„Es gibt ein Muster“

„Es gibt ein Muster“
(AP)

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Nach dem Mord an einem Rapper wurde die Parteispitze der rechtsextremen griechischen "Goldenen Morgenröte" verhaftet. Die Gewalttat war nur die Spitze des Eisbergs.

Asif Ali überlegt sich mittlerweile ganz genau, welchen Weg er nimmt. Bereits dreimal wurde der 28-jährige gebürtige Pakistaner angegriffen; die Täter waren nach seinen Angaben rechtsradikale Schlägertrupps. Solche Überfälle häufen sich. Auch der pakistanische Bäcker Ali Kaser wurde Opfer von Schlägern (siehe Bildstrecke). Nicht nur Ausländer sind Opfer, auch Homosexuelle, Gewerkschafter oder linksgerichtete Aktivisten.

Nach der Ermordung eines antifaschistischen Rap-Sängers Mitte September geht die Polizei jetzt hart gegen die Neonazi-Partei Goldene Morgenröte vor: Die gesamte Parteiführung wurde am Wochenende festgenommen, die Partei als kriminelle Vereinigung eingestuft. Viel zu spät sei dies geschehen, beklagen Kritiker. „Ein Mord – und zwar der Mord an einem Griechen – war nötig, damit der Staat und die Gesellschaft reagieren“, sage der konservative Abgeordnete Aris Spiliotopoulos.

„Es gibt keinen Platz für Neonazis“

Ein Mitglied der Goldenen Morgenröte soll den Rapper Pavlos Fyssas erstochen haben. Die Tat sorgte für nationale Empörung in Griechenland. Schliesslich wurden am Samstagabend Parteichef Nikos Mihaloliakos und andere führende Mitglieder der Gruppierung in Handschellen abgeführt. Der griechische Ministerpräsident Antonis Samaras versicherte in New York, gegen die rechtsradikale Partei werde hart vorgegangen. „Es gibt keinen Platz für Neonazis in der demokratischen Welt“, erklärte er.

So etwas hätte viel früher geschehen müssen, sagt die Opposition. Nach Darstellung von Bürgerrechtlern war der Mord an Fyssas nur der Höhepunkt einer ganzen Reihe von Gewalttaten in den vergangenen Monaten. Ali zum Beispiel erzählt, er sei zunächst auf der Strasse von einer Gruppe schwarz gekleideter Männer verprügelt worden. Später hätten ihn Motorradfahrer angegriffen, und im Dezember sei ihm von drei Männern in einem Bus die Nase gebrochen worden. „Früher bin ich oft ausgegangen“, sagt der Bauarbeiter. „Jetzt überlege ich es mir zehnmal, bevor ich irgendwo hingehe.“

„Diese Schläge zeugen von der Bereitschaft zu töten“

In der Nähe von Alis Wohnung im Athener Stadtviertel Nikea praktiziert der Arzt Panagiotis Papanikolaou. Seit 1998 behandelt der Neurochirurg Opfer rechtsradikaler Gewalt – sein erster Patient war ein linksgerichteter Student, bei dem nach der Prügelattacke ein Hirnschaden zurückblieb. Seit Monaten weist er warnend darauf hin, dass nach seinen Beobachtungen sowohl die Zahl der Übergriffe steigt als auch ihre Intensität. „Wir haben Fälle von Schädel- und Gesichtsverletzungen, Stichwunden und Verletzungen, die von Schraubenziehern verursacht werden“, berichtet er. „Es war Glück, dass wir bisher keine Todesopfer hatten. Schläge, die hart genug sind, um jemandem den Schädel zu brechen, zeugen von der Bereitschaft zu töten“, sagt er.

In den vergangenen zwei Jahren seien rund 300 Übergriffe rechtsradikaler Gruppen registriert worden, sagt Eleni Takou, Mitglied eines Netzwerkes, das solche Fälle beobachtet. In fast allen Fällen seien es mehrere Täter gewesen, und bei etwa 50 Prozent der Angriffe sei das Opfer schwer verletzt worden. „Es gibt ein Muster“, erklärt Takou: „Gangs patrouillieren auf den Strassen, oft von Hunden begleitet. Normalerweise tragen sie schwarze Kleidung oder Militärkleidung, und sie haben irgendwelche Waffen dabei. Anders ausgedrückt: Es sind geplante Überfälle, keine spontanen Taten.“ Die Täter seien davon überzeugt, dass sie keine Strafe zu befürchten hätten.

Verbot eingeleitet

Die Goldene Morgenröte bestreitet, etwas mit den Schlägertrupps zu tun zu haben. Viele Jahre lang war die Gruppierung eine unbedeutende Bewegung, mittlerweile ist sie sogar im Parlament vertreten. Bei Umfragen im Juni kam sie auf eine Zustimmung von zwölf Prozent. Nach Angaben der Behörden war der Mord an Fyssas Auslöser dafür, dass die Parteiführung festgenommen und ein Verbot der rechtsextremistischen Partei in die Wege geleitet wurde.

„Ich verstehe nicht, warum die Goldene Morgenröte mehrfach zu Wahlen zugelassen wurde“, kritisierte der Abgeordnete Spiliotopoulos im griechischen Fernsehen. Das Parteiprogramm sei wohl bekannt gewesen, und eigentlich hätte die Partei von Anfang an als neonazistische Organisation eingestuft werden müssen, sagte er.

„Die Leute haben begriffen, dass es Faschisten sind“

Jetzt meinen es die Behörden offensichtlich ernst: Die Ermittlungen, die schliesslich zur Verhaftung von Parteichef Mihaloliakos und anderen Funktionären führten, konzentrierten sich auf die Aktivitäten der Partei in Nikea, wo die Goldene Morgenröte offenbar von Polizeibeamten unterstützt wurde. Die örtliche Polizeiwache wurde durchsucht, ebenso wie Räume der Partei. Die Staatsanwaltschaft wurde mit Befugnissen ausgestattet, wie es sie sonst nur bei terroristischen Verbrechen oder Schwerbrechen gibt.

Mit Erleichterung hat Asif Ali vernommen, dass gegen die Goldene Morgenröte vorgegangen wird. Die Gruppierung habe einige Anhänger, aber längst nicht alle Leute stünden hinter ihr, sagt er. Ausserdem sei er überzeugt, dass sich mit der Verhaftung der Parteifunktionäre etwas verändert habe. „Die Menschen werden jetzt eher eingreifen, um solche Leute zu stoppen“, hofft der Pakistaner. „Sie haben begriffen, dass es Faschisten sind.“