufbewahren musste, damit die Hunde nicht über sie herfielen, während er nach den drei Geschwistern des 12-Jährigen suchte.

Streunende Hunde und verzweifelte Anwohner

Inzwischen befürchten Rettungskräfte, dass die Zahl der Opfer auf mehr als 1.000 ansteigen könnte. Am Sonntag – dem vierten Tag, nachdem gewaltige Schlammlawinen ganze Ortschaften im bergigen Hinterland von Rio de Janeiro verwüsteten – ist es den Rettungsteams noch immer nicht gelungen, zu allen Orten vorzudringen.

Rund eine Woche nach den verheerenden Erdrutschen und den massiven Überschwemmungen werden noch über 200 Menschen vermisst. Allein in der besonders betroffenen brasilianischen Stadt Teresópolis, rund 100 Kilometer nördlich von Rio, fehlte von 177 Einwohner jede Spur.

Resignation macht sich breit

Die Überlebenden mussten sich bislang weitgehend selbst helfen. Sie legten oftmals kilometerlange Wanderungen von ihren Ortschaften bis zur nächstgelegenen Stadt Teresópolis zurück, um sich mit Hilfslieferungen einzudecken. Seit Tagen waren sich langsam bewegende Menschenströme zu beobachten. Viele der schlammbedeckten Männer und Frauen hatten mit Lebensmittel gefüllte Supermarkttüten zusammengeknotet und über die Schulter gehängt, um diejenigen zu versorgen, die zu schwach für einen beschwerlichen Fußmarch waren.

Gerade unter älteren Anwohnern machte sich Resignation breit. Eine Frau, die in einer kleinen Ortschaft hoch in den Bergen über Teresópolis wohnt, sagte, sie gehe nirgendwo hin. Sie habe gesehen, wie viele ihrer Nachbarn von den Schlammlawinen mitgerissen worden seien. Sie habe ihre Schreie gehört, als sie direkt an ihrem Haus vorbei weggespült worden seien, erzählte Maria de Jesús Correia. Dennoch trage sie sich nicht mit dem Gedanken, eine Notunterkunft aufzusuchen. „Was geschehen sollte, ist schon passiert“, sagte die 50-Jährige. Sie denke gar nicht daran in ein Feldlazarett zu gehen, es sei der Horror dort.