Erstes Opfer der Massenproteste

Erstes Opfer der Massenproteste
(Reuters)

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Bei schweren Zusammenstößen zwischen der ägyptischen Polizei und Tausenden Demonstranten in Kairo ist am Dienstag ein Mann ums Leben gekommen.

Die Polizei feuerte am Dienstag Tränengas auf steinewerfende Jugendliche nahe des zentralen Tahrir-Platzes, wo wie in den vergangenen Tagen der Ära Mubarak im Februar vergangenen Jahres der Ruf nach dem „Ende des Regimes“ erklang. Die Demonstranten, die auch in Alexandria, Suez, Minja und anderen Städten im Nil-Delta auf die Straße gingen, werfen Mursi das Verhalten eines Diktators vor.

In Kairo kam ein 52-Jähriger ums Leben, nachdem er Tränengas eingeatmet hatte. Auslöser der seit fünf Tagen anhaltenden Protestwelle ist ein Dekret von Mursi, in dem sich der Islamist unter anderem selbst eine begrenzte Immunität verliehen hat. Nach ersten Protesten hatte sein Sprecher sich um eine Relativierung bemüht, die Kritiker damit aber nicht beruhigen können.

Muslimbrüder halten sich zurück

Zu den Demonstrationen hatten liberale, linke und sozialistische Gruppen aufgerufen. Unter den Teilnehmern waren auch Gelehrte der angesehenen Al-Ashar-Moschee und -Universität – ein Zeichen dafür, dass gemäßigtere Muslime die Politik des Präsidenten ebenfalls kritisch sehen. Zudem gingen auch viele ägyptische Christen auf die Straße. Eine befürchtete direkte Machtprobe zwischen den Gegnern und Unterstützern Mursis fand am Dienstag nicht statt, nachdem die Muslimbruderschaft und andere streng religiös ausgerichtete Gruppen ihre eigenen Demonstrationen absagten.

Mursi hatte in der vergangenen Woche unter anderem seine Anordnungen bis zur Parlamentswahl vor Gericht unanfechtbar gemacht und der von Islamisten dominierten verfassungsgebenden Versammlung juristische Immunität verliehen. Weiter ebnete er den Weg dafür, dass Prozesse gegen den bereits verurteilten Ex-Präsidenten Husni Mubarak und dessen Getreue wieder aufgerollt werden können. Nach heftigem Widerstand der Justiz ließ der Präsident erklären, dass die Gerichte nur bei Fragen der „Souveränität“ ausgeklammert werden sollten. Formell würden darunter Vorgänge wie Kriegserklärungen fallen. Allerdings sehen Experten Spielraum für deutlich weitergehende Interpretationen.

Angst vor islamistischem Staat

Auf dem Tahrir-Platz in der Kairoer Innenstadt nahmen die Proteste ihren Anfang, die zum Sturz von Mubarak im Februar 2011 und zur Wahl des damaligen Muslimbruders Mursi geführt hatten. Die von den Muslimbrüdern und anderen orthodoxen islamischen Gruppen dominierte verfassungsgebende Versammlung soll die Grundlagen des neuen ägyptischen Staatswesens ausarbeiten. Weltlich ausgerichtete Ägypter befürchten, dass die Weichen für einen islamistischen Staat gestellt werden könnten. Sie sehen im Vorgehen Mursis erste Belege dafür.